34 | He speaks.

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Someone like you - Adele

Ich wälzte mich hin und her, konnte einfach nicht einschlafen. Es lag nicht an den Träumen, denn ich war ja noch nicht einmal eingeschlafen und sie interessierten mich gerade herzlich wenig. Es war wahrscheinlich schon mitten in der Nacht, ich hatte das Zeitgefühl schon längst verloren. Irgendwann gab ich es dann doch auf mit dem Wälzen, denn sonst würde ich Hunter irgendwie wecken. Am Liebsten würde ich jetzt seine Berührungen auf meiner Haut spüren, sie genießen, ihn noch mehr lieben, doch ich konnte es nicht. Ich wollte ihm nicht noch mehr spüren lassen, wie verboten das war, was wir taten.

Wenn ich ihn sogar nur schon ansehe, werde ich emotional. Denn dieser Mann, dieser starke Mann neben mir, hatte so vieles erlebt, so vieles durchgestanden, und muss trotzdem weiter leiden. Hunter hatte seine Momente, in der er so verdammt sensibel war, dass ich ihn am Liebsten in die Arme nehmen würde. Ich würde es tun, doch ich tue es für ihn nicht. 

Denn für Hunter wäre es das Schrecklichste, ihm zu helfen, wenn er Hilfe braucht. Hunter wollte keine Hilfe, er wollte alles selber durchstehen, konnte sich niemanden anvertrauen. Ich weiß nicht einmal, ob er sich mir jemals anvertrauen wird, aber ich würde es so verdammt gerne. Ich würde dem Mann, den ich liebe, wirklich liebe, helfen. Ihm zeigen, dass für einen Moment schwach zu sein, nicht schlimm ist. Das wenn man Hilfe braucht, es nicht bedeutet schwach zu sein.

Ich gähnte einmal und schloss meine Augen, wollte gerade einschlafen, als ich spürte, wie jemand an mir rüttelte. Als ich realisierte, dass es Hunter war, strömte Wärme in meinen Körper und ich wurde glücklich. Ja, glücklich. Die kleinen Stromstöße, das Kribbeln und das Gefühl des Schutzes, machte einen glücklich. 

Wieder ein sanftes Rütteln. Langsam drehte ich mich zu ihm und sah ihn an. Die Haare hingen ihm ins Gesicht und seine Wangen waren leicht gerötet. Er sah ziemlich müde und fertig aus. So als hätte er die ganze Nacht nachgedacht.

"Was ist los?", flüsterte ich und blinzelte, um ihn besser zu erkennen. 

"Ich kann nicht schlafen." Seine Stimme klang zerbrechlich und verletzlich.

"Wieso?"

Er schluckte, rang mit sich selber, ob er es mir erzählen sollte oder nicht. Ich merkte, wie er sich dazu entschieden hatte, mir es nicht zu erzählen, doch es war okay so. Hunter sollte sich genug Zeit lassen. Wenn ich ihn zum reden zwinge, bringt das auch nichts, so wird er es mir erst Recht nicht sagen. 

Also rutschte ich wie von selbst ein bisschen näher zu ihm und schlang meine Arme, so gut es in einem Bett eben ging, um seinen Oberkörper. Hunter erwiderte die Umarmung und drückte mich noch näher an sich. Ich spürte wie er zitterte. Wie er am ganzen Körper zitterte.

Für ein paar Minuten herrschte Stille. Wir schwiegen einfach, genossen den Moment, den uns niemand nehmen konnte. Es hingen Fragen in der Luft, unausgesprochene Dinge, doch wir gingen nicht darauf ein. Denn ich wusste, er würde sprechen, wenn er bereit wäre.

"Hunter-", ich wollte ihn trotzdem fragen, wie lange er schon wach war oder ob das schon öfter, also so ähnlich wie bei mir, war, doch er unterbrach mich. Denn er fing an zu reden. Darüber zu reden. Über sich.

"Manchmal, da weiß ich nicht, wieso ich nicht schon lange abgehauen bin. Wieso ich noch hier bin, wieso ich vielleicht nicht schon dem allem ein Ende gesetzt habe."

"Was einem Ende setzten?"

"Meinem unnötigen Leben oder meiner Vergangenheit. Dem Verursacher, der mich zu der Person heute gemacht hat." Hunter atmete tief ein und aus.

"Manchmal, da weiß nicht, ob das Götterdasein eine Strafe oder ein Segen ist. Wir leben für immer und ewig, können, wenn wir einfach nur den Wunsch haben zu Sterben, nichts tun. Wenn wir das alles nicht mehr wollen, dann müssen wir trotzdem weiter leben. Weiterleben, obwohl wir es nicht einmal wollen. Wieso heißt es immer, wir hätten alles, was wir wollen, als Götter? Uns würde nichts fehlen? Uns fehlt so viel, doch wir ignorieren es durch materielle Dinge. Wir wissen so viel und gleichzeitig nichts."

Er löste sich von mir.

"Jeder lebt einfach für sich hin, denkt nicht weiter, sondern tut einfach alles, was erwartet wird."

Ich schloss meine Augen, setzte mich auf und ignorierte mein inneres Gefühlschaos. 

"Was ist dein größter Wunsch, Hunter?"

"Zu sterben. Einfach nur zu sterben."

"Aber-"

"Nein, Persephone. Es gibt kein aber, es ist die Wahrheit. Ich möchte einfach sterben, ganz verschwinden. Ich will einfach weg."

"Weißt du wie quälend es ist, zu wissen, niemals sein Leben genießen zu können, weil man nicht einmal leben will? Weil man nicht mehr die Kraft dazu hat, zu leben?"

Ich schluckte schwer. Jeder kannte das, doch niemand kannte es so sehr wie Hunter. Langsam leuchtete es in mir ein, dass er mir immer mehr über seine Gefühle erzählt. Das er mich in seine Welt blicken lässt.

"Ich will dir diese Kraft geben", flüsterte ich, als ich schon den schweren Kloß in meinem Hals spürte. Hunter war so gebrochen. So zerstört, dass ich es übersehen hatte. Seine Gefühle übersehen hatte.

"Wie, Prinzessin? Wie möchtest du mir diese Kraft geben, obwohl du sie selber brauchst?"

"Es geht hier nicht um mich. Es geht um dich."

"Dennoch, diese Kraft kann mir auch nicht mehr helfen. Ich habe so einen großen Hass auf mich selber, weil ich weiß, dass ich daran Schuld bin."

"Verdammt, Prinzessin, ich hasse mich. Ich hasse meine Gestalt, mein Status, meine Gefühle, meine Umgebung, ich hasse mein ganzes Leben so sehr."

Hunter sah mich aus seinen wunderschönen Augen an, sah mich an, als hätte er gerade endlich sein inneres Ich umgebracht. Und ich? Ich saß da, war mir nicht bewusst was ich tun sollte, denn zum aller ersten Mal, konnte ich diese Wut, diese Wut die Hunter in sich hat genau spüren. Sie übertrug sich fast schon auf mich, weshalb ich mich furchtbar fühlte. Als wäre mein ganzes Leben eine Lüge.

"Hasse dich nicht, Hunter. Hass ist ein großes Wort, denn so einen bewundernswerten Gott zu hassen, ist es nicht wert. Du bist an nichts Schuld, egal was auch immer passiert ist."

"Perse, ich bin an so vielem Schuld, an so vielen Dingen die geschehen sind, dass ich nicht einmal einschätzen kann, was ich alles getan habe."

Ich schüttelte meinen Kopf und rückte näher zu ihm. Auch wenn ich wusste, dass ich da fast nur Schwachsinn von mir gab, weil ich nie Recht wusste, was ich antworten sollte, tat ich es trotzdem.

"Egal, wie sehr du dich hasst, wie sehr du glaubst, dass du Schuld an Dingen bist, merke dir immer, dass ich bei dir bin. Das es eine Person in deinem Leben gibt, die immer für dich da ist."

"Nein, irgendwann ist auch das hier vorbei. Denn jede Ewigkeit, egal wie lange oder kurz es uns vorkommt, ist vorbei."

The Paradise of the greek GodsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt