21.

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"Sensei, geht's Ihnen gut?", fragte Mari mit schief gelegtem Kopf und müde lächelte ich.
"Ja, natürlich. Alles in Ordnung. Warum fragst du?"
Es war nicht alles okay.
Um ehrlich zu sein, gar nichts war okay.
Ich hatte nicht ein Auge zu getan in der letzten Nacht, Schuldgefühle gegenüber Genma hatten mich wachgehalten, bis ich das Einschlafen aufgegeben und im Wald trainiert hatte, um den Kopf frei zu bekommen.
Allerdings war das nicht sonderlich effektiv gewesen und so war ich gegen drei Uhr morgens wieder in meine Wohnung gegangen und hatte mich mit allem möglichen Unsinn beschäftigt.
Um sieben war ich dann von meinem Wecker aufgeweckt worden, anscheinend war ich beim Schärfen meiner Waffen irgendwann eingeschlafen.
"Sie sehen aus wie ein Zombie", bemerkte Tairu trocken und ich zog eine Augenbraue hoch.
"Ein Zombie, huh? Ich an deiner Stelle würde aufpassen, was ich sage. Schließlich kann ich dich bis in die Nacht trainieren lassen, junger Mann", drohte ich und er verdrehte die Augen.
Normalerweise hätte er sich eine ordentliche Standpauke von mir eingefangen, aber dafür fehlte mir eindeutig die Kraft, also gab ich seufzend auf.
"Wie auch immer. Heute stehen erst einmal keine Missionen an, also werden wir uns auf das Training konzentrieren. Personalisierte Übungen, das haben wir ja seit einer ganzen Weile nicht mehr gemacht."
Maris Augen leuchteten auf, Tairu konnte sich anscheinend nicht entscheiden, ob er glücklich über den missionsfreien Tag oder genervt von dem Training sein sollte, Fuji zeigte keine wirkliche Reaktion.
"Gut. Mari, du übst mit mir Genjutsu, Tairu und Fuji, ihr trainiert getrennt Taijutsu", befahl ich, was den Dreien gar nicht zu gefallen schien.
"Was? Warum muss ich diesen Mist lernen?", beschwerten sich Mari und Tairu gleichzeitig.
"Warte... hast du gerade Taijustu als 'Mist' bezeichnet?", fragte sie ihn empört und er zuckte mit den Schultern.
"Ja, warum?"
"Das ist alles andere als Mist! Es macht wirklich Spaß und als richtiger Ninja muss man auf jeden Fall-"
"Jaja, könnt ihr eure Streitereien heute vielleicht mal ausfallen lassen? Keine der drei Kampfkünste ist Mist, weder Nin- noch Gen-, oder Taijutsu. Die Diskussion ist beendet", unterbrach ich sie schroff und zeigte auf die Gruppe von Trainingspuppen, die an einem Ende des Platzes standen, Mari bedeutete ich, mit mir zu kommen.
Während die anderen beiden mit ihren Übungen anfingen, kamen wir beide auf der anderen Seite der Sandfläche an.
"Hör mal, Mari. Du bist ein helles Köpfchen und deine Kampftechnik ist ausgezeichnet. Außerdem hast du eine ordentliche Chakrareserve. Wenn du dich nur ein bisschen anstrengen würdest, könntest du auch Nin- und Genjutsu gut beherrschen", begann ich, wurde aber von ihr unterbrochen.
"Sensei, ich komme nur mit meinen Fäusten und Beinen aus! Ich muss keine Wasserdrachen oder komische Illusionen erschaffen können!"
Ich seufzte und setzte mich im Schneidersitz hin, sie tat es mir gleich.
"Es sagt ja auch niemand, dass du so kämpfen musst. Aber es gehört zu den Grundlagen eines Ninja, alles bis zu einem gewissen Grad zu beherrschen. Denkst du etwa, es gab bisher auch nur einen Hokage, der nicht das alles konnte? So wirst du dein Ziel niemals erreichen", versuchte ich, sie weiter zu überzeugen.
"Aber ich will nicht sein, wie die anderen Hokage! Ich werde die erste weibliche, und das nur mit meiner Körperkraft!"
"Mari, wie willst du Hokage werden, ohne überhaupt die Chūnin Prüfung zu bestehen? Da wirst du ganz ohne das andere auch nicht durchkommen."
Sie öffnete schon ihren Mund, um etwas zu erwidern, klappte ihn allerdings wieder zu, als ihr nichts einfiel.
"Außerdem bestimme ich als dein Sensei, was du trainierst, also keine Wiederrede", fügte ich noch hinzu und geschlagen nickte sie schließlich.
"Gut. Dann fang schonmal mit den Übungen für die Chakrakontrolle an, ich bin gleich wieder da", wies ich sie an und lief zu den anderen beiden, um Tairu aufzuwecken, der es sich an einer der Trainingspuppen gemütlich gemacht hatte und schlief.
Nach einer kurz ausfallenden Predigt über sein Verhalten kehrte ich zu Mari zurück und wir fingen mit dem Training an.

"Ich denke, es reicht für heute", verkündete ich schließlich am späten Nachmittag, "ihr wart in letzter Zeit sehr fleißig, also machen wir heute früher Schluss. Ihr könnt gehen."
Mari und Fuji schienen überrascht, wohingegen Tairu anscheinend erleichtert war.
Nach einer knappen Verabschiedung gingen wir wieder getrennte Wege und ich lief in Richtung eines Ladens, der gute Fertiggerichte hatte.
Etwas zu essen und schlafen war alles, an das ich gerade denken konnte, leider wurden meine Pläne von zwei mir bekannten Männern durchkreuzt, als ich auf dem Weg zur Kasse war.
"Ah, Yuna. Gut, dass ich dich hier treffe."
Ich wandte mich um und unterdrückte ein leises Stöhnen, setzte dann auch mein schönstes erzwungenes Lächeln auf.
"Minato-sensei und... Jiraiya-san", begrüßte ich die beiden, wobei es mir schwer fiel, meinen alten Bekannten so anzusprechen, aber vor Minato war es besser, schließlich sollte er nichts von unserer Verbindung wissen.
"Hm? Kennt ihr beide euch etwa?", fragte er, als er Jiraiyas belustigten Ausdruck bemerkte, doch schnell schüttelte ich den Kopf.
"Nur... eine flüchtige Begegnung. Ist schon eine ganze Weile her."
"Ja, ganz genau. Ziemlich lange, wenn ich mich recht erinnere. Du hast dich verändert, Yuna-chan", fügte der Weißhaarige hinzu und ich funkelte ihn wütend an.
"Wie auch immer", brachte Minato sich wieder ins Gespräch ein, "ich habe hier die Anmeldungen für die Chūnin Prüfungen, dein Team wäre inzwischen so weit, daran Teil zu nehmen."
Ich nahm die drei Blätter und nickte.
"Verstehe, vielen Dank, Minato-sensei."
"Tut mir Leid, ich muss auch schon wieder los. Wir sehen uns später wieder, Jiraiya-sensei. Bis dann, Yuna."
So ließ der Blonde und beide alleine im Geschäft zurück.
"Machst du eine Pause von deinen Reisen, Jiraiya-sensei", kicherte ich und versuchte, den Ton von Minato nachzuahmen.
"Ja, genau so ist es. Zudem wird mein Schüler ja bald Vater. Er hat wirklich Glück, eine Frau wie Kushina gefunden zu haben", erklärte er, ohne auf meine Stichelei einzugehen.
"Und du hast jetzt also auch ein eigenes Team?"
Belustigt lächelte ich.
"Ja, ist aber noch stressiger, als ich es mir vorgestellt hatte."
Auch wenn es wirklich schön war, mit den Kleinen Zeit zu verbringen.
"Du schaffst das schon", schmunzelte er und musterte mich genauer, "aber du siehst nicht gut aus."
"Und du weißt immer noch nicht, wie man mit Frauen umgeht", gab ich scharf zurück, woraufhin er abwehrend die Hände erhob.
"Nein, nein, so war das nicht gemeint. Ich meine nur, dass es nicht scheint, als würde es dir sonderlich gut gehen."
Ich seufzte.
"Könnte stimmen. Ich bin ziemlich fertig, um ehrlich zu sein."
"Was ist passiert?", hakte er nach.
"Nichts besonderes. Ich hatte bloß viel zu tun in letzter Zeit."
Er blickte mich kopfschüttelnd an und legte mir eine Hand auf die Schulter.
"Komm schon, ich kenne dich lange genug, um zu merken, dass dich was beschäftigt. Also raus mit der Sprache."
"Wie schon gesagt, ich bin nur etwas erschöpft", fauchte ich und schlug seine Hand weg.
Er sollte nicht einfach plötzlich auftauen und sich in mein Leben einmischen.
Ohne mich zu verabschieden drehte ich mich weg und ging zur Kasse.
Zum Glück war es ziemlich leer, sodass ich den Laden verlassen konnte, bevor Jiraiya mir hinterher kam.
Schnell lief ich nach Hause, schlang lustlos das Essen herunter, welches plötzlich nicht mehr so gut schmeckte, wie sonst.
Bevor ich ins Bett ging, wollte ich noch duschen, um den Schweiß des anstrengenden Trainings loszuwerden.
Die warmen Tropfen prasselte auf meinen Körper und klebte meine Haare an die Kopfhaut.
Langsam schloss ich die Augen und das Rauschen des Wassers in meinen Ohren übertönte jegliche Gedanken in meinem Kopf.

"Tsuki, du stehst direkt vor mir, geh ein Stück weiter nach links!"
Bei dem Klang von Jiraiyas Stimme öffnete ich überrascht meine Augen, um direkt vor mir fünf Menschen zu sehen.
Zwischen Orochimaru und Jiraiya stand Sarutobi-sensei, davor Tsunade und... ich.
Oder besser gesagt, das damalige 'ich', Tsuki.
"So sieht das gut aus", bestätigte der Fotograf aus einiger Entfernung und Tsunade legte Tsuki einen Arm um die Schulter, welches sie ihr gleichtat.
Orochimarus Augen waren auf Tsuki gerichtet und ein kleines Schmunzeln umspielte seine Lippen, während Jiraiya ein Peace Zeichen Formte.
"Und... bitte lächeln!"
Ein helles Licht blitzte auf und ich kniff meine Augen zusammen.

Blinzelnd öffnete ich meine Lider wieder und erblickte vor mir nur die weiße Wand des Badezimmers.
Das breite Grinsen meines ehemaligen Selbst hatte sich in meine Gedanken eingebrannt.
Was wohl geschehen wäre, hätte ich damals überlebt?
Jetzt erst fiel mir auf, dass ich noch nie darüber nachgedacht hatte, aber vielleicht hätte alles anders sein können...
Heftig schüttelte ich den Kopf, um diese Überlegung loszuwerden wie eine nervige Fliege.
Es wäre bestimmt einiges besser gewesen, aber in dem Fall hätte ich keinen meiner jetzigen Freunde kennengelernt.
Nicht Obito, Anko, Kakashi, mein Schüler oder Genma.
Genma...
"Ich sollte mich bei ihm entschuldigen", murmelte ich zu mir selbst und mein Magen drehte sich um.
Es war nicht in Ordnung gewesen, ihn einfach so stehen zu lassen.
Zwar wusste ich nicht im Geringsten, was ich ihm sagen sollte, aber ich wollte noch heute zu ihm gehen.
Also drehte ich das Wasser ab und stieg aus der Dusche.
Nachdem ich mich wieder angezogen und meine Haare halbwegs getrocknet hatte, lief ich mit schnellen Schritten zur Wohnungstür.
Gerade, als ich hinaus trat, stieß ich mit jemandem zusammen.
"Oh, tut mir Leid-"
Ich brach ab, als ich Genma erkannte, der unsicher lächelte.
"Ich dachte, ich schaue mal bei dir vorbei. Ich hab Mari grade zufällig getroffen, und sie hat gesagt, dir würde es nicht gut gehen. Bist du krank?", erklärte er sein Erscheinen und ich schüttelte schnell den Kopf.
"Nein, es... ist alles in Ordnung. Komm doch rein, ich wollte eh mit dir reden."
Er betrat meine Wohnung und setzte sich an den kleinen Tisch, während ich uns Tee machte.
"Du hast gesagt, du wolltest mit mir reden. Warum?", fragte er zögerlich und ich umklammerte nervös meinen Becher.
"N-naja, wegen gestern, es..."
"Schon in Ordnung", murmelte er und ein breites Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht.
Aber es war einfach, in seinen Augen zu erkennen, dass es für ihn nicht in Ordnung war.
"Es tut mir Leid", brach es aus mir heraus und sein Ausdruck wurde schlagartig ernster.
"Ehrlich, ich wollte dir nicht wehtun. Ich war einfach überrascht, und an dem Tag davor war etwas passiert, das mich total durcheinander gebracht hatte. Aber keine Sorge, es ist jetzt alles wieder in Ordnung mit mir", plapperte ich los und atmete einmal tief durch, um mich zu beruhigen, "was ich eigentlich sagen will ist, ich mag dich auch!"
Meine Wangen brannten, wahrscheinlich hatte mein Gesicht die Farbe einer Tomate angenommen.
Während des letzten Satzes hatte ich aufgeregt die Augen zusammengekniffen und als von ihm keine Reaktion kam, öffnete ich sie zögernd wieder.
Er saß mit offener Mund vor mir, als wollte er etwas sagen, wüsste aber nicht, was.
"A-also, ich verstehe, wenn du jetzt-", setzte ich verlegen kann, unterbrach mich jedoch, als er ruckartig aufstand.
"Was-?"
Er umrundete den Tisch und setzte sich neben mir auf den Boden, schaute mir kurz in die Augen und legte dann seine Arme um mich.
Erleichtert atmete ich auf und erwiderte seine Umarmung.
"Ich bin so froh, Yuna", murmelte er an meinem Hals und ich lachte.
"Und ich erst. Ich hatte schon Angst, du hättest deine Meinung wegen gestern geändert", gab ich zu.
"Das würde ich niemals."
Seine Stimme war todernst und ich musste lächeln.
Ich drückte mich enger an ihn und genoss seine Wärme.
Eine gefühlte Ewigkeit saßen wir so da, bis er sich langsam von mir löste und mit einem Mal kam es mir viel zu kurz vor.
"Sind... wir jetzt... naja, du weißt, was ich meine", druckste er herum und seine Wangen färbten sich rot.
"J-ja, ich denke schon", antwortete ich peinlich berührt.
Plötzlich ertönte ein Knarzen aus der Richtung des Fensters und schnell sprang ich auf.
Ich konnte zwar niemanden sehen, aber für den Bruchteil einer Sekunde nahm ich ein mir schmerzlich vertrautes Chakra war, welches zweifelsohne zu Orochimaru gehörte.
"Was ist los?", fragte Genma.
"Ach, nichts. War bestimmt nur ein Vogel, oder vielleicht ein Eichhörnchen", erwiderte ich mit klopfendem Herzen.
"Verstehe. Sag mal, es ist noch nicht so spät, wollen wir vielleicht noch etwas Essen gehen?", schlug Genma vor und ich stimmte zu.
Während wir unterwegs waren, verdrängte ich das Gefühl, beobachtet zu werden und genoss den Abend.
Als ich schließlich schlafen ging, hatte ich diesen kurzen Moment schon wieder gänzlich vergessen.

Schwester einer Legende- Tor zur ZukunftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt