Kapitel 1

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Es war bestimmt 2:30 Uhr am Morgen, aber ich konnte einfach nicht schlafen. Wie denn auch? Es stürmte draußen und der laute Wind pfiff durchs Haus. Leise schlüpfte ich unter der Bettdecke vor und tapste an dem Bett meiner Freundin vorbei. Ich schlief wirklich sehr oft hier. Eigentlich immer, wenn ich mich mit meiner Mutter gestritten hatte.
„Lacy?", murrte Stella und sah mich aus verschlafenen Augen an. „Was tust du denn da? Wohin gehst du?"
„Nur in die Küche und was trinken. Ich bin gleich wieder da."
Stella ließ ihren Kopf wieder sinken und schlief einfach weiter, was ich kichernd beobachtete. Dann verließ ich ihr Zimmer und lief die Treppe runter. Ihre Eltern waren mal wieder auf Geschäftsreise. Es war vermutlich auch besser so. Sie konnten mich nicht sonderlich leiden. Aber sie waren sowieso nie da, weil sie eine wichtige Firma in Modeindustrie hatten.
Stella und ich kannten und schon seit wir 10 Jahre alt waren. Also seit 6 Jahren. Aber ihre Eltern denken, dass ich einen schlechten Einfluss auf sie habe. Keine Ahnung, weshalb. Ich verstand es wirklich nicht. Zumal Stella diejenige war, die mich ab und zu mal wieder zu Sachen brachte, die absolut nicht meine Art waren. Sich in der Bar volllaufen lassen und mit einem Wildfremden rumknutschen, den man nicht mal 5 Minuten kennt. Das war sicher nicht meine Idee und danach habe ich mich elendig gefühlt. Aber wenigstens hatte ich es trotz des ganzen Alkohols geschafft immer noch Jungfrau zu sein. Ich bin 16, also ist das vollkommen normal noch keinen Sex gehabt zu haben. Oder nicht? Stella konnte ich nicht fragen. Die hatte nämlich schon mal mit David aus unserer Klasse geschlafen. Auf der Klassenfahrt. In unserem gemeinsamen Zimmer. Während ich daneben lag! Naja... keine gute Erinnerung.

Als ich in die Küche kam, nahm ich mir sofort ein Glas Wasser. Mein Hals war staubtrocken und mein Kopf brummte irgendwie. Aber mir ging es nie gut, wenn es regnete. Ich setzte mich auf einen hohen Stuhl an der Theke und nahm einen Schluck. Während ich trank, starrte ich aus der gläsernen Terrassentür, durch die man einen direkten Blick in den Garten hatte. Dort standen eine Menge Büsche, Rosensträucher und auch kleine Bäume, die alle durch den Wind hin und her gerüttelt wurden. Ich wurde langsam wieder müde und starrte vollkommen Gedanken verloren in den Regen. Die Tropfen peitschten vom Himmel herunter und schossen direkt durch mein Blickfeld. Als ich an einem der Büsche eine kleine, ruckartige Bewegung sah, schnellten meine Augen dort hin. Kurz hatte ich das Gefühl, als würde ich da draußen einen Menschen sehen. Panik machte sich in mir breit und ich schloss kurz meine Augen. Kniff sie fest zusammen. Vielleicht kam das ja alles nur durch die Müdigkeit. Und wirklich. Als ich meine Augen wieder langsam öffnete, war nichts mehr im Garten. Trotzdem raste mein Herz und ich war vollkommen nervös. Wurde ich etwa paranoid? Schnell stand ich auf und stellte mein Glas auf die Theke, bevor ich zur Terrassentür lief und den Schlüssel noch ein zweites Mal im Schloss umdrehte. Sicher war sicher.

Meine Brust hob und senkte sich. Ohne zu blinzeln starrte ich nach draußen. Wenn da etwas wäre, könnte ich ja die Polizei rufen oder so. Aber bis jetzt gab es noch nichts, was mich beunruhigen sollte.

Du bildest dir das alles nur ein, Lacyy. Geh wieder hoch und leg dich schlafen. Da draußen ist nichts. Du bildest dir das alles nur ein.

Ich schluckte. Meine innere Stimme hatte Recht. Ich machte mich nur unnötig verrückt. Langsam drehte ich mich um und lief wieder zu der Theke. Den Rest des Wassers schüttete ich in eine Pflanze, die das Wasser dringender zu brauchen schien, als ich und ging wieder in den Flur. Als ich an der Haustür vorbei ging, stutzte ich. Hatte Stella nicht vorhin abgeschlossen? Normalerweise schloss sie ab und ließ den Schlüssel dann stecken, falls es einen Notfall gab und wir schnell aus dem Haus mussten. Sie war ein sehr vorsichtiger Mensch. Doch jetzt fehlte der Schlüssel. Wo war er? Suchend blickte ich mich um und entdeckte ihn dann auf dem Schuhschrank. Hier stimmte etwas nicht. Was war hier los?

Du bist einfach nur müde. Schließ ab und geh schlafen!

Wieso machte ich mir eigentlich so viele Gedanken? Meine leise innere Stimme hatte Recht. Mein Gott! Dann war Stella eben müde gewesen und hatte es vielleicht vergessen. Ich nahm den Schlüssel in die Hand und wollte gerade abschließen, als sich von hinten plötzlich eine Hand auf meinen Mund legte. Ich ließ den Schlüssel los, der mit einem leisen Klirren auf dem Boden landete und fing an zu zappeln. Versuchte nach Stella zu schreien, bekam aber keinen Ton aus meinem Mund. Als meine Augenlider anfingen zu flattern und zuzufallen, bemerkte ich erst das feuchte Tuch, das auf mein Gesicht gepresst war.

Du darfst das nicht einatmen! Das ist Chloroform!

Ich versuchte die Luft anzuhalten, was aber nicht lange funktionierte. Ich strampelte weiter und versuchte mich aus den starken Armen, die eindeutig zu einem Mann gehörten, zu befreien. Aber nichts half. Meine Bewegungen wurden fahriger und ich spürte, wie ich die Kontrolle über meinen Körper verlor. Meine Beine knickten weg und meine Augen schlossen sich.

Nein! Wach auf, verdammt! Wehr dich!

Meine Arme zuckten ein weiteres Mal hoch und ich startete einen letzten Versuch, um mich zu befreien.
„Lass los!", hauchte eine Männerstimme von hinten und ich hörte darauf. Ich hatte keine andere Wahl mehr. Die Bewusstlosigkeit übermannte mich und das letzte, was ich sah, war wie sich die Tür öffnete und weitere Männer mit Masken in das Haus kamen. Dann fiel ich vollkommen in mich zusammen und das einzige, was mich noch hielt, war der Mann hinter mir.




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