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Am nächsten Morgen wurde ich von meinem Wecker geklingelt. Lange habe ich nicht mehr so gut geschlafen, wozu vermutlich Del Santo beigetragen hat. Eine ziemlich schräge Denkweise, doch tatsächlich schlief ich ruhiger wenn ich wusste dass ich nun wieder die Kontrolle hatte. Ich streckte mich einmal komplett durch und gähnte anschließend. Heute würde ich zum Federal Bureau fahren und mir den Fortschritt persönlich anzuschauen. Schließlich konnte ich nicht blind in etwas reinlaufen. Theoretisch war ein Rückzieher immer noch möglich, doch dafür hab ich nicht hingearbeitet. Die Gelder der Kirche beschloss ich anonym zurück zu spenden, doch eins nach dem anderen. Ich griff nach meinem Morgenmantel und stieg in meine Pantoffel. Leicht müde schlenderte ich in die Küche und holte aus dem oberen Schrank eine Tasse raus. New Yorker und ihr morgendlicher Kaffee. Während meine Kaffeemaschine die heiße Brühe in meine Tasse produzierte, schaltete ich das Radio auf meinen Lieblingssender ein. Dann griff ich nach der Zeitung und blätterte einfach mal durch um zu schauen ob es was neues gab. Frühstück machte ich mir keins, dafür hatte ich am Morgen zu wenig Zeit und Lust. Ich griff nach der Tasse Kaffe und nippte an ihr, während ich mir einen Bericht über einen scheinbaren Skandal an der Wallstreet durchlas. In knappen Worten zusammengefasst: nichts von hohem Interessensmaß. Mit zwei Knicken, faltete ich die Zeitung zusammen, stellte meine Tasse in die Spüle und ging Richtung Bad. 

Ich parkte das Auto vor dem Eingang des FBI Gebäudes. Es war ein sonniger Tag mit gefühlten 23 Grad, also meiner Meinung nach das perfekte Wetter. Nicht zu warm, aber dennoch warm genug um es zu genießen.
Ich griff nach meiner Tasche und stieg aus dem Auto. Noch wusste Peter nichts von meinem selbständigen Plan und dies sollte auch zunächst so bleiben.
"Mrs. Williams, welch Überraschung Sie erneut hier anzutreffen! Ich dachte Sie wären aus dem Fall raus."
Ich drehte mich noch nicht um, aber ich wusste genau zu wem die Stimme gehörte.
"Ich bin nur nicht aktiv beteiligt Caffrey."
Mit einem leichten Lächeln wandte ich mich ihm zu und für einen Moment stockte mir der Atem. Neal trug eine elegante Anzugshose, in welche er ein Hemd gesteckt hatte. Darüber trug er die passende Anzugsweste und zu guter Letzt: ein Hut. Kurz und knapp zusammengefasst: er sah hinreisend aus. Ein charmantes Lächeln zierte seine Lippen und diesmal, sah es sogar ziemlich echt aus.
"Dann freue ich mich Sie wieder zu sehen."
Er reichte mir einen Kaffe, der vermutlich für Peter gedacht war, wenn man jedoch einen Kaffe in New York angeboten bekommt dann nimmt man ihn auch an. Alles andere wäre unhöflich.
"Vielen Dank."
Ich nahm den Kaffe entgegen und ging los in das Gebäude rein. Neal hielt mein Tempo und lief neben mir.
"Sie sind mit halb neun früh dran."
Wir passierten die Rezeption und bahnten unseren Weg zu den Aufzügen.
"Was wiederum heißt dass Sie zu spät sind."
Der Aufzug kam gerade an und vier Agents stiegen aus, welchen wir selbstverständlich Platz zum rausgehen boten. Anschließend betraten wir gemeinsam den Aufzug.
"Sie machen die Fahrt doch nicht wieder peinlich, oder?" 
Ich blickte gespielt ernst zu ihm rüber und er grinste.
"Was habe ich Ihnen beim letzten Mal erzählt? Wenn keine Peinlichkeit herrscht, dann sexuelle Spannung."
Ich lachte auf.
"Das ist doch völliger Blödsinn Caffrey. Haben Sie bei Peter auch immer den Drang ihm näher zu kommen?"
Wir kamen im dritten Stock an und die Türen gingen auf. Ich stieg aus, gefolgt von einem lässigen Neal.
"Das ist doch eine komplett andere Denkrichtung gerade. Ich sprach von gegengeschlechtlichen Personen. Oder eben gleichgeschlechtlichen wenn es einem lieber ist."
Ich schüttelte nur meinen Kopf und lachte tatsächlich.
"Oh oh. Die Finger."
Ich folgte Neal's gequälten Blick und entdeckte Peter an dem Gerüst stehen. Mit zwei Fingern deutete er Neal in sein Büro zu kommen.
"Viel Glück und bleiben Sie Ganz."
Ich tätschelte ihm die Schulter und wollte gerade zum Gehen ansetzen, als Peter mir ebenfalls den Finger zuwarf.
"Geteiltes leid, ist halbes Leid."
Neal blickte mich mit einem mitleidenden Blick an. Wo er recht hat, hat er nun mal recht. Ich wünschte nur, die zweite Hälfte würde nicht ich abbekommen. In den Minuten zum Büro, stieg plötzlich ein gewisses Unbehagen in mir auf. Was war wenn Peter etwas mitbekommen hatte von dr. Martin oder Del Santo? Leicht verunsichert betrat ich Peters Büro, direkt hinter Neal.
"Neal, wenn ich dir sage du sollst dich an die Regeln halten, dann tu doch wenigstens so als würdest du es diesmal versuchen."
Peter schien wütend zu sein, aber dies bestätigte mir nur umso mehr, dass ich zu Del Santo muss.
"Peter, ich tat eben das was nötig war. Gérard wollte mich eben testen, was hätte ich deiner Meinung nach tun sollen?"
Neal versuchte sich verzweifelt zu rechtfertigen, doch dies schien Peter umso wütender zu machen.
"Und dann bestiehlst du die verdammte Konkurrenz? Weil dass die beste Option war."
Er durchlöcherte Neal mit seinen Blicken, wie mit Messern und ich war mehr als froh dass ich diese nicht abbekam.
"Peter, es ist doch gut gelaufen."
Neal nahm auf einem der Stühle Platz und schaute Burke entschuldigend an.
"Bis jetzt."
Er seufzte und setzte sich auf seinen Büro Stuhl. Ich folgte deren Beispiel und tat es dem gleich.
"Neal, das ist eine gefährlich große Nummer und ich mache mir Sorgen dass du dem nicht gewachsen bist."
Er schwieg, weshalb Peter fortfuhr.
"Wenn du so weiter machst, werde weder ich noch Mozzie noch sonst wer helfen können."
Neal schaute auf seine Hände und wusste scheinbar nicht mehr was er noch sagen könnte. Also wandte sich Peter nun mir zu. Verdammt.
"Mrs Williams, ich muss Ihnen was berichten."
Er schaute ernst. Es ging also um etwas schwerwiegend Ernstes.
"Ihr früherer Chef, Dr. Thomas Martin wird mit höchster Wahrscheinlichkeit vorzeitig auf Bewährung freigelassen."
Ich schluckte aber gab keine anständige Reaktion von mir. Wie denn auch? Im Moment hatte ich mindestens 5 verschiedene im inneren.
"Sie schauen nicht überrascht?"
Sein Blick blieb die ganze Zeit der Selbe.
"Aber wie können Sie das auch. Die Neuigkeit ist Ihnen vermutlich nicht fremd."
Ich setzte mich aufrecht hin und wollte gerade antworten, als Peter mir das Wort abschnitt.
"Versuchen Sie es gar nicht, Mrs Williams. Ich weiß zwar noch nicht weshalb, aber ihr plötzlicher Auftritt hängt mit Martin zusammen. Wollen Sie wissen warum?"
Schweigen schien scheinbar heute zu überwiegen.
"Eine Stunde nach dem der Antrag eingereicht wurde, riefen Sie bei uns an um großzügiger Weise Ihre Hilfe anzubieten."
Neal schielt zu mir rüber und plötzlich fühlte ich mich komplett bedrängt. Ich stand mit dem Rücken zur Wand und wenn mir nicht schnellsten eine Ausrede einfiel, würde sich vieles ändern. Ich entschied mich für die Wahrheit als Lüge, mit weniger Details.
"Ich habe es vor paar Tagen erfahren. Dr. Martins Anwalt hat sich bei uns wegen eines psychologischen Gutachtens angekündigt und meinte dass es gut für ihn ausschaut. Meine Beziehung zu Thomas ist seit ihren Ermittlungen nicht mehr die gleiche und ich finde dass er die vorzeitige Freilassung nicht verdient hat. Als ich erfuhr dass Sie den Del Santo Fall annehmen, hab ich die Gelegenheit ergriffen mir einen kleinen Vorteil bei Ihnen einzuholen."
Peter schaute mich nun etwas sanfter an und lockerte seine Haltung.
"Ich habe einfach gehofft, dass wenn der Fall um ist, Sie mir den Gefallen tun können und ihn einfach im Auge behalten."
Die Wahrheit war, dass ich mir dies wirklich erhoffte. Vielleicht würden Sie sich Dr Martin genauer anschauen, wenn ich genug sichthaltige Beweise gegen ihn hätte.
"Was glauben Sie denn, hätte er vor?"
Überrascht darüber, dass die Frage von Neal und nicht Peter kam, blickte ich ihn an. Seine Augen strahlten auf eine seltsame Art und Weise Vertrauen und Sympathie aus, weshalb ich ein paar Sekunden brauchte um zu antworten. Meine Stimme war kaum hörbar, dennoch verständlich.
"Etwas furchtbares."
Burke und Caffrey tauschten einen kurzen Blick aus, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich legten.
"Sie müssen präziser werden Blake."
Aufforderung unterstrich seine Tonlage, was mir überhaupt nicht passte. Ich nahm wieder eine professionelle Haltung an und erinnerte ihn daran, dass er nicht mein Boss ist.
"Nein, muss ich nicht. Sie können mich des Falles entziehen oder dabei behalten. Es ist ihre Entscheidung. Wenn Sie wirklich glauben mir nicht vertrauen zu können, dann ist das in Ordnung. Falls Sie sich aber doch dazu entschließen auf ihr Bauchgefühl zu hören und mich gerne behalten würden, dann werde ich meine Arbeit leisten."
Zum dritten Mal an diesem Tage füllte Stille den Raum. Jeder von uns verfolgte seinen eigenen kleinen Gedankengang und war vermutlich die Optionen am auswägen. Schlussendlich seufzte Peter und erhob sich von seinem Platz.
"Na gut. Bitte seien Sie demnächst einfach ehrlich zu mir, dann kann ich besser meinen Job machen und ihnen helfen."
Ich nickte wortlos und verließ ebenfalls meinen Platz, gefolgt von Neal.
"Wir haben Neuigkeiten für Sie."
Peter steuerte die Treppen an, während wir ihm dicht folgten.
"Sie hatten recht, es gibt einen Zusammenhang zwischen Garcia und Alvarez. Nicht einen direkten, aber alles läuft auf die Trinity Church zurück."
Ich blieb abrupt stehen, was zunächst nur Neal bemerkte und ebenfalls anhielt, anschließend Peter.
"Was ist los?"
Beide blickten mich fragend an.
"Ich habe aus den Akten entnommen das Del Santo dort in der Gemeinde tätig ist."
Mit dem erbärmlichen Versuch, meine äußerst auffällige Reaktion von eben zu verschleiern, setzte ich eine gespielt überraschte Mimik auf.
Erstaunlicher Weise kauften sie es mir ab.
"Genau das schauen wir uns jetzt genauer an. Der Pater schuldet uns eine Unterhaltung."
Peter wandte sich wieder zum gehen, doch ich hielt ihn erneut auf.
"Wir im Sinne von wir drei?"
In einer langsamen Bewegung drehte er sich wieder zu mir um und sah mich verständnislos an.
"Ja, wir im Sinne von wir drei."
Neal warf mir einen skeptischen Blick zu, den ich gekonnt ignoriert.
"Ich halt mich da lieber raus. Sie updaten mich ja regelmäßig, da möchte ich mich nicht zusätzlich aktiv in die laufende Ermittlung einmischen. "
Das war vermutlich die größte Lüge und Peter würde es noch früh genug erfahren.
"Es geht nur um eine kurze Befragung."
Ich merkte wie wenig nachvollziehbar Burke meine Entscheidung fand, doch für unser aller wohl wäre es besser wenn der Pater mich nicht direkt wieder sehen würde.
Peter schaute zu Neal, welcher nur mit seinen Schultern zuckte.
"Wenn sie nicht möchte, werden wir ihr nicht irgendetwas aufzwingen."
Ich nickte ihm dankend zu und setzte mich wieder in Bewegung zu den Fahrstühlen.
"Sie sagten es selbst, Agent Burke: es ist besser für mich, sich vorerst im Hintergrund zu halten. Es ist sowieso schon ungewöhnlich dass ich bei einem laufenden Fall mit tätig sein kann."
Beide folgten mir in den Aufzug mit rein.
"Wir wissen trotzdem ihre Mühe zu schätzen Mrs Williams. Kommen Sie jederzeit vorbei."
Ich zwang noch ein letztes Mal ein Lächeln auf, von dem ich hoffte dass es überzeugend wirkte.
Während die beiden in der Kirche waren, hatte ich genug Zeit um mich für das Casa Luna vorzubereiten.

Con (Neal Caffrey)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt