Der gestrige Abend hatte mir echt gut getan, und auch wenn ich besser gelaunt ins Bett ging, konnte ich die Nacht wieder nicht wirklich schlafen. Zu viel ging in meinem Kopf rum, was mich wach hielt. Ich erinnerte mich immer und immer wieder an Liams Worte, welche mir auch wirklich Kraft gaben, aber dann rutschten die Worte meines Vaters dazwischen und machten das vorherige zu nichte.
Ich stellte mir Szenarien in meinem Kopf vor, in denen er mich fand und und meinem Bruder und mir wehtat. Kyle war zwischendurch auch dabei, was mich wirklich verunsicherte. Ich meine, Kyle hatte nichts wirklich damit zu tun, aber er lag mir inzwischen schon ziemlich am Herzen. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn ihnen etwas meinetwegen geschah.
Trostlos schleppte ich mich in die Küche und machte mir etwas zu Essen und einen Kakao. Zum Glück war Wochenende, also musste ich nicht zur Schule und konnte den neugierigen Fragen zu meinen Augenringen aus dem Weg gehen. Es war ja nur nett gemeint, aber davon hatte ich hier schon genug.
Kyle betrat die Küche und schien mit sich zu hadern, ob er jetzt etwas sagte oder nicht. Er holte einmal Luft, drehte sich dann aber weg und tat so als wäre nichts. Ich konnte mir ein schmunzeln nicht verkneifen. Der große böse Junge hatte Angst mit dem kleinen Mädchen zu reden.
"Guten Morgen" entschied ich dann die Stille zu brechen. "Ähm.. morgen" gab er dann etwas verlegen zurück. Ich schmunzelte noch mal und stellte mich dann neben ihn. "Du darfst ruhig mit mir reden" ließ ich ihn mit einem Grinsen wissen. Erst dann sah er mich richtig an und musterte mich einen Augenblick.
"Du siehst Scheiße aus" sagte er dann und ich zog belustigt meine Augenbrauen hoch. "Also nicht hässlich! Nur halt.. ähm.. man sieht halt das du ähm.. naja also.. das es dir nicht so gut geht, wegen... naja also...ich ähm... das war" versuchte er sich rauszureden, wurde aber durch mein schallendes Lachen unterbrochen. "Ist schon gut. Ich weiß doch was du meinst" sagte ich, immer noch lachend.
Verlegen kratzte er sich im Nacken, was einfach nur unglaublich sexy aussah, in der Kombination mit den verwuschelten Haaren und seinem drei-Tage-Bart. Warte was?! Sexy?! Ich meinte gut... Also in Ordnug... Gerade so.. Jetzt war ich diejenige die verlegen war und biss mir leicht auf die Unterlippe. Sein Grinsen, was für kurze Zeit durch meine Verlegenheit aufgetaucht war, verschwand und er sah gebannt auf meine Lippen. Ich löste meine Zähne von meiner Lippe und sah in seine Augen, welche immer noch dort hafteten, wo sie schon vor einigen Sekunden lagen.
Langsam blickte er wieder auf und sah mir jetzt auch in die Augen. Wir verweilten einige Zeit so, bis wir durch ein räuspern aufgeschreckt wurden. "Ist weg" sagte er und es dauerte eine Sekunde, bis ich schnallte, dass er uns gerade den Arsch gerettet hatte. "Ähm ja danke" sagte ich und setzte mich an den Tisch. Chris sah uns noch mal kurz verwirrt an, machte sich dann aber auch Frühstück.
Chris musste heute arbeiten. Heißt, Kyle und ich waren alleine... Nachdem mein Bruder verschwunden war, kuschelte ich mich im Wohnzimmer auf die Couch, dicht gefolgt von Kyle. Wahrscheinlich hatte er Angst ich würde mich direkt wieder in mein Zimmer verkriechen, wenn er mich alleine ließ. "Sollen wir einen Film gucken?" fragte Kyle nach einer Weile. Ich nickte und er suchte irgendeine Komödie raus, welche wir sicher schon 100 mal geschaut hatte. Der Film war nicht gerade förderlich für meine Müdigkeit, weshalb ich nach den ersten 10 Minuten schon eingeschlafen war.
Als ich das nächste mal meine Augen öffnete, lag ich angekuschelt an Kyle und war warm zugedeckt. Ich blinzelte noch ein paar mal, um wieder richtig wach zu werden und sah mich dann um. Der Ferseher war ausgeschaltet und Kyle spielte mit seinem Handy. Da er bemerkt hatte, dass ich wach war, legte er sein Handy weg und sah mich liebevoll an. "Gut geschlafen?" fragte er lächelnd. Ich nickte zaghaft uns löste mich dann von ihm. "Wie lange war ich weg?" fragte ich neugierig und rieb mir durch die Augen. "Knapp 2 Stunden" sagte er neutral, was mich jedoch meine Augen weiten ließ.
"Du hast mich 2 Stunden auf deiner Schulter ertragen? Das war doch bestimmt unbequem, und nervig. Gott ich hab nicht gesabbert, oder?" fragte ich geschockt und merkte dann erst was ich gerade gesagt hatte. "Nein hast du nicht" sagte er lachend. "Und ich habe dich sehr gerne auf meiner Schulter ertragen" fügte er lächelnd hinzu, was mich leicht rot werden ließ. "Ich ähm.. muss Milo noch anrufen" sagte ich, als ich mich wieder erinnerte das ich einen Freund hatte. Seine Augen verzogen sich schlagartig zu Schlitzen und seine Hände ballten sich zu Fäusten.
Ohne noch etwas dazu zu sagen, lief ich in mein Zimmer und platzierte mich erstmal auf meinem Bett. Vorsichtig nahm ich mein Handy in die Hand, noch nicht ahnend, was ich Milo überhapt sagen wollte. "Hey Süße" kam es aus dem Hörer und als ich den Klang seiner Stimme hörte, wusste ich das es das richtige war, ihn anzurufen. "Hey" gab ich schüchtern zurück. "Wie geht's dir?" fragte er mich. "Ähm ganz gut, denke ich" "Naja das ist schon mal besser als letzte Woche. Rufst du wegen was bestimmten an?" "Ähm nein, ich wollte nur mal mit dir reden" "Okey. Das passt nur leider gerade nicht so, Süße. Ich hab noch einen dringenden Termin. Aber wir sehen uns ja Montag, okay? " "Okay, bis Montag" sagte ich noch uns schon hatte er aufgelegt. Jetzt war ich mir doch nicht mehr so sicher darüber, ob es das richtige war ihn anzurufen. Er hatte zwar gesagt er müsste weg, aber ich hatte das Gefühl als wollte er mich einfach nur abwimmeln.
Mein Blick schweifte traurig zu Boden und verweilte dort eine Weile. Ein leises Klopfen riss mich aus den Gedanken und ließ mich wieder auf schauen. "Ja?" brachte ich leise raus und zwang mir ein lächeln auf. "Hey ich wollte fragen.. oh nein, was hat er gemacht?" fragte er, am Ende wütend. "N-nichts" gab ich zurück, was sich aber nicht sehr überzeugend angehört hatte. "Hailey, bitte tu dir das nicht an. Tu dir IHN nicht an. Du verdienst so viel besseres" stieß er seufzend von sich und setzte sich neben mich aufs Bett. "Er ist das beste für mich" sagte ich, beinahe flüsternd. "Das ist er nicht!" kam es wütend von Kyle. "Ach und wer dann? Wer würde so ein Wrack wie mich denn nehmen?" fragte ich ihn lauter und den Tränen nahe. "I.." fing er an, schluckte den letzten Teil aber runter. Er schien sich kurz wieder fassen müssen, bevor er weiter sprach. "Jeder Typ, der dich nicht wollen würde, wäre ein Vollidiot" sprach er dann so leise, dass ich es fast nicht verstand und mit dem Kopf nach unten gerichtet.
Seine Worte schossen mir augenblicklich Röte ins Gesicht und ich gesellte mich zu seinen Blicken auf meinen, überaus interessanten, Fußboden. Wir beide schwiegen und sahen schön weiter nach unten. Kyle sah auf und keine Sekunde später, spürte ich seinen Blick auf mir. Zögernd sah ich auch auf und sah in seine sonst so hellen Augen, die jetzt schon dunkelblau wirkten. "Kyle, ich..." fing ich an, wurde aber durch seinen nächsten Satz wieder unterbrochen. "Schon gut. Ich weiß ja das du ihn magst. Ich möchte nur nicht das du verletzt wirst." sagte er. "Das wurdest du schon zu oft" hängte er noch leise hinten dran und sah mich mitfühlend an. Ich lächelte ihn dankbar an und nahm ihn seitlich in den Arm. meine Arme schling ich um seinen Bauch und meinen Kopf lehnte ich auf seiner Schulter ab. Er legte seinen Kopf sanft auf meinen und legte seinen Arm von hinten um mich.
Ich wagte es nicht noch etwas zu sagen und versuchte einfach den Moment zu genießen. Kyle dachte vermutlich das gleiche, denn niemand von uns brachte auch nur einen Ton raus. Irgendwann trennten wir uns dann doch wieder und Klye ging schweigend in sein Zimmer. Ich war ihm dankbar dafür, denn ich hatte jetzt einiges zum nachdenken.
Wenigstens hatte es dieses Problem tatsächlich geschafft das andere, wenn auch nur für einen kurzen Moment, aus meinen Gedanken zu verbannen.
Nachdem ich mich endlich bettfertig gemacht hatte, kuschelte ich mich unter meine flauschige Decke und konnte erstaunlicherweise, nach gar nicht allzu langer Zeit, meine Augen schließen und einschlafen.
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Der beste Freund meines Bruders <3
Teen FictionDie 17-jährige Hailey lebt zusammen mit ihrem gewalttätigen Alkoholiker Vater. Ihre Mutter verließ sie und ihren älteren Bruder Chris, als die beiden noch sehr klein waren. Chris, der auch geschlagen wurde und deshalb in eine eigene Wohnung weiter w...