11. Erwachsenenprobleme

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Sicht von Mik

"Wo bist du?" Ich bin zuhause und packe meine Sachen zusammen. Meine Eltern sind heute los nach Potsdam. Sie haben sich für heute Nacht ein Hotelzimmer genommen, da sie sich morgen um 8.00 Uhr mit meinem neuen Vermieter treffen würden. Mich haben sie gebeten, meine Sachen zu packen. "Ich bin zuhause", antwortete ich ihm einfach. Gerade war ich dabei meinen Krempel zu sortieren. Unter anderem lagen hier dutzende Stapel. Manche davon werden verkauft, verschenkt, weggeworfen oder behalten. Ich seufzte und schmiss das Buch, das ich gerade in der Hand hielt, auf einen davon. Es wäre zu viel Arbeit, um es noch nach der Schule zu machen, daher war ich zuhause geblieben. Nur deswegen. Meine Zeichnungen kommen dorthin. Nicht wegen jemand anderem. Die Stifte kommen dazu. Ich schwänzte nicht wegen ihm. Die Unterlage kommt weg. Kostas hatte damit nichts zu tun. Die Kunstsachen können - nein, die behalte ich. Mein Blick flog immer wieder hinüber zu der Zeichnung von Kostas und mir, die auf dem Schreibtisch lag. Meine alten Hefter kommen weg. Ob er das Bild mochte? Die Schulbücher hatten wir schon abgegeben. Er hatte so erstaunt ausgesehen, als er es erblickt hat. Egal, aber die Kiste kommt in den Müll. Ich sollte es nicht behalten. Ich stand auf und stolperte irgendwie zu meinem Tisch. In drei Tagen würde ich von hier fortziehen und Kostas konnte ein glückliches Leben mit Alina führen. Diese Zeichnung würde mich nur daran erinnern, wie sehr er mir weh getan hatte. In diesem Moment vibrierte mein Handy. "Dann komme ich nach dem Unterricht eben zu dir." Soweit ich wusste, hatte Kostas heute nicht so lange Unterricht und würde hier um 13.15 Uhr ungefähr aufkreuzen. Er wusste aber nichts von dem Umzug. Ich hatte es ihm nie erzählt, da es meine Chancen verringert hätte, dass er sich für mich entschied. Gerade überlegte ich, was ich antworten sollte, da bekam ich eine weitere Nachricht. "Wehe, du sagst ihm ab! Ihr müsst euch unbedingt unterhalten." Ich lächelte traurig. Es war Alex. Ihn werde ich wohl mit am meisten vermissen, wenn ich in Potsdam bin. Ihm antworte ich zuerst. "Na gut, aber nur, weil ich weiß, dass du recht hast." Während ich weitere Sachen von meinem Schreibtisch räumte, überlegte ich, was ich Kostas antworten sollte. Ich kann es kaum erwarten? Zu viel. Wir haben wohl keine andere Wahl? Zu kalt. Auf dem Tisch war nichts mehr übrig, außer die Zeichnung. "Gut."

Sicht von Kostas

Alex tippte neben mir irgendwas auf seinem Handy ein, als es zur Pause klingelte. Ich sollte Alina suchen und nochmal mit ihr reden. Schnell fand ich sie mit Sabrina und Rico zusammen beim Getränkeautomaten im Gang. "Hey, kann ich Alina mal kurz entführen?", fragte ich die anderen beiden und Alina sah zu mir auf. Sie sagte nichts, sah mich nur an und beobachtete mich genau. Als die anderen nichts erwiderten, nahm ich ihre Hand und zog sie hinter mir her in eine ruhige Ecke. "Hey du", begrüßte ich sie und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Wieder entgegnete sie nichts. "Was ist los?", fragte ich Alina, während ich sie an der Hüfte festhielt. Endlich blickte sie mir in die Augen. Sie sah unfassbar müde aus. "Hast du schlecht geschlafen?" Besorgt streichelte ich ihr über die Wange. "Bist du immer noch derselben Meinung wie Samstag?", murmelte sie so, dass ich es kaum verstand. "Was meins..."

"Du willst nicht mit mir zusammenziehen?" Ihre Stimme wurde etwas hysterisch. Etwas überrascht sah ich sie an: "Wir sind doch erst 16. Haben wir nicht noch alle Zeit der Welt?" Alina schien es gar nicht fassen zu können. "Kostas", fing sie schon an, "haben wir das?" Sie legte kaum merklich eine Hand auf ihren Bauch. Wieder begannen ihre Augen zu glitzern. "Wir bekommen das auch anders hin, aber soweit sind wir noch nicht. Oder siehst du das anders?", versuchte ich sie hinzuhalten. "Du meinst, wie bei getrennten Eltern, wo das Kind hin- und hergeschoben wird." Das nahm ich mal als Ja. "Nein, wie bei Eltern, die sich erstmal ein Leben aufbauen müssen." Sie schien unbeeindruckt. "Ich habe mal eine Frage. Denkst du, ich habe mir das gewünscht?" Ich schüttelte den Kopf, fragte mich worauf sie hinaus wollte. "Weißt du, dass zu einer Schwangerschaft zwei Leute gehören?" Was versuchte sie da? Sie brauchte mir kein schlechtes Gewissen machen. Das hatte ich ohnehin schon. "Natürlich weiß ich das, aber warum fragst du denn?" Alina versuchte sich vor mir aufzubauen, war aber viel zu klein dafür. "Ich wollte sicher gehen, dass du auch weißt, dass das nicht nur mein Kind ist." Ich schluckte. "Als wenn ich das nicht selber wüsste", fuhr ich sie an, wieder einmal überfordert mit der Situation.

"Was denkst du denn?", fragte ich nun. Sie zuckte mit den Schultern und erwiderte nichts. Wie zuvor wirkte sie hilflos und schwach. Ich leckte mir nervös über die Unterlippe und beobachtete sie. Doch es kam nichts von Alina. "Was denkst du denn?", wiederholte ich. "Ehrlich? Ich glaube, du lässt mich mit dem Kleinen im Stich, weil es dich zu sehr überfordert. Stimmt's?" Ich erwiderte nichts. Was sollte ich sagen? So gern ich wollte. Ich konnte ihr nicht versprechen, dass ich bleiben würde. Stumm stand ich vor ihr und sah zu Boden. Sie interpretierte mein Schweigen richtig und ging traurig davon. Ich hätte sie am liebsten in den Arm genommen, aber wahrscheinlich eher um mich selbst zu trösten.

Sicht von Mik

Ich sah mich in meinem alten Zimmer um. Alle Schränke waren leergeräumt. Auf meinem Boden standen viele große und kleine Kisten. Schnell holte ich Klebestreifen aus der Küche und eine Schere. Inmitten all der Kartons begann ich, sie zu verkleben und zu beschriften. Mittlerweile war es fast 13.00 Uhr und Kostas würde gleich hier aufkreuzen. Er würde Fragen stellen wegen den Kartons und ich würde ihm Antworten geben. Ich war gespannt, was er zu seiner Verlobung zu sagen hatte. Ob er sich schon heute entscheiden würde? Da klingelte es an der Haustür. Ich klickte auf den Summer und schaute nochmal in den Spiegel. Hingegen zu letztem Mal hatte ich mich nicht nochmal fertig gemacht, sodass meine Haare verstrubbelt in alle möglichen Richtungen zeigten. Da hörte ich ihn schon die Treppe hochlaufen.

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