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Das war unmöglich. Nirgends war in den Akten eine Verbindung zwischen Garcia und Alvarez zu finden. Als wären es zwei willkürlich aneinander gelegte Akten von Personen die sich nie begegnet sind. Kein gemeinsamer Gefängnisaufenthalt, keine gemeinsamen Stripclubs, nicht einmal ein gemeinsamer Bürgerladen. Ich legte meinen Stift zur Seite und strich mir mit meiner Hand durchs Gesicht. Irgendwas muss ich übersehen haben. Vielleicht gab es eine dritte Person die die Verbindung zwischen ihnen war, oder vielleicht haben Sie gemeinsame Vorfahren. Das war doch alles Schwachsinn und sowas brachte mich nicht weiter.
Ich griff nach meiner Kaffeetasse um ein Schluck zu trinken, musste jedoch mit Bedauern feststellen dass diese nun zum dritten Mal in Folge leer war. Ich hatte es mir zu Hause an meinem Arbeitsplatz gemütlich gemacht, mit einer Tasse Kaffe und meiner Schreibtischlampe. So arbeitete ich am besten, wenn alles um mich herum dunkel war, außer der Lichtpegel meiner Schreibtischlampe der auf der zu bearbeitenden Akte lag. Gereizt stellte ich die Tasse kräftig auf meinem Tisch ab, sodass ein dumpfer Knall ertönte. Ich musste mir genauer Del Santos Akte anschauen, vielleicht lag ja eine Verbindung zwischen den beiden. Ein Blick auf meine Armbanduhr sagte mir dass es zu spät war ins FBI Büro zu gehen um mir die Akte zu holen. Andererseits würde ich heute vermutlich kein Auge zu kriegen. Ziemliche Zwickmühle. Warum habe ich den Fall überhaupt angenommen? Peter Burke lag komplett falsch mit seiner Behauptung dass Jakob der Grund war weshalb ich ihn unbedingt bearbeiten wollte. Jakob war der Grund weshalb ich mich die ganze Zeit davon ferngehalten habe. Selbstverständlich wünschte ich mir Gerechtigkeit für ihn, weshalb ich erfreut war zu hören dass sich endlich das FBI daran setzte, aber das hätte mir schon gereicht. Ich wollte mich nicht in diese Angelegenheit einmischen, irgendwie fühlte ich mich nicht wohl dabei. Zudem kam dass ich mir sicher war, dass Jakob wollen würde dass ich mich raushalte. Was ich auch vorhatte. Aber dann kam Christopher Montgomery. Martins Anwalt. Mit einem Antrag auf vorzeitige Freilassung. Der Mann der für 8 Morde verantwortlich ist aber nur wegen Versicherungsbetrug dran genommen worden ist. Wegen des FBI. Welches mich ausgenutzt und betrogen hat um Martin nur wegen Versicherungsbetruges zu verhaften. Mit dem ich jetzt zusammenarbeite um den Mann dranzukriegen der meinen ehemaligen Freund getötet hat nur damit ich Beweise gegen den Mann sammeln kann der mit einem verdammten Versicherungsbetrug davon gekommen war. Plötzlich wusste ich nicht mehr wo ich stand und wenn ich alles nochmal durchgegangen bin, kam mir die Frage auf ob es das wert war. Ich entschloss das zu tun, was ich immer machte wenn einmal im Monate die Überforderung zuschlug. Mit meiner Kaffeetasse in der Hand, ging ich in meine Küche und machte mir neuen Kaffe. Dann streckte ich mich, um an das oberste Regal zu kommen und griff nach der Schachtel die ganz hinten lag. Rauchen war nicht wirklich meine Art. Nicht nur weil das Gesundheitsrisiko auf dem Spiel stand, sondern weil es schon vor dem Krebs Unannehmlichkeiten bereitet. Man stinkt, die Zähne verfärben sich gelb, die Haut altert schneller, die Stimme wird männlicher und vieles mehr. In meinen Jungen rebellischen Jahren hab ich mir das rauchen angewöhnt und mir vorgenommen, wenn ich ein Stipendium für Princeton bekomme, dann werde ich keine Zeit fürs rauchen haben und es schmeißen. Das tat ich. Damit ich aber nicht irgendwann wieder anfing, nahm ich mir vor eine Schachtel am Anfang des Jahres zu holen und keine weitere mehr. Die Aufteilung war mir überlassen, aber meistens Sparte ich mir für jeden Monat eine auf für den Fall des Falles. Heute Abend war der Fall des Falles. Ich nahm mir meinen Kaffe und ging auf den Balkon. Dort stellte ich erst mal die Tasse auf meinem kleinen Tisch ab und machte es mir anschließend in einem der Sessel bequem. Für einen Moment schaltete ich jetzt erst mal ab und würde die gedankenlose Ruhe genießen. Zunächst nippte ich nur an meinem Kaffe, doch schließlich nahm ich die Zigarette zwischen meine Lippen, zündete sie mit dem Feuerzeug an und zog einmal kräftig daran. Meine Augenlider fanden ihren Weg runter und meine Lippen formten sich zu einem leichten O während der Rauch wieder rauskam. Genau Augenblicke wie diese sorgten dafür dass ich nicht übereilte durch Stress entstandene Entscheidungen Fälle. Ich nahm noch einen weiteren Zug und einen der darauf folgte, bis ich beim Filter angelangt bin. Der Himmel bot einen wunderschönen Ausblick. Leider konnte man in Manhattan kaum die Sterne sehen, da die Stadt schon so hell beleuchtetet war, und dennoch erschien er mir irgendwie entspannend und magisch. Ich nahm noch einen Schluck von meinem Kaffe und widmete mich meinen vorherigen Gedanken. Dass ich den Fall durchziehe stand nicht mehr in Frage, das war eine Tatsache. Was ist aber nun der nächste Schritt? Ich warf noch einmal einen Blick auf meine Armbanduhr. 22:43 Uhr. Möglich dass noch jemand im Büro ist. Ich beschloss meine Akten zusammen zu packen und mir die anderen noch anzuschauen. Schaden würde es vermutlich nicht. Zudem könnte ich die Akte von Martin direkt mit raussuchen und kopieren. Da ich vorhin noch in etwas gemütlicheres geschlüpft bin und nur ein viel zu großes T-Shirt trug, suchte ich mir eine Hose und zog noch einen leichten Mantel drüber. Das Wetter ist ja unberechenbar manchmal. Mit den Akten unterm Arm und meinen Schlüsseln in der Hand, lief ich zu meinem Auto und stürzte mich in den New Yorker Nachtverkehr.

Das Securitypersonal, welches aus zwei Mann bestand, begrüßte mich überrascht, brachte aber keine Einwände ein. Zu meinem Glück, denn nach reden war mir sowieso gerade nicht zu Mute. Der Aufzug war schon unten, da ihn vermutlich kaum einer gerade benutzte und ich betätigte wieder den 5 Stock. Mit etwas Glück, könnte ich die Kammer für mich alleine haben und in Ruhe die Akten durchgehen. Die Türen schoben sich zur Seite und ich steuerte wieder den Raum am Ende des Ganges an.
Hoffnungsvoll betrat ich ihn und stellte erfreut fest, dass ich wirklich alleine war. Ich lief auf eines der Regale zu und suchte mir die richtige Akte raus, ehe ich mich an den Tisch setzte und anfing sie zu lesen. Nach wenigen Minuten legte ich sie zur Seite und schaute wieder zu den Regalen rüber. Vielleicht war jetzt der perfekte Zeitpunkt die Martins Akte zu kopieren. Ich drückte meinen Stuhl vom Tisch weg und steuerte die Kiste an von der ich wusste dass dort die Akte sein müsste. Wären die Umstände eventuell anders, würde mich mein schlechtes Gewissen plagen. Ich bin keine Person die lügt, manipuliert, stiehlt oder betrügt um das zu bekommen was sie möchte, doch leider ist es so gekommen wie es nun mal ist und das FBI ist nicht unschuldig bei der ganzen Sache davongekommen. Endlich kam ich bei M an und entdeckte nach zwei Akten die, die ich brauchte. Für einen Augenblick starrte ich nur das blaue Deckblatt mit dem FBI Logo an, überzeugte mich jedoch anschließend dass ich das Richtige tat. Endgültig entschieden, ging ich zum Drucker und schaute ihn mir genauer an. Verdammt. Mitarbeitercode. Daran hab ich gar nicht gedacht. Schien also so, als müsste ich die Akte mit nach Hause nehmen und sie dort kopieren. Vielleicht war es auch sicherer so, denn die Kopien eines Codes kann man zurückverfolgen und auch wenn dies unwahrscheinlich war, konnte man nie sicher genug sein. Morgen früh könnte ich sie wieder in ihre Kiste platzieren.
Ich griff nach den anderen Akten und ging In Richtung der Fahrstühle. Zuhause konnte ich ohnehin besser arbeiten.

Con (Neal Caffrey)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt