„Hat einer von euch mein Shirt gesehen?", wollte ich wissen, als ich ins Wohnzimmer kam. Die Jungs sahen mich fragend an und ich seufzte frustriert auf.
„Das Blaue? Das, das ich gestern an hatte?", versuchte ich ihnen auf die Sprünge zu helfen. Louis nickte langsam, während mich die anderen immer noch ahnungslos anblickten.
„Ich hab es vorhin in die Wäsche getan"; erklärte Louis ihr dann. „Wieso fragst du?"
„Ach, ich hatte es im Bad liegen gelassen und mich gerade gefragt, wo es ist. Aber so ist es ja auch da, wo ich es selbst hingebracht hätte" , meinte ich fröhlich und hockte mich neben Harry, der mir einen Arm um die Schultern legte, was ich mit einem Lächeln quittierte.
Ich war nun bereits seit vier Wochen bei den Jungs und mit der Zeit hatten wir uns tatsächlich immer besser verstanden. Schon nach wenigen Tagen hatte ich keinerlei Wut mehr ihnen gegenüber empfunden, dass sie mich entführt hatten, denn ich fühlte mich, wenn ich ganz ehrlich war, sehr wohl bei ihnen. Natürlich wünschte ich mir, mich auch mit Stella wieder zu treffen und unsere Mädelsabende zu veranstalten. Oder ihr wenigstens sagen, dass es mir gut ging. Ich wollte die Jungs schon lange darum bitten, ihr einen Brief schreiben zu dürfen, aber so ganz hatte ich mich noch nicht getraut, denn auch, wenn wir uns wirklich gut verstanden, war alles, was darauf anspielte, dass ich nicht vollkommen freiwillig hier war, ein ziemlicher Stimmungskiller und es machte die Jungs immer wieder ziemlich wütend. Besonders Harry hörte sich das nicht gerne an. Andererseits wollte ich Stella nicht in Ungewissheit lassen. Sie musste sich Sorgen machen, ob es mir überhaupt gut ging. Ob ich lebte.
Ich sammelte all meinen Mut zusammen und räusperte mich leise. Nicht, dass es etwas brachte, denn die anderen hörten es gar nicht. Noch einmal hüstelte ich, diesmal etwas lauter, und Zayn, Niall, Liam, Louis und Harry drehten sich zu mir um.
„Ja?", fragte Liam und alle sahen mich abwartend an. Ich wurde nun wieder nevöser. Sollte ich sie wirklich fragen?
JA! Stella ist deine Freundin! Dafür lohnt es sich, bei einem 'Nein' einen auf den Deckel zu bekommen!
„Na ja.. wie ihr wisst, bin ich ja jetzt schon ziemlich lange hier und ich bin mir ziemlich sicher, dass sich Stella ziemliche Sorgen macht und da wollte ich..."
Harry unterbrach mein Gestammel: „Wir lassen dich nicht gehen!"
Erschrocken sah ich ihn an. Mein Mut war wieder verpufft. Auch, wenn es gar nicht darum ging, dass sie mich gehen lassen sollten, hatte es meinen Versuch doch ziemlich kaputt gemacht.
„Lass sie aussprechen", meinte Louis dann aber und zeigte mir an, dass ich fortfahren sollte.
Tief holte ich Luft: „Ich hatte mir überlegt, ob ich ihr vielleicht einen Brief schreiben dürfte. Ich möchte nicht, dass sie sich Sorgen macht."
Die Jungs sahen ganz und gar nicht begeistert aus. Andererseits hatten sie noch nicht 'Nein' gesagt.
„Ihr könnt den Brief auch lesen, damit ihr wisst, dass ich nichts verrate", damit schien ich sie wohl zu beschwichtigen, denn Louis nickte langsam.
„Ich denke, dass sollte in Ordnung gehen", erstaunt sah ich ihn an, bevor ich mich Louis um den Hals schmiss. Leise murmelte ich ihm ein „Danke" zu.
Dann verschwand ich in die Küche, um mit dem Schreiben anzufangen. Ich hatte Stella so einiges zu erzählen.
--- Zwei Tage später, Stella's POV ---
Ich kam gerade von einem Treffen mit Tim zurück. Gemeinsam liefen wir die Straße zu meinem Haus entlang. Tim war der Polizist gewesen, der meinen Eltern noch vor einigen Wochen die Hölle heiß gemacht hatte. Ich traf mich häufiger in letzter Zeit mit ihm. Zum einen, damit er mir erzählen konnte, wie der Stand der Ermittlungen aussah und außerdem, weil wir uns ziemlich gut verstanden, wie ich festgestellt hatte.
Er war eigentlich überhaupt nicht so, wie die anderen Jungs, für die ich mich bisher interessiert hatte. Die waren alle eher Badboys gewesen und noch dazu etwas jünger, als Tim. Tim war ziemlich kindisch für sein Alter, aber doch verhielt er sich sehr erwachsen, wenn es um wichtige Themen ging. Das war etwas, was man von anderen Jungs aus meinem Umfeld bisher noch nicht hatte sagen können. Mit Sicherheit hätte ich Annäherungsversuche unternommen, wenn meine Gedanken nicht so sehr bei Lacy wären. Tim verstand mich gut. Auch er hatte einen besten Freund seit Kindeszeiten und er konnte sich gut vorstellen, dass er vollkommen ausflippen würde, wenn diesem etwas passieren würde. So gut, wie es eben ging, versuchte er mich auch zu trösten und zu beruhigen, was ihm aber immer schwerer fiel. Schließlich gingen die Ermittlungen kaum weiter und meine Mutter stellte sich weiterhin quer.
Seufzend blieb ich vor der Haustür stehen. Am leeren Parkplatz konnte ich sehen, dass meine Eltern wohl schon wieder weg waren. Aber das hatten sie mir ja gestern bereits mitgeteilt. Alle Nase lang mussten sie wegfahren oder sogar fliegen. Da blieb eben nicht viel Zeit für ihre Tochter.
„Möchtest du noch mit reinkommen?", Fragte ich Tim. „Wir können uns einen Film oder so ansehen und was trinken."
„Klar komm ich noch mit. Aber ich kann keinen Alkohol trinken, okay? Ich hab morgen Frühschicht."
Ich nickte verstehend. Tim hing wirklich sehr an seinem Job. Er liebte ihn. Er hatte mir erzählt, dass er sein ganzes Leben darauf hingearbeitet hatte. Vermutlich lag der Hintergrund seines Berufswunsch bei seinem Großvater, der ebenfalls ein erfolgreicher Polizist gewesen war und mit dem er, bevor dieser gestorben war, eine Menge Zeit verbracht hatte.
Gemeinsam liefen wir ins Innere und wir legten unsere Sachen im Flur ab. Ich fühlte mich seit Lacy aus unserem Haus entführt worden war wirklich nicht mehr sicher und war immer froh, wenn ich hier nicht alleine sein musste.
In der Küche schenkte ich uns beiden Cola in ein Glas und nahm den Rest der Flasche und noch eine Flasche Wasser mit ins Wohnzimmer, wo Tim bereits den Film vorbereitete. Fluch der Karibik. Na gut. Damit konnte ich gut leben. Andererseits: würde ich den Film nicht mögen, hätte ich ihn mir ja auch wohl nie gekauft.
Auf dem Wohnzimmertisch lag ein Stapel mit Briefen, den meine Eltern bestimmt darauf abgelegt hatten. Alle sahen sehr wichtig aus. Dagegen sah der kleine grüne Briefumschlag, der neben dem großen Stapel lag, beinahe unbedeutend aus. Aber genau das war es, was mich dazu brachte, mich über den Wohnzimmertisch zu beugen. Normalerweise kümmerte ich mich eher selten um die Post, aber dieses Mal stand mein Name in einer schön geschwungenen Schrift vorne drauf. Der Absender fehlte. Diese Schrift kam mir so verdammt bekannt vor.
Stirnrunzelnd nahm ich mir den Brief und öffnete ihn, bevor ich den vollgeschriebenen Zettel daraus hervor fischte. Na da hatte aber jemand Lust gehabt, mich zu ärgern. Ich las nämlich sehr ungern. Aber es schien wichtig zu sein, denn sonst hätte diese Person es wohl kaum getan.
Liebe Stella,
ich habe dir so schnell geschrieben, wie ich konnte. Ich kann dir nicht sagen, wo ich bin oder bei wem. Aber ich möchte dir sagen, dass du dir keine Sorgen machen sollst. Okay? Versprich es mir!
Es hat etwas gedauert, bis meine Entführer bemerkt haben, dass ich nicht du bin. Ich weiß, dass deine Eltern nicht für mich zahlen. Das war mir vom ersten Moment an klar, als mich meine Entführer „Stella" genannt hatten und mir bewusst wurde, wieso ich da war, wo ich eben war. Mach dir keine Vorwürfe. Ich kenne dich. Ich weiß, dass du dir welche machst, aber wenn wir uns wieder sehen (und ich bin mir sicher, dass dieser Augenblick kommen wird), dann mach ich dir die Hölle heiß, wenn du dir doch Sorgen gemacht hast. Hörst du?!
Es geht mir hier wirklich gut. Auch, wenn ich dich vermisse, aber ich habe mich an meine Umstände hier gewöhnt. Meine Entführer sind eigentlich sogar sehr nett. Ich glaube, dass es ihnen Leid tut, was passiert ist. Sie sind sicher keine wohlhabenden Menschen und ich hätte ihnen das Geld, was sie (hätten sie uns nicht vertauscht) von deinen Eltern bekommen hätten, wirklich gegönnt. Aber nicht im Austausch dagegen, dass du hier gesessen hättest.
Ich weiß gar nicht mehr, was ich noch sagen soll. Vielleicht sollte ich auch nicht so viel schreiben. Ich weiß doch, dass du nicht so gerne liest.
Also: Ich weiß, dass wir uns wieder sehen und bis dahin gebe ich dir den Rat, den ich dir etwa alle drei Wochen gebe. Betrink' dich nicht so sehr und vögel dich bitte nicht durch die Weltgeschichte, ja?
Ich hab dich lieb!
Lacy
Tränen standen mir in den Augen. Ich vermisste sie und mein inneres konnte es eigentlich gar nicht glauben, dass sie mir tatsächlich schreiben konnte. Sie lebte, ihr ging es gut und dort, wo sie war wurde sie nicht schlecht behandelt. Natürlich wären vielleicht auch andere jetzt auf die Idee gekommen, dass sie nur gezwungen wurde zu schreiben, dass es ihr gut ging. Aber zum einen ergab das keinen Sinn und zum anderen, würde sich Lacy dazu niemals überreden oder zwingen lassen und das hier war ganz eindeutig ihre Schrift. Das hier hatte sie geschrieben.
„Tim!", schluchzte ich und reichte ihm den Zettel. Schon seit ein paar Minuten hatte er mich skeptisch beobachtet, doch als auch er den Brief gelesen hatte, weiteten sich seine Augen und er blickte mich mit diesen erschrocken an. Mit einem Brief dieser Art hätte wohl keiner mehr gerechnet.
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Vertauscht
FanfictionEigentlich wollte Lacy nur einen schönen Abend mit ihrer besten Freundin verbringen. Doch anstatt am nächsten Morgen auch in Stella's Zimmer aufzuwachen, befindet sie sich an einem Ort, von dem sie nicht weiß, wo er ist, ist gefesselt und vollkommen...