Der Tag voller Ängste

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Milan schaut mich mit einem Blick an, der mich nicht glücklicher machen könnte. In seinen Augen liegt Freude und es hat etwas kindliches an sich.

»Wir werden Eltern?«, fragt er mich.

»Ja. Nein. Vielleicht. Ich weiß es nicht. Scheiße!!! Milan, wir sind selber noch Kinder, wie sollen wir bitte ein Kind großziehen? Und unsere Eltern werden uns umbringen!«, während ich ihm eine Antwort gebe, ändert sich meine Freude über seine Reaktion in Verzweiflung, Angst und Niedergeschlagenheit.

»Willst du es nicht behalten? Willst du es abtreiben? Versteh ich dich jetzt richtig?«

»Nein, ich möchte nicht abtreiben. Glaube ich. Ich weiß nicht.«, ich überlege.

Nein, ich will nicht abtreiben. Ich kann es nicht.
»Das kleine Wesen kann ja nichts dafür, dass es nun da ist. Warum sollte ich es also bestrafen? Ich könnte es einfach nicht. Das würde ich nicht übers Herz bringen.«

»Sehe ich genauso. Ich meine, klar, wir sind erst 16, aber ich möchte diesem kleinen Menschen da drin...«, er macht eine Pause und zeigt auf meinen Bauch, »... nicht das Leben nehmen, nur weil wir zu dumm waren und nicht nachgedacht haben.«

»Also behalten wir es?«, frage ich ihn und schaue ihm dabei in die Augen. Er überlegt kurz und sagt dann: »Also ich würde sagen ja. Es richtet sich letztendlich nach dir, weil es dein Körper ist und du die Mutter. Aber ich würde es definitiv behalten.«

»Okay. Ich würde sagen ich bin auch der Meinung, dass wir es behalten sollten. Wie du schon sagtest, es kann nichts dafür, dass wir nicht aufgepasst haben und vielleicht ist es auch Schicksal, dass es passiert ist. Es passiert ja immerhin nichts ohne Grund, oder?«

Von Milan kommt nur ein knappes »ja« und so sitzen wir bestimmt eine Viertelstunde in meinem kleinen Bad.

Irgendwann beschließen wir aus dem Bad zu gehen und uns auf mein Bett zu setzen. Wir müssen schließlich Dinge besprechen und sowas sollte man nicht auf einem kalten Badezimmerboden tun. Es geht hier immerhin um unser Kind.

»Wir müssen es unseren Eltern sagen.«, meine ich.
»Ja, das müssen wir. Früher oder später werden sie es eh mitbekommen.«
»Sie werden uns drei umbringen!«
»Drei?«
»Ja, drei. Dich, mich und das Baby.«
»Stimmt. Sorry, ich muss mich erst dran gewöhnen, dass wir ab jetzt zu dritt sind.«
»Das wird schon noch. Ich glaube ich werde es in der nächsten Zeit auch noch vergessen.«, gebe ich zu.
»Wann wollen wir es ihnen sagen? Jetzt gleich, damit wir es hinter uns haben?«, fragt mich Milan.
»Nein. Wir brauchen erstmal einen Plan den wir vorzeigen können. Damit sie uns nicht ganz und gar umbringen.«
»Okay. Wie ist unser Plan?«
»Eh das Kind da ist, vergehen noch 9 Monate. In der Zeit habe ich die 10. Klasse fertig. Ich würde gern mein Abitur machen, weiß aber nicht ob das dann möglich ist. Aufjedenfall machst du dein Abitur und studierst danach. Da kannst du sagen was du willst! Ich werde wohl oder übel mein Abi später machen müssen, das ist leider nicht zu ändern.«
»Das klingt erstmal nach einem Plan. Find ich gut soweit. Gibt es sonst noch etwas, was wir besprechen müssen, bevor wir es ihnen sagen?«
»Kann es sein, dass du ganz schön drauf versessen bist, es unseren Eltern zu sagen? Du kannst es ja kaum abwarten.«
»Ich will sie einfach nicht belügen, bzw. ihnen etwas vorenthalten.«
»Das möchte ich auch nicht, aber ich hab Angst es ihnen zu sagen. Man sagt seinen Eltern ja auch nicht jeden Tag, dass man Schwanger ist. Ich kann einfach nicht einschätzen wie sie reagieren werden.«
»Finden wir es heraus. Sind beide grade Zuhause?«
»Ja eigentlich schon. Okay, lass es uns sagen gehen... Oh Gott hab ich Angst.«

Und mit diesem Satz nimmt Milan meine Hand und wir gehen zusammen meine Eltern suchen.

Fünf Minuten später haben wir mein Vater und meine Mutter gefunden und sind mit ihnen in unser großes Wohnzimmer gegangen.

Wir meinten wir hätten ihnen was wichtiges zu erzählen und sie sollten nicht ausrasten.

Nun sitzen wir also auf den zwei gegenüber platzierten Sofas, welche, wie ich jetzt festgestellt habe, sehr unvorteilhaft stehen.
Mein Vater sitzt mir und meine Mutter Milan gegenüber. Mein Angst wird von Minute zu Minute größer. Das Schweigen in diesem riesigen Raum wird immer ohrenbetäubender und die Anspannung ist nun deutlich spürbar.

»Ihr wolltet uns etwas wichtiges sagen. Also...«, sagt mein Vater ungeduldig.
»Also...«, beginnt Milan.
»Also...«, sage auch ich.
»Also, die Sache ist die: wir haben etwas, naja wie soll ich sagen, getan. Und bitte reißt uns nicht den Kopf ab dafür.«, bringe ich langsam hervor.
»Es ist so, dass wir... ihr... Also, Cara ist... Schwanger.«, stammelt Milan ganz vorsichtig.

Ich schaue meine Eltern abwechselnd an, erst zu meinem Vater und dann zu meiner Mutter, dann wieder zu meinem Vater und zurück zu meiner Mutter. Sie selber schauen sich beide an und sehen dann uns abwechselnd an. Sie sagen nichts, was das ganze unerträglich macht. Nun schaue ich Milan an, aber der zuckt nur mit den Schultern.

Plötzlich nickt meine Mutter, als würde sie etwas bejahen. Ihre Blicke sind weder wütend, noch voller Verachtung oder irgendetwas anderem, irgendetwas ähnlichem.

Sie sehen nahezu Gleichgültig aus. Das ist definitiv nicht die Reaktion, mit der ich gerechnet hatte.

Meine Mutter öffnet unerwartet den Mund und schließt ihn auch wieder genauso schnell wie sie ihn geöffnet hatte.

Ich wünsche mir irgendeine Reaktion, denn dieses nichts sagen macht mich Wahnsinnig.
»Könntet ihr bitte irgendetwas dazu sagen?«, frage ich leise meine Eltern.

Ich traue mich nicht lauter zu sprechen.
Und was dann kommt, hätte ich beim besten Willen nicht geglaubt.

2 mit 16Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt