Dampf ablassen

965 44 3
                                    

Kapitel 2 Alex:

„Ich fasse es nicht! Diese elenden Aristokraten Ärsche! Nicht einmal schlecht fühlten sie sich wegen meinem besten Freund, für dessen Tod SIE verantwortlich sind.

Mich nennen sie Abschaum, aber sie selber sind besser als Gott höchstpersönlich oder wie?“

Mein Kopf schwirrte schon von den ganzen Bezeichnungen für dieses arrogante Pack, aber nicht einen Gedanken sprach ich laut aus. So bemerkte auch niemand, was in mir vorging. Ich ließ lieber mit meinen Ich-hasse-euch-alle-und-dich-ganz-besonders-Blick jedweden Konversationsversuch im Keim ersticken. Nicht, dass das überhaupt jemand versuchte. Schon die Neuen kriegen das hier beigebracht: das ist der Mischling! Er ist unnatürlich, geradezu widerlich, seine Eltern kamen aus unterschiedlichen Kasten. Ignorier ihn, aber leg dich nicht mit ihm an! 

Zum Glück musste ich es eh nie allzu lange mit diesen eingebildeten Leuten aushalten, da ich sowieso immer auf Suche geschickt wurde. Auf der Suche nach Leuten, die genauso sind wie wir - oder besser gesagt wie Sie.

„Johnson, was machst du hier? Vergessen, dass du einen Auftrag hast oder was? Der Direktor wollte mir ja nicht glauben als ich ihn vor Mischlingen gewarnt habe!“, die nervige Stimme von Nathaniel, dem Stufensprecher, riss mich aus meinen theatralischen Gedanken. Ich war bereits fast an ihm vorüber gegangen, weswegen ich mich jetzt entscheiden musste ihn zu ignorieren oder mich umzudrehen und zu kontern. Ich entschied mich für Wahlmöglichkeit drei: meinen ganzen Frust an einen Opfer auszulassen. Während ich stehen blieb, bemerkte ich schon wie Nathaniels Atmung beschleunigte und als meine Hand sich plötzlich nur noch Zentimeter vor seiner Kehle befand, stockte sie. Bis da hatte mich mein gesunder Übernatürlichen-Verstand wieder eingeholt und ich gestand mir ein, dass er meine Aufmerksamkeit und Energie gar nicht verdiente. Abrupt drehte ich mich um und rannte … immer weiter oder zumindest so weit, bis ich meine heißgeliebte, rabenschwarze Corvette Stingray erreichte, eine alte C3, eine der ersten, bei der der Schriftzug ohne Leerzeichen geschrieben worden war, und die ich als „Tarnung“ nutzte, während ich so tat als wäre ich ein normaler Jugendlicher, der neu auf eine High School kam. Normal, weil die meisten Übernatürlichen sich nicht einmal ihrer eigenen Außergewöhnlichkeit bewusst waren, und High School, weil die meisten Fähigkeiten sich erst während der Pubertät oder bei großen Stress entwickelten. 

Mit 435 PS brauste ich nun also Richtung Stormigton, einem ruhiger gelegenen Städtchen nur 197 Kilometer von unserem Internat entfernt. Wenn ich das Auto nicht für den Schein fahren müsste, wäre ich am liebsten gelaufen. Ein bisschen Dampf ablassen. 

Wahrscheinlich würde es eh wie immer ablaufen: ein Haufen notgeiler Provinztussen, die auf mich abfahren, der Haufen beliebter Jungs, die entweder neidisch waren oder den großen Macker markieren mussten und eigentlich überall zu finden sind, und die paar für die ich bis in alle Ewigkeit die wahre Liebe sein werde. Hach, was war ich nur für ein schlechter Mensch … aber wen kümmert's ich war keiner.

Lost HierarchyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt