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Weiß. Jede Fläche ist weiß. Soll sie Reinheit symbolisieren? Die Reinheit des Gesetzes? Oder war weiß einfach nur günstig. Weiß lässt einen einsam wirken. Eindeutig ist das ein Gefühl von Einsamkeit das ich gerade verspüre. Hat es vielleicht einen psychologischen Hintergrund? Weiß als Symbolik für Wahrheit? Vermutlich nicht. Vermutlich versuchen sie den Raum nur schlicht und nicht ablenkend zu gestalten. Tolle Leistung. Das Klicken der herunterdrückenden Klinke zog meinen Blick zur Tür und fiel auf einen leicht erschöpften Mann. Seine weißen noch vorhandenen Haare und die intensiven Falten um seine Augen verrieten mir sein ungefähres Alter, welches ich eindeutig nicht jünger als 60 einschätzte. Unsicher darüber, ob er nun freundlich oder bedrängend sein würde, lehnte ich meine Hände vorsichtig auf den Tisch. Langsam ertönte das Geräusch der Tür, wie sie wieder ins Schloss fiel und der Herr steuerte mit einer autoritären Haltung meinen Tisch an. Meine Augen verfolgten jede seiner Bewegungen und langsam konnte ich mir den Eindruck einer sympathischen Person verschaffen.
"Guten Tag Mrs. Williams. Meine Name ist Agent Hughes."
Mit ausgestreckter Hand, eröffnete er das kennenlernen, dass ich ausdruckslos beobachtete. Nach wenigen Sekunden, wandte ich meinen Blick von seiner Hand ab und richtete ihn auf Agent Hughes.
"Sie sagen sowohl meinen als auch ihren Namen in einer Vorstellungsinteraktion. Sowas läuft üblicher Weise anders ab."
Für einen Moment starrte er mich nur an, bis sich seine Mundwinkel kurz hoben und er den Platz vor mir einnahm.
"Üblich ist relativ, Mrs. Williams."
Seine Hände umhüllten eine blaue Akte mit dem Logo des Federal Bureau of Investigation, die erst jetzt zum Vorschein kam. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass sie persönliche Daten meinerseits beinhaltete?
"Sind sie schüchtern oder eine stille Person von Natur aus?"
Das leicht amüsierte Lächeln war wohl an mich gerichtet. Diese Befragung war also einer der lockeren Art und locker hieß meistens nichts schwerwiegend ernstes.
Mit einer leichten Kopfwendung zum Spiegel, der links vom Raum positioniert wurde, spürte ich eindeutig beobachtende Blicke.
"Na gut, sie scheinen keine Zeit verschwenden zu wollen. Hoffen wir sie sind offener auf Fakten eingestellt."
Seine Tonlage wurde ernster und zog somit meine Aufmerksamkeit wieder auf ihn.
"Wie lange arbeiten sie schon für Dr. Martin?" Die Einstiegsfrage war mehr als vorhersehbar.
"Seit 4 Monaten." Antwortete ich knapp.
"Und was genau fällt in ihren Aufgabenbereich?"
Sehr formell gehalten. Nur leider raubt es Zeit für wichtigere Fragen.
"Alles was in den Bereich einer persönlichen Assistentin fällt. Terminabstimmungen, Korrespondenz, Ablage und einiges mehr dass ihnen vermutlich nicht fremd ist wenn sie ebenfalls eine betreuen."
Durch meine völlig monotone Haltung, baute sich langsam ein distanziertes Verhältnis auf. Agent Hughes lies sich nicht beirren und blieb bei seinem Fragenmodell.
"Auch persönliche Erledigungen?"
Endlich nahm die Befragungen eine ungefähre Richtung ein.
"Dies kommt ebenfalls nicht selten vor, wenn man diese Stelle annimmt."
Versucht nicht mehr Informationen als nötig zu liefern, hielt ich meine Antworten so allgemein wie möglich. Je mehr ich über die allgemein Arbeit einer Assistentin sprach, desto weniger gingen wir auf mich persönlich ein.
"Es kommt aber selten vor, dass jemand diese Stelle freiwillig annimmt."
Die unerwartete Drastik, die mit dieser Wende kam sorgte dafür mich leicht zu verunsichern.
"Könnten sie mir ihre Aussage eventuell genauer erläutern, Agent Hughes?"
Wenn er mit diesem Befragungstaktik Verwirrung schaffen wollte, ist es ihm gelungen.
"Wir haben uns Ihre Bewerbung angeschaut: äußerst beeindruckend. Sprechen sie wirklich 5 Sprachen fließend?"
Seine Augen umspielte eine leichte Neugier und ein Lächeln bildetet sich wieder auf seinen Lippen. Ich schluckte leicht, ehe ich antwortete.
"Es ist keine Straftat, beim Lebenslauf etwas zu schummeln." Ohne meinen Blick von ihm abzuwenden, legte ich meine rechte Hand über die linke.
"Nein da haben sie recht, zumindest solange wir hier nicht von Abschlussfälschung sprechen."
Mit einem kurzen Zwinkern schlug er die Akte vor ihm auf und blätterte ein paar Seiten um, bis er an einem Formular hängen blieb.
"Aber das hätten sie auch gar nicht nötig. Sie haben einen beeindruckenden Abschluss in Rechtspsychologie in Princeton absolviert." Seine Augen richteten sich eindringlich wieder auf meine. Augenblicklich breitete sich Nervosität in mir aus. Als ich keine Antwort gab, sprach Agent Hughes weiter.
"Ziemlich überqualifiziert für eine Assistentin." Das war sein Schlusssatz mit einer Aufforderung irgendetwas zu sagen.
"Was genau wollen sie von mir, Agent." Obwohl jeder meiner Muskelfasern sich anspannte, versuchte ich bestmöglich die Ruhe zu bewahren.
"Ich frage mich, was sie dazu bewegt hat die Stelle bei Dr. Martin anzunehmen." Noch immer strahlte er Sympathie und Wärme aus, weswegen es mir schwer fiel so distanziert zu bleiben.
"Ist das eine persönliche Neugierde, oder eine berufliche?"
Noch immer hat er mir keinen Grund genannt, was das Ganze nun zu bedeuten hatte. Hughes stieß einen leichten Seufzer aus, ehe er die Akte zu klappte und mich ansah.
"Mrs. Williams, einer meiner Agents bearbeitet momentan einen Fall der von Kunstdiebstahl handelt."
Die kurze Unterbrechung die er einlegte, nutzte er vermutlich um meine Reaktion zu beobachten. Sobald er merkte dass ich keine von mir geben würde, fuhr er fort.
"Es geht um einen gestohlenen Monet im geschätzten Wert von 23,5 Millionen Dollar." Das klingt nicht gut. Das klingt nicht locker. Das klingt schwerwiegend ernst.
"Wir haben aus reiner Routine alle Mitarbeiter unter die Lupe genommen und haben bei Ihnen eben ein paar Auffälligkeiten festgestellt." Sein Blick verriet mir dass er nicht davon überzeugt war mich zu verdächtigen, aber es dennoch nicht gut aussah. Verständlich.
"Und welche genauen Auffälligkeiten sind Ihnen ins Auge gefallen, bis auf meine offensichtlich fehlplatzierte Hochbegabung?" Agent Hughes strich sich erschöpft die Hand durchs Gesicht.
"Sie opfern viel ihrer Zeit in diesen Job, den sie so augenscheinlich nicht brauchen. Zudem haben sie einen Ersatzschlüssel für sein Appartement."
Ich schmunzelte leicht.
"Das klingt eher als würden sie mir eine Affäre vorwerfen, nicht einen Diebstahl." Möglicherweise war es nicht gerade vorteilhaft die Situation zu bewitzeln, aber ernst zu nehmen war sie genauso wenig.
"Hören sie Agent Hughes, eine persönliche Assistentin hat meistens auch Zugriff auf die persönliche Einrichtung, damit ihre Aufgabenerfüllung nicht ständig vom Vorgesetzten abhängig ist. Momentan sehe ich nichts als haltlose Anschuldigungen." Langsam aber sicher, ermüdete auch mich die Befragung. Doch statt Einsicht, entdeckte ich leichte Enttäuschung auf dem Gesicht meines Gegenübers.
"Mrs. Williams. Eine Zeugin hat gesehen, wie Sie letzte Woche das Appartement betraten und nach einer knappen Stunden wieder verließen. Es kam uns verdächtig vor, dort eine so lange Zeit als Assistentin zu verbringen wenn der Chef vereist ist." Ich schwieg.
"Selbstverständlich wissen wir dass sowas einen Grund haben kann, also fragten wir Dr. Martin ob er ihnen etwas in Auftrag gab, der den Aufenthalt rechtfertigen könnte. Er hat es bestritten."
Mrs. Anderson. Sie hat sich sogar noch kurzzeitig mit mir unterhalten, bevor sie in ihre eigenen vier Wände verschwand. Es schien mir nicht wichtig zu sein dass sie mich gesehen hat, das tat sie andauernd wenn ich was für Thomas holen sollte, nur leider konnte ich nicht ahnen dass während seiner einwöchigen Geschäftsreise 23,5 Millionen gestohlen werden.
"Es sieht nicht wirklich gut aus. Wir haben einige ihrer Fingerabdrücke gefunden." Verdammt, ich hab doch so gut wie alles sauber gemacht. Meine Augen bohrten sich auf dem Tisch fest. Irgendwas musste ich sagen.
"Ich war das nicht."
Mit dem ehrlichsten Blick wie nur möglich, schaute ich hoch. Schweigen.
"Dann sagen Sie mir, was sie genau gemacht haben. Denn ohne den genauen Tag und Uhrzeit des Diebstahls, durch die Geschäftsreise ihres Vorgesetzten, müssen wir ihn auf eine Woche eingrenzen und genau in dieser Woche waren sie die einzige die auffällig erschien."
Das war die reinste Katastrophe. Plötzlich erschien mir meine sorglose Haltung von Beginn naiv. Irgendwie musste ich überzeugend wirken, nichts schuldiges aufzuweisen. Also beseitigte ich meine steife Fassade und richtete die Mitleidserregende auf.
"Es ist komplett anders verlaufen als sie denken." Ich machte eine kurze Pause und schloss meine Augen, als würde ich mich überwinden etwas preis zu geben.
"Dr. Martin ist für mich nicht nur ein Vorgesetzter. Ich meine ist er natürlich schon, aber ich habe da eine gewisse Neigung für ihn entwickelt. Am Dienstag Abend, wollte ich eigentlich nur den Autopsie Bericht eines Patienten vorbeibringen und dann wieder gehen.
Ich schaute kurz zu Hughes rüber um zu kontrollieren ob er an der Geschichte Zweifel hatte. Doch sein Ausdruck blieb undefinierbar.
"Und dann?"  Dass er neugierig geworden ist, konnte er nicht verbergen.
"Nichts, dann bin ich gegangen. Zu Hause fiel mir auf dass mein Kalender noch bei Thomas liegt, der mein ganzes Leben ist, also bin ich nochmal hin um ihn zu holen. Ihre Zeugin muss mich beim zweiten Mal rausgehen bemerkt haben und vermutet ich wäre nie gegangen."
Hughes kniff seine Augen zusammen und versuchte vermutlich einzuschätzen ob ich die Wahrheit sprach.
"Hören Sie, mir ist klar dass Thomas mich nie auf die Art mögen wird, wie ich es tue, aber niemals würde das einen Diebstahl rechtfertigen. Meine moralischen Werte sind mir kostbar."
Ich atmete erschöpft aus.
"Ich habe das Gemälde nicht gestohlen. Ich kann mich gerne einem Lügendetektor Test unterziehen wenn sie das möchten." Hughes schaute kurz zur Seite, ehe er leicht sarkastisch auflachte.
"Sie wissen das überzeugt kein Gericht." Ohne auch nur einmal zu blinzeln, nahm ich eine gerade Haltung an.
"Das Gericht ist es auch nicht, welches ich überzeugen möchte." Jetzt war es an ihm sich seine Meinung zu bilden. Mit einem nicht lang andauernden Blick zum Spiegel, richtete er sich auf und deutete mir es ebenfalls zu tun. Die Anspannung in meinem Körper war mittlerweile so stark, dass mir vermutlich nicht einmal ein heißes Bad helfen könnte heute entspannt zu schlafen.
"Diese Befragung dient nur dem Zweck ihre Sicht der Dinge zu hören. Die Beweislage ist nicht stark genug um sie festzuhalten, jedoch um sie zu verdächtigen. Halten sie sich in der nächsten Zeit etwas zurück Mrs. Williams." Eine Welle der Erleichterung überkam mich und brachte meine Mundwinkel zum Lächeln.
Aus Respekt und Dankbarkeit streckte ich meine Hand aus die er freundlich entgegennahm.
"Danke." Während wir uns dem Ausgang näherten, wanderte mein Blick noch ein letztes Mal zum Spiegel, mit der Gewissheit von mehreren Augenpaaren verfolgt zu werden. Die Frage war nur, wem sie gehörten.

"Mrs. Williams!" Mit einem neugierigen Schwung drehte ich mich zu der Stimme um. Vor mir stand ein etwas jüngerer Agent mit dunkelbraunen Haaren und einem grauen gewöhnlichen Anzug, der mir ein freundliches Lächeln entgegenbrachte. Ich musterte ihn einen Augenblick, was er selbst jedoch unterließ. Interessant. Er musste also eines der Augenpaare hinter dem Spiegel gewesen sein, wenn er schon einen Blick auf mich geworfen hat.
"Ich bin hier klar im Nachteil, was die Namen betrifft." Ein kleines freches Grinsen Schlich sich auf meine Lippen, welches ich leider nicht unterlassen konnte.
"Ich bin der leitende Ermittler bei der Untersuchung des gestohlenen Monets. Bitte tun Sie uns beiden einen Gefallen und bleiben sie in Kontakt." Großartig. Gleich zwei Ermittler. Mein Lächeln verschwand automatisch und stattdessen zierte nun Kälte meine Gesichtszüge.
"Für den Fall des Falles." In seiner gehobenen Hand hielt er eine kleine Visitenkarte, die er mir rüberreichte. Für ein paar Sekunden zögerte ich, nahm sie aber schließlich dankend an und steuerte geradewegs die Fahrstühle an ohne mich noch einmal umzudrehen. Als sich die Türen von innen zu schoben, stieß ich einen leichten Atem aus und senkte meinen Blick auf das Kärtchen in meiner Hand. Special Agent Peter Burke. Special Agent. Wie reizend.

Con (Neal Caffrey)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt