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Zitternd vor Aufregegung saß ich im Taxi und trommelte nervös auf der Ablage rum.
Yoongi und Hobi hatten eigendlich darauf bestanden mitzukommen, aber ich hatte gesagt es sei eine Familienangelegenheit. In Wirklichkeit hätte ich sie gerne um mich gehabt, aber mein Onkel war ziemlich unberrechenbar. Wenn ich nicht wiederkam, konnten sie die Polizei anrufen.

"Wir sind da" grummelte der Taxifahrer. "Macht 15 000₩" ich nickte hektisch und gab ihm das Geld bevor ich ausstieg.

Als ich an die kühle Luft trat, erblickte ich vor mir ein auf den ersten Blick einfaches Reihenhaus. Erst als ich genauer hinschaute, erkannte ich wie herruntergekommen der Garten und die Fassade war. Hier hatte sich in den letzen Jahren niemand drum gekümmert.

Leise bahnte ich mir meinen Weg durch das Unkraut zur Haustür. Bei uns zu Hause lag immer ein Schlüssel unter einem Blumentopf, also schaute ich mich um und fand tatsächlich einen kleinen steinernen Topf. Ich hob ihn an und spürte zu meiner Erleichterung kaltes Eisen an meinen Fingerspitzen.

Triumphierend zog ich den kleinen Schlüssel raus und drehte so leise wie möglich das Schloss um.

Mir entgegen kam ein vollkommen verstaubter Eingangsbereich, allerdings lagen einige Bierflaschen auf dem Boden, an denen sich kein einziges Staubkorn befand.

"Er war hier" murmelte ich. Mein Atem beschleunigte sich, als ich Schritt für Schritt weiter in das Haus lief.
"Kyungi?"
Keine Antwort.
Ich lief ins Wohnzimmer, da mein Onkel meistens auf den Sofa lag und sich betrank, aber es war keine Spur von ihm.

Etwas selbstbewusster schlich ich durch die anderen Zimmer, und mit jedem Raum der leer war, verlor ich an Angst, dass mein Onkel da war. Gleichzeitig nahm meine Panik, dass Kyungsoo gar nicht hier war immer mehr zu.

Am Schluss hatte ich alle Räume, bis auf den Keller durch. Ich rannte die Treppe runter und öffnete die Tür. "Kyungi? Kyungsoo? Bist du hier?" meine Panik wurde immer größer. Wo steckte er? In meinen Augen bildeten sich Tränen, als ich ihn nirgendwo entdecken konnte.

"Nein. Bitte" ich tastete mich die Wand entlang, wieder nach oben, wo ich im Flur zusammenbrach.

Ich kauererte mich auf den Boden und fing an zu weinen. Ich weinte und zitterte. "Wo bist du? Scheiße Kyungi wo steckst du?"
Es war mir egal ob mein Onkel mich hier finden konnte. Sollte er doch. Vielleicht würde er mich auch einsperren. Vielleicht würde ich so endlich Kyungsoo wieder sehen.

"Hier"

Hatte ich mir das eingebildet? Bestimmt! Ich wünschte ihn mir so sehr her das ich schon halluzinierte.

"Kai ich bin hier"

Es war nur ein Wispern, ein schwaches Flüstern, aber diesmal war ich mir sicher.

Mit einer Kraft, von der ich nichts wusste, sprang ich auf.
"KYUNGI? WO?"
Hektisch drehte ich mich in alle Richtungen und versuchte ihn auszumachen, aber es war nichts zu sehen.
Auf einmal fiel mein Blick auf eine kleine Schranktür unter der Treppe.

"Niemals- das ist viel zu eng. Er kann nicht-" zitternd näherte ich mich der Tür und drehte den Schlüssel um. Ich zog sie langsam auf und nachdem meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte ich einen Jungen in der Ecke kauern.

"K-kyungi?"
Er hob seinen Kopf und schaute mich an. In diesem Moment, in dem ich endlich wieder seine großen Augen sehen konnte, dieser Moment, bei dem ich schon angezweifelt hatte ob er überhaupt irgendwann eintreten würde, in diesem Moment verstand ich zum zweiten Mal was Liebe ist. Dass das Leben eines anderen Menschen mehr bedeutet als das eigene. Dass man ohne diesen Menschen nicht fähig ist zu Leben. Erst in diesem Moment fing ich wieder an zu leben. Ich fing wieder an zu leben und erstmal richtig loszuheulen.

Tränen der Freude überfluteten meine Wangen fast, als Kyungsoo zitternd aufstand und ich ihn endlich in den Arm nehmen konnte. Als ich seinen zerbrechlichen Körper an mich drückte und mein Gesicht in seiner Schulter vergrub.

Ich hatte ihn wieder.
Er war in Sicherheit.

"Kai-"
Ich nickte und nahm sein ebenfalls verweintes Gesicht zwischen meine Hände.
"Hol mich hier raus"

"Das werde ich. Kyungi- ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr. Es tut mir so leid. Ich wollte ni-"
Ich wurde von seinen unterkühlten Lippen auf meinen unterbrochen. Ich schloss meine Augen und versuchte meinen Körper unter kontrolle zu bringen. Ich hörte auf zu zittern, ich hörte auf zu weinen.
Ich löste mich von ihm und lächelte ihn an. Er war wieder da. Es ging ihm gut. Ich war nichtmehr alleine.

Wir verschränkten unsere Finger miteinander und rannten los. Einfach weg, weg aus diesem Leben. In ein neues, ohne meinen Onkel, ohne seinen Vater. Wir rannten in unser eigenes gemeinsames Leben.

Lie II KaisooWo Geschichten leben. Entdecke jetzt