40. Neonschnecke

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Prustend und spuckend zog sich Nhol an der rissigen Betonkante hoch und brach auf dem stinkenden, schmierigen Boden zusammen. Halsur stand bereits aufrecht und war damit beschäftigt, mit einer Lupe eine an der Wand entlangkriechende Leuchtschnecke zu begutachten.

„Ah, da sind Sie ja, Herr Ukrot. Willkommen in der Kloake von Kantorros C. Hier unten gibt es einige sehr interessante Arten von der Gliszuboüwü Bneo Olphaktillus Mortus.“ Der Professor deutete auf die leuchtende Schnecke. „Das bedeutet soviel wie 'Tod der Nasenzellen.'“

Eine Brise wehte durch den düsteren Tunnel und trug etwas von dem Geruch des kleinen, schleimigen Tiers in Nhols Richtung. Der Pilot wurde grün im Gesicht.

„Das... glaube ich Ihnen... aufs Wort!“ keuchte er. „Halsur, sind Sie so nett und erinnern Sie mich an etwas?“

„An was denn?“

„Sie das nächste mal zu fragen worum es sich handelt, bevor ich mich in eines ihrer grandiosen Verstecke rette? Sie scheinen nämlich immer fast schlimmer als die Dinge, vor denen wir uns verstecken müssen.“

„Übertreiben Sie nicht. Immerhin sind Sie noch am Leben.“

Nhol wedelte mit der Hand und deutete auf die leere Düsternis um sie herum. „Und wo sind alle anderen? Die Arbeiter? Und wo ist die Maschine?“

Halsur deutete auf den Abwasserkanal direkt neben ihnen, auf dem ein paar traurige, einsame Arbeitermützen schwammen. „In gewisser Weise den Abfluss hinuntergespült. Aber regen Sie sich nicht auf, es gibt hier einige fantastische Schneckenarten zu studieren.“

„Wie mich das freut.“

„Und wenn Ihnen das an Gesellschaft nicht genug sein sollte, ist immer noch unser Journalistenfreund da.“

„Wer?“

„Achtung, bitte lächeln...“

Es blitzte. Yeppi kam hinter einer Ecke hervor und grinste.

„Zum Glück ist meine Kamera wasserdicht. Wenn ich diese Sache überlebe, dann bin ich ein gemachter Mann. Photos von den Leuten die das Universum retten sollen und stattdessen in der Kanalisation nach leuchtenden Schnecken suchen. Das ist der Hammer!“

Nhol knurrte. „Du wirst diese Sache nicht überleben, wenn du nichts sofort die Kamera rausrückst, junger Mann!“ Er packte den Journalisten am Kragen und begann ihn zu schütteln.

„H-hier b-bitte.“

„Sehr vernünftig.“

Nhol nahm die Kamera entgegen und setzte Yeppi wieder ab. Der junge Journalist zog sich einige Meter zurück, und fügte dann hinzu: „Den Speicherchip mit den Fotos habe ich sowieso schon herausgenommen.“

Nhol sprang nach vorn. „Rück den Chip raus oder ich...“

(<>..<>)

Etwas weiter stromabwärts – obwohl man sich in diesem Fall besser keine Gedanken machen sollte, was da so alles vor sich hin strömte – kletterte die Wüstenlarve wieder auf ihr den Computerchip hinauf, den sie für sich und ihre Brut als neues Heim erwählt hatte. War scheinbar leider doch nicht so ruhig hier, wie sie gehofft hatte. Mit diesen ständigen Erschütterungen und dem unvorhergesehen Bad in dreckigem Wasser hatte sie heute noch nicht einmal 300 Eier gelegt! Doch so einfach ließ sich eine Gliszuboüwü Bneoriuwdi Tethla Halsuris nicht entmutigen. Sie hatte hier mit dem Ablegen ihrer Eier begonnen, und hier würde sie auch bleiben, komme was wolle!

(<>..<>)

Erschöpft kroch Cido auf die Insel aus Klärschlamm, die sich mitten in dem Abwasserfluss gebildet hatte. Nur wenige Meter von ihm entfernt lag die Maschine und glänzte matt im Licht, das weit oben durch einen Gullydeckel fiel.

„Dürfte ich fragen, was du hier zu suchen hast?“

Verwundert drehte Cido den Kopf. Vor ihm stand ein kleiner, verschrumpelter Mann mit einem Schlapphut, in dessen Krempe sich Wasser gesammelt hatte.

„Wer sind Sie?“

Der Mann steckte einen seiner langen, von grünlichem Schimmel überzogenen Finger in die Nase und bohrte hingebungsvoll.

„Das könnte ich dich fragen, Jungchen. Immerhin bist du ungefragt auf meiner Insel aufgetaucht.“

„Mein Name ist Cido. Wir müssen das Universum retten und sind auf der Flucht!“

„Ach tatsächlich? Das ist die dämlichste Ausrede, die ich jemals gehört habe. Aber du kannst bleiben, wenn du willst. Wahrscheinlich wirst du sowieso bald von einem der Viecher die sich hier rumtreiben gefressen.“

„Tiere? Was für Tiere leben denn hier unten?“

Der Vagabund zuckte mit den Schultern. „Schnecken, hauptsächlich. Aber es gibt auch ziemlich gefährliche Sachen. Ich möchte nicht in der Haut der anderen paar Leute stecken, die an meiner Insel vorbeigetrieben sind. Aber ehrlich gesagt, ist dein Auftauchen mir nicht unwillkommen. Das Ding, was da mit dir angeschwemmt wurde, sieht genau nach dem aus, was ich gesucht haben. Daraus kann man sicher eine große Regenwassertonne machen! Wo ist die Eisenstange...“

„Halt!“

Schützend stellte sich Cido vor die Maschine.

„Das dürfen Sie nicht anrühren! Das ist die Maschine, mit der wir das Universum retten müssen.“

„Behauptest du das etwa immer noch? Schön, soll mir recht sein.“

Der alte Mann legte die Brechstange beiseite.

„Du kannst trotzdem bleiben. Es ist nett, wenn man jemanden hat, mit dem man sich unterhalten kann. Halsur kommt hier leider nicht mehr allzu oft vorbei.“

Cido runzelte die Stirn.

„Halsur? Sie meinen nicht zufällig... Professor Surchlha Halsur, oder?“

Erstaunt hob der Greis den Kopf.

„Ja, wieso? Kennst du ihn etwa?“

„Er gehört zu der Gruppe, mit der ich unterwegs bin! Er war es, der uns in dieses Dreckloch geschmissen hat!“

„Warte einen Moment.“

Der Mann holte etwas aus seinem Ärmel hervor, ein krazendes Geräusch ertönte, und kurz darauf erhellte die Flamme einer Kerze die Kloakeninsel.

Aufmerksam wanderten die Augen des Alten über Cidos unschuldiges, junges Gesicht, seine neue, wenn auch schmutzige Kleidung, alles an ihm. Offensichtlich gelangte er langsam zu dem Schluss, dass er es hier doch nicht mit einem Wahnsinnigen oder Kleinkriminellen zu tun hatte. Dann blies er die Kerze wider aus, und die Dunkelheit kehrte zurück, weit undurchdringlicher als zuvor.

„Ist er jetzt hier unten irgendwo, Jungchen? Halsur?“

„Ja. Wahrscheinlich irgendwo weiter stromaufwärts. Irgendwann habe ich ihn aus den Augen verloren.“

„Nun, er hat so viel für mich getan, da kann es nicht schaden, wenn ich mich ein wenig revanchiere. Warte einen Moment, ich hole mein Boot.“

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