32 | Don't call her beauty.

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Hades fühlte die Dunkelheit in seinem Inneren, ein Schatten, der sich langsam und schmerzhaft um sein Herz legte, als Kore diese Worte aussprach.
„Persephone", sagte er und benutzte zum ersten Mal ihren wirklichen Namen, nicht den Kosenamen, mit dem sie seit jeher angesprochen wurde. Er sah, dass sie verblüfft war, wie eine Statue stand sie dort, und er nutze diese Gelegenheit.
Er umfasste ihre Schultern und war einen Moment lang erstaunt darüber, wie zerbrechlich sie sich unter seinen Händen anfühlte. Sie schloss rasch die Augen, erwartete wahrscheinlich eine Bestrafung, und – so stellte Hades grimmig fest – das würde es für sie ohne Frage auch sein.

Dann beugte er sich zu ihr hinab, sie war so viel kleiner als er, und legte seine Lippen auf ihren Mund.
Es war, als würde er eine Rose, von zartem Rot und in voller Blüte, gegen seine Lippen pressen. Sie duftete nach Blumen, natürlich, und nach Leben, nach frischer Bergluft und schmeckte undenkbar süß, süßer als jede Frucht in Demeters Garten. Er hätte versinken können in diesem Augenblick, doch etwas war falsch.
Sie sträubte sich nicht, erwiderte seinen Kuss aber auch nicht. Sie stand dort, immer noch wie eine Statue aus schönstem Marmor, und trotz der Wärme ihrer Haut, die fast schon so unerträglich für ihn war wie die Hitze der Sonne, war sie kalt und starr wie ein Stein.

Dann stieß er sie von sich, nicht annähernd heftig genug, um sie zum Straucheln zu bringen. Ihre Augen, ehemals so grün wie der Wald, erschienen grau und leblos.
Sie blickte ihn an, als hätte er ihr mit dem Kuss etwas direkt aus dem Herzen gerissen, etwas ensäglich wichtiges, und Hades konnte das Gefühl nicht vertreiben, das er ihr das genommen hatte, was ihn so an ihr fasziniert hatte.
„Versucht Ihr Euch so selbst zu betrügen? Ihr könnt mich zwingen, Euch zu küssen, Euch zu dienen und sogar Euch Gefühle vorzutäuschen, die Ihr von mir erwartet, aber selbst Ihr besitzt keine Macht groß genug, um das zu beeinflussen, was ich wirklich fühle", sprach sie dann, spuckte die Worte fast aus, und Hades konnte nicht glauben, dass dies das junge, unbeschwerte Mädchen war, welches er zu sich geholt hatte. 

Meine Finger lagen auf meinen Lippen, strichen mehrmals über sie und zitterten. Meine Augen waren glasig, versuchten dennoch die aufkommenden Tränen zurückzuhalten. Meine Rippen, meine Beine, mein Rücken, fast mein ganzer Körper schmerzte. Doch es war nichts Neues, ich war schon an diese Schmerzen gewöhnt, auch wenn sie immer unerträglicher wurden. 

Hades hatte mich geküsst. Ja, seine Lippen lagen auf meine. Mit geschlossenen Augen versuchte ich das zu verarbeiten, was eben passiert war. Versuchte er mich für sich zu beanspruchen? Mein Leben zu zerstören? Ich zuckte zusammen, presste meine Lippen aufeinander, damit ich nicht aufschrie. Ein brennender Schmerz, fast schon wie Hunters Flammen, jagte sich durch meinen Körper und hinterließ das Gefühl von kochendem Blut. Ich brauchte was kaltes. Ja, ganz sicher. Irgendwas kaltes.

Wie in Zeitlupe stand ich auf, versuchte Hunter nicht zu wecken, und strauchelte zum Badezimmer. Ich umklammerte die Türklinke fest, als ein komisches Gefühl sich in meinem Magen breit machte und mich aufkeuchen ließ. Der vergoldete Türgriff war nicht annähernd so kühlend wie ich es brauchte. Die Umgebung um mich herum wurde ganz verschwommen und vereinzelte schwarze Punkte erschienen in meinem inneren Auge.

Ich hörte nur noch wie mein Name gerufen wurde, bis ich ganz umkippte.

~

Mein Kopf dröhnte und als ich mich bewegen wollte, wurde ich sofort von Schmerzen durchfahren. Ich zwang mich meine Augen zu öffnen und mich an das grelle Licht zu gewöhnen. Mein Körper fing an unkontrolliert zu zittern, als ich an den Traum dachte. Angst und Panik überkamen mich, fraßen mich innerlich auf. Ich versuchte mich immer zu erinnern, dass das nur ein Traum war, doch er was so real, so verdammt echt.

Ich schreckte mit klopfendem Herzen zurück, als warme Finger meine kalte Haut berührten. Meine Augen wanderten zu Hunter, der mich besorgt ansah. Es war sein Vater, sein Vater der mich so leiden ließ. Wusste er davon? Musste er mich davor beschützen? Meinte er das?

"Hey, ich bins nur. Hunter", flüsterte er und kam mir näher, doch ich wich ihm zurück.

"Was ist los? Hast du Angst vor mir?", seine Stimme klang besorgt, aber die Angst war größer.

"Ich tu dir nichts, Prinzessin. Ich bin es, Hunter." Hunter beugte sich nun zu mir runter und hielt mich fest, als ich wieder zurückweichen wollte.

"Beschützt du mich vor Hades? Vor deinem Vater?", brachte ich nur ängstlich raus, ging nicht auf seine Fragen ein.

Für einen kurzen Moment verlor Hunter die Fassung, schien wütend, doch sofort nahm er diese kalte und aggressive Maske an, vor der ich anfangs immer Angst hatte. Die ich hasste.

"Wieso fragst du?" Hunter war wie ausgewechselt, viel kälter, als ich ihn kannte. Als wäre sein Vater ein verbotenes Thema.

"Antworte einfach", murmelte ich mit zusammengekniffenen Augen. 

"Nein."

Ich atmete erleichtert aus und ignorierte die aufkommende Schmerzen. Vielleicht lügte Hunter, aber in diesem Moment brauchte ich irgendeine Antwort, einfach eine. Als ich zu Hunter sah, merkte ich wie er mich nachdenklich musterte.

"Was passiert mit dir?", fragte er.

"Was meinst du?", gab ich unschuldig von mir, obwohl ich ganz genau wusste, was er meinte.

"Du hast Schmerzen, wachst fast jede Nacht auf und träumst..träumst von Hades", seine Augen waren geweitet, genau wie meine. Hunter hatte sich eins und eins zusammen gezählt und es kapiert.

"Nein! Ich, ähm, ich träume nicht von Hades", zischte ich und wendete mich von ihm ab. Er sollte merken, dass ich nicht darüber sprechen wollte. Doch Hunter drehte meinen Kopf zu sich und hielt ihn an meinem Kinn fest. 

"Irgendwann kannst du dich nicht mehr vor mir verstecken. Irgendwann wirst du es mir erzählen", hauchte er sanft und lächelte leicht.

"Dann musst du es mir ebenfalls erzählen."

Hunter nickte, aber ich merkte, dass dieses Nicken nicht Ernst gemeint war. Ich konnte es an seinen Augen erkennen.

~

"Jetzt ehrlich, halt einfach mal dein Maul, Ameisenficker", regte sich Hunter schon zum 100sten Mal auf.

"Ich bitte dich, ich lasse mich nicht auf solches Niveau ein. Nicht wahr, Persephone?" Seine Augen wanderten zu mir und lächelten mich falsch an.

"Rede nicht mit mir." 

"Ach, hat dich dein Liebster angesteckt?", sein siegessicheres Lächeln machte mich so verdammt aggressiv.

Mein Körper spannte sich an, als er Hunter meinen Liebsten genannt hatte.

"Er ist nicht mein Liebster."

"Sie ist nicht meine Liebste." Wir sagten es gleichzeitig und wer nicht dumm ist, was ich an Eros bezweifle, würde sofort verstehen, dass da irgendwas zwischen uns läuft. Auch wenn ich selber nicht wusste, was.

"Wäre ja auch schlecht für euch beide ausgegangen, Schönheit", meinte er, obwohl wir das schon längst wussten. Jedes Mal bekam ich die Bestätigung, dass jeder wirklich gegen uns wäre und sich nicht für uns einsetzen würde. Vielleicht Artemis.

Immer dieses Vielleicht.

"Nenn sie nicht Schönheit", verlor Hunter sich kurz und ich stieß ihn leicht an. 

"Huch, ist da jemand eifersüchtig? Der kalte Bastard?"

Hunter spannte sich nun ganz an und knurrte irgendwas unverständliches, bis er Eros am Kragen zu sich zog.

"Ich brauch auf die Ameise mit Flügeln nicht eifersüchtig sein, denn so lächerlich bin ich auch wieder nicht."

Am Liebsten würde ich Hunter anfeuern, doch leider fehlte mir die Kraft dazu. Ich war noch immer erschöpft von heute Morgen.

"Ameise mit Flügeln? Ich bitte dich, ich bin ein Engel, ein Engelskind noch dazu. Besser als ein Dämonenkind." Eros grinste.

"Ein Kind, welches verleumdet wurde."






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