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Wie die Wetterforscher es gestern prophezeit hatten, würde es die ganze Woche stürmen und Gewittern. Obwohl es noch trocken draußen war, schmückten den Himmel graue, fast schon schwarze, dichte Wolken. Der Wind war kräftiger geworden als am Tage zuvor und die Nachrichten sprachen davon, sich so wenig wie möglich draußen aufzuhalten.
"Ihr Kaffe Miss."
Die Bedienung des Kaffeestandes reichte mir zwei Becher, während ich einen zehn Dollar Schein auf den Tresen legte.
"Vielen Dank. Behalten Sie den Rest."
Sie nahm lächelnd das Geld an und wandte sich an den nächsten Kunden.
Wie gestern vereinbart, war ich auf dem Weg zum FBI Büro um den weiteren Ablauf unseres Vorgehens zu besprechen. Carlos hat mir nicht wirklich viel Beachtung geschenkt, sondern lediglich die Schlüsselkarte gegen den Namen ausgetauscht. Er machte einen viel zu hektischen und nervösen Eindruck, woraus ich deutete dass irgendwas anstehen musste. Als er für einen Augenblick aus dem Büro verschwand um die Schlüsselkarte zu aktivieren, schaute ich in die Akte die er bei meinem Betreten des Büros auffällig schnell unter einen Stapel Blätter versteckte. Darin fand ich Baupläne die ich auf den ersten kurzen Blick nicht zuordnen konnte und Dokumente mit Zahlen. Die Bilder die ich mit meinem Handy gemacht hatte, wollte ich Burke vorführen um seinen momentanen Groll den er gegen mich hegte, zu lindern. Ich bog um die Ecke und erblickte schon das große FBI Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Der Verkehr heute war furchtbar, was in New York viel heißen musste. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es bereits kurz nach zehn war und ich gut was zu essen gebrauchen könnte. Doch das müsste jetzt erst einmal warten, denn schon sprang die Ampel auf Grün um und ich überquerte die Straße. Lautes Hupen war zu hören und ich drehte mich zu dem dreisten Fahrer um, dem ich scheinbar nicht schnell genug ging. New Yorker waren Chaoten und die angebliche Unfreundlichkeit bekam man dann doch ziemlich oft zu spüren. Ohne mich beirren zu lassen lief ich auf den Eingang des Gebäudes zu und spürte beim Betreten sofort die umhüllende Wärme.
"Guten morgen Miss."
Der Rezeptionist begrüßte mich freundlich mit einem Nicken, welches ich erwiderte.  Hier unten in der Empfangshalle ging es ruhiger als sonst zu, was mir ein Stirnrunzeln einbrachte. Ich gelangte zu den Aufzügen und wartete, bis dieser sich öffnete und ich eintreten konnte. Das niemand heraustrat und ich auch die einzige war die eintrat, versetzte meine Stirn in erneute Denkfalten. Heute war Freitag und auch ein ganz normaler Arbeitstag, es sei denn ich hatte was verpasst. Als sich die Aufzugtür erneut öffnete, wusste ich sicher dass etwas nicht stimmte. Die Abteilung war so nicht leer, aber es mangelte mit Sicherheit an Agents. Verwirrt trat ich durch die große Glastür und schaute durch den großen Raum, bis mein Blick an Burkes leerem Büro hängen blieb.
"Raubüberfall in der Federal Reserve Bank. Alle drehen durch."
Augenblicklich folgte ich der Stimme und erkannte Agent Burrigan.
"Williams, richtig? Ich bin im Team des Del Santo Falles."
Ich nickte ihr freundlich zu.
"Ich weiß. Agent Burrigan. Namen behalten gehört zu meinen Stärken."
Mein Blick wanderte erneut erstaunt durch die ganze Abteilung.
"Es wirkt ziemlich kahl wenn der Raum nicht voll mit Schnüfflern in Anzügen gefüllt ist."
Ich erntete ein Grinsen von Burrigan, welches viel amüsanter wirkte als meine Aussage in Wirklichkeit war.
"Ich hoffe das fällt nicht unter Beamtenbeleidigung."
Ihr Grinsen wurde breiter und ihre Augen richteten sich auf etwas hinter mir.
"Keine Sorge Blake, die Agents sind Bezeichnungen solcher Art gewohnt."
Als die Stimme ertönte, schlich sich auch mir ein Grinsen auf die Lippen und vorsichtig lugte ich über meine Schulter. Ein lächelnder Neal entgegnete meinem Blick, mit seinen Händen in den Hosentaschen seiner Anzughose.
"Ihr seid schon beim Vornamen. Das hat etwas länger gedauert als bei der letzten Caffrey."
Statt zu Burrigan zu schauen, blieben meine Augen auf Neal verharrt und ich zog belustigt eine Augenbraue hoch.
"Die Letzte also war etwas naiver als ich. Ich nehme es dir nicht übel, denn ich selbst gebe mich auch manchmal mit rangniedrigeren Männern ab. Um zu sehen wie es sich anfühlt anderen etwas überlegener zu sein."
Mir war nicht bewusst wieso ich ihm auf diese Art darauf antwortete, doch manchmal sprach mein Mund schneller als mein Gehirn arbeiten konnte. Es lag jedoch definitiv nicht an einer verkorksten Form von Eifersucht, sondern eher an meiner charakteristischen Eigenschaft das letzte Wort zu haben wenn ich mich angegriffen fühle.
"Schlagfertig. Vielleicht sollten Sie öfters ein Frau mit dieser Eigenschaft an ihrer Seite haben Caffrey. Das würde wenigstens ein wenig Ihr Ego im Zaun halten."
Endlich wandte ich mich an Burrigan, den meine nächste Antwort galt ihr.
"Das Ego bildet das Zentrum der Persönlichkeit. Es könnte viele Schäden mit sich ziehen, es zu verletzen. Traumata, generalisierte Angststörungen bis hin zu Depressionen. Wer weiß, was wir schon alles angestellt haben."
Ich setzte einen gespielt geschockten Ausdruck auf, während Burrigan sich mit einer Hand an die Brust fasste und besorgt zu Neal schaute. Auch meine Augen fixierten nun ihn, er aber blickte abwechselnd zwischen uns beide.
"Also erstens, geht es meinem Ego prächtig. Zudem suche ich mir meine Frauen immer noch selbst aus."
Er hielt dabei einen Finger hoch, um seinen Standpunkt Ausdruck zu verleihen.
"Und zweitens, hat Peter uns dazu beauftragt an dem Fall weiter zu arbeiten."
Dabei blickte er erst mich und anschließend auch Burrigan an, was nur bedeuten konnte dass wir heute ein dreier team bilden werden.
"Gut, ich habe nämlich eventuell einen Hinweis erworben."
Ich ging mit schnellen Schritten vorwärts, bis mir klar wurde dass ich kein eigentliches Ziel hatte. Peinlich berührt schloss ich kurz meine Augenlider ehe ich mich wieder an die anderen wandte. Beide Gesichter schmückte ein leichtes schmunzeln und sie sahen mich abwartend an.
Nach gefühlten Minuten lockerte sich Neal's Haltung und er winkte mit seinem Kopf in die Richtung seines Schreibtisches.
"Wir sind nur drei Personen, mein Schreibtisch reicht dafür."
Stillschweigend folgte ich den beiden und stellte beide Kaffeebecher vor sie. Erleichtert lächelte mich Burrigan an und nahm sich dann einen der Becher.
"Wir brauchen eine neue Kaffeemaschine."
Sie trank einen Schluck und schloss genüsslich die Augen.
"Ich korrigiere mich: wir brauchen dringend eine neue Kaffeemaschine."
Bei den Worten entwich mir ein kurzes Lachen und beobachtete dann Neal's Reaktion. Dieser jedoch schaute schon konzentriert auf irgendwelche Akten und beachtete uns gar nicht. Sofort kamen mir wieder die Bilder auf meinem Handy in den Sinn und ich fing an in meiner Tasche danach zu suchen.
"Sie haben echt Mut Williams. Peter ist normalerweise nur bei Neal so aufgebracht."
Als Neal seinen Namen hörte, galt seine Aufmerksamkeit wieder uns. Seine Augen waren fragend geweitet, woran man erkannte dass er den Zusammenhang nicht mitbekommen hat.
"Sie haben Konkurrenz bekommen Caffrey. Bald geht Williams Peter mehr auf die Nerven als Sie."
Ich warf Burrigan ein Augenrollen zu, denn die Thematik müsste nun wirklich nicht weiter ausgeweitet werden, doch natürlich hatte Neal noch etwas einzuwerfen.
"Ihre Nerven sind aus Stahl, das können Sie sich gar nicht ausmalen."
Dabei schaute er mir durchdringend in die Augen und augenblicklich fiel mir unsere Verabredung mit Keller heute Abend ein.
Neal schien meine Erkenntnis bemerkt zu haben, denn sein Gesichtszüge milderten ab.
"Hinweise also, ja?"
Der Themenwechsel konnte nicht passender kommen und sofort fischte ich mein Handy aus der Tasche. Anschließend griff ich nach meinem kleinen Laptop und einem Verbindungskabel um beides miteinander zu verknüpfen und die Bilder im Großformat betrachten zu können. Als alles geschafft war, saßen wir drei dicht aneinander gerückt und betrachteten meinen Fund.
"Das ist genial Williams!"
Burrigan strahlte über das ganze Gesicht und notierte etwas auf einem Block. Ich starrte wieder auf den Bildschirm und klickte mich nochmal durch die 4 Bilder durch.
Aus den oberflächlichen Informationen her hatten wir einen neuen Namen, eine noch nicht zugeordnete Nummer mit einem Firmennamen und Baupläne des Goldman And Fields Gebäudes. Alles in einem, keine verwendbaren Beweise, aber brauchbare Hinweise. Irgendetwas sagte mir jedoch, dass es nicht dass war, was unbedingt versteckt werden musste. Die Informationen waren gut, keine Frage aber früher oder später, indem Falle früher, wäre das FBI nach tiefen graben darauf gestoßen. Also was war so wichtig, dass nicht einmal eine bedeutungslose Arbeitskraft darauf aufmerksam werden durfte.
"Halt an!"
Neal zeigte hektisch auf die Tastatur und ich ließ das gemeinte Bild auf dem Bildschirm flackern. Konzentriert versuchte ich zu finden, was Neal meinen könnte doch nichts ungewöhnliches viel mir ins Auge. Neal hingegen kniff seine Augen zusammen und streckte seine Hand nach der Computermaus aus. Ohne darauf wirklich zu achten, legte er seine Hand auf meine, welche ich instinktiv zurückzog.
"Entschuldige."
Erst jetzt bemerkte er scheinbar was passiert ist, doch ließ sich nicht weiter beirren. Ich schaute wieder auf den Bildschirm und beobachtete wie er an etwas heran zoomte.
Als nächstes klickte er auf das nächste Bild und zoomte wieder an eine bestimmte Stelle heran.
"Interessant."
Er murmelte es nur vor seine Nase und man merkte direkt dass er in seinen eigenen Gedanken gerade war. Das gleiche wie bei den Bildern davor, machte er auch bei den restlichen zweien und als er fertig war blickte er zu mir. Ich schaute ihn erwartungsvoll an, doch kein Wort verließ seine Lippen. Ich rollte meine Augen und seufzte laut.
"Mensch Neal, erlöse uns endlich von dieser Ungewissheit."
Auch Burrigan schaute nun gespannt zu ihm und wartete auf eine Antwort.
"Na gut, also.."
Er wandte sich wieder dem Bildschirm zu und zeigte uns das erste Bild.
"Rechts oben in der Ecke."
Mit seinem Zeigefinger deutete er auf die Stelle die er meinte. Ich kniff meine Augen zusammen und erblickte was er scheinbar meinte. Verwirrt schaute ich ihn an.
"Die römischen Zahlen?"
Er nickt und zeigte uns das zweite Bild. Rechts oben in der Ecke standen weiter Zahlen in römisch. Auch das nächste Bild und das darauf war mit Zahlen gezeichnet.
"Was hat das zu bedeuten?"
Neal stützte seine Ellbogen auf den Tisch ab und zog nachdenklich seine Augenbrauen zusammen.
"Ich weiß nicht genau wozu ich das zuordnen soll, aber ich habe sowas ähnliches irgendwo schon einmal gesehen."
Seine Stirn zog sich zu Denkfalten zusammen und angestrengt versuchte er sich zu erinnern, während ich sein markantes Kinn und Knochen bewunderte. Je näher ich Neal beobachtete, desto klarer wurde mir weshalb ich ihm vor einem Jahr so naiv verfallen bin. Er war nicht nur ein attraktiver, stilvoller Mann sondern zudem hoch intelligent, gebildet und humorvoll.
"Gut, ich lass euch dann mal weiter darüber grübeln."
Diana stand ruckartig auf, sodass ich nur verdutzt zur Uhr hochblickte.
"Wo geht es denn so plötzlich hin?"
Neal sah sie lächelnd an, konnte seine Skepsis jedoch nicht ganz verbergen.
"Peter braucht mich."
Ich nickte, doch Neal lies nicht locker.
"Wegen des Banküberfalls?"
Diana hörte auf zu packen und schaute ihn schief an.
"Weswegen sonst?"
Man spürte die dicke Luft zwischen den beiden und auch das Misstrauen war nicht zu übersehen.
"Reine Neugier. Grüß Peter von mir."
Jetzt grinste er wieder mit seinem gewohnten Charme, doch die Situation blieb mir im Kopf hängen. Diana und Peter scheinen irgendetwas zu verheimlichen und Neal's Reaktion zu urteilen, möchte er brennend wissen worum es geht.
"Ah ja..na dann, viel Glück mit den Zahlen."
Sie lächelte ein letztes mal höflich und verschwand dann durch die große Glastür.
Neal folgte ihr mit einem nachdenkenden Blick, bis sie in den Fahrstuhl stieg und die Türen zugingen. Als er sich wieder gefasst hatte, schaute er zu mir und erst dann bemerkte ich dass ich ihn durchgehend beobachtet hatte. Beschämt senkte ich meinen Kopf und schaute auf alles nur nicht ihn. Doch Neal schien immer noch mit Peter und Diana beschäftigt zu sein denn er ignorierte das Geschehen und druckte die Bilder aus.
"Was wird das?"
Er nahm sich einen Aktenhefter und legte die Bilder rein. Dann stand er auf und reichte mir die Akte.
"Ich muss noch etwas erledigen, versuch bitte rauszufinden was es mit den römischen Zahlen auf sich hat."
Perplex nahm ich die Akte an und beobachtete wie er ansetzte zu gehen. Augenblicklich fand ich meine Sprache und mein Denkvermögen wieder.
"Neal warte! Was ist mit heute Abend."
Er blieb stehen und überlegte kurz.
"Sei um 17 Uhr bei mir. Die Adresse kennst du ja."
Ein leichtes Schmunzeln entwich seinen Lippen, ehe er das Büro verließ.

Con (Neal Caffrey)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt