Ein wunderschöner Abend für eine wunderschöne Lady

402 30 8
                                    

Kapitel 20 Alex:

Samstag. 20.20 Uhr. Ich klingelte an Rileys Tür- mittlerweile war mir der Name meines Dates wieder eingefallen- und zog meinen Hemdkragen zurecht. Kurz darauf öffnete sie "Du hast also rausgefunden, wo ich wohne", war ihre wohlbemerkt relativ nüchterne Begrüßung, auch wenn ihre Körperhaltung konträr zu dieser Gelassenheit stand.

"Einen wunderschönen Abend, meine Liebe. Es tut mir wirklich aufrichtig leid, aber ich habe mich verfahren." Ich versuchte zerknirscht zu gucken. "Darf ich die hübsche Lady dennoch ausführen?" fragte ich dann mit einem leichten Grinsen und deutete auf das Auto hinter mir. Bis jetzt hatte noch kein einziges weibliches Wesen diesem suspekten Verziehen meines Mundes widerstehen können. Ich sah, wie auch sie lächeln musste und war außerordentlich zufrieden mit mir selber.

"Apropos Ausführen: ich hoffe, du hast nichts gegen ein Wettrennen?" Riley legte verwirrt den Kopf schief und ich zuckte die Schultern und deutete ans Ende der Straße. Sie musste ja nicht wissen, dass ich schon seit 20 Minuten die Straße strategisch abging, um irgendwo ihren nun halbwegs bekannten Nachnamen zu lesen, den ich in meinem Team erfragt hatte. Das Wettrennen würde mich locker erscheinen lassen und es mir auch leichter machen, Riley auf übernatürliche Schnelligkeit zu testen.
Ihr darauf folgendes Lachen ließ mich verwirrt zurück.

Es war voller Freude, als sie mir ihre Tasche entgegenwarf und bereits losstürmte. Das ließ ich mir natürlich nicht bieten und machte mich ebenfalls auf den Weg zu meinem Baby. Sie war schnell, aber ich hatte eindeutig mehr Kraft in den Beinen. Auffällig war, dass sie genau wie ich nicht schneller atmete, was schonmal entweder für Übernatürlichkeit oder extreme Sportlichkeit sprach und noch konnte ich keines ausschließen. Es galt zu schauen, was der Abend ergab.

Ich öffnete ihr die Tür des Wagens, um sie einsteigen zu lassen, was sie mit einem leicht verwirrten "Danke" quittierte und stieg dann selber ein. Sie sollte noch mehr verwirrt werden, denn auch, wenn ich es nicht häufig zeigte, Manieren hatte ich gelernt. "Also, was möchtest du gerne unternehmen?" Fiepfiep zögerte kurz und antwortete dann mit einer Gegenfrage: "Was hattest du dir denn so vorgestellt?" Diese Frage kam mir gelegen, denn so konnte ich mir den besten Ort aussuchen, wo ich sie auf ihre Übernatürlichkeit hin testen konnte, ohne dass es all zu merkwürdig war. "Naja, kannst du bowlen?" Inzwischen war ich schon einmal losgefahren und hatte mich auf der Hauptstraße in den Verkehr eingefädelt. Sie antwortete etwas relativ Uneindeutiges und ich nahm es als ein euphorisches "Ja." Also schlug ich die Richtung zum Bowlingcenter ein und aktivierte das Radio, damit die kurzen Stillphasen zwischen unseren Smalltalks nicht unangenehm für sie waren. Dort angekommen parkte ich perfekt ein, ging lässig ums Auto herum und hielt ihr die Tür offen. Klar, ich spielte den Gentleman, weil darauf einfach alle Mädchen standen, aber irgendwie machte es mir auch Spaß. Drinnen übernahm ich das Reden und bestellte für uns beide eine Bahn. Als wir dann von der älteren Dame hinterm Tresen nach unseren Schuhgrößen gefragt wurden erlaubte ich mir sie ein wenig auf zu ziehen. "Was, Schuhgröße 36? So große Füße hast du?" Sie verdrehte zuerst die Augen, doch dann schenkte sie mir ein belustigtes Lächeln, was bedeutete, dass ich diese Masche wohl weiter verfolgen konnte, denn ihr gefiel anscheinend diese Art von Humor. Ich musste irgendwie die Stimmung auflockern, sie wirkte einfach noch viel zu nervös und verkrampft. Daher nutzte ich die Gelegenheit, als sie auf einem der Hocker neben dem Tresen Platz genommen hatte, um die Schuhe zu wechseln, und klaute ihr einen der Bowling Schuhe. "Ach komm schon, jetzt wirklich?", fragte sie genervt, jedoch meinte sie es nicht wirklich ernst, was ich an ihrem zuckenden Mundwinkel erkannte. "Warte doch erst einmal ab, du weißt ja noch gar nicht was ich machen möchte", verteidigte ich mein Handeln. "Doch du willst mir den Schuh klauen." "Nein, das habe ich bereits getan." Daraufhin konnte sie sich ihr Lachen nicht mehr verkneifen und es ließ sie gar nicht mehr so unscheinbar sein. Es rang mir ein kleines Lächeln ab.
Unter ihrem zugleich erwartungsvollem und skeptischen Blick, kniete ich mich neben sie auf den Boden und streifte ihr von dort aus den Schuh über den Fuß.

Ich bin nicht romantisch, bin es nie gewesen. Musste ich ja auch nie sein, denn wer fand mich bitte nicht von Anfang an geil - ok, Carter zählte nicht, aber wäre er ein Mädchen, hätte er bestimmt schon lange darum gebettelt, dass ich meine Zeit mit ihm verbringe.

Aber heute hatte ich Lust romantisch zu sein, es machte Spaß ... ich hatte Spaß. Vielleicht lag es an der Sonnenkonstellation oder an den Sternen, die heute mein Horoskop bestimmten, oder an dem Mäuschen, das mich begleitete. Ich sah also wieder auf und musste feststellen, dass meine Begleitung ... schon zu unserer Bowlingbahn gegangen war. Und ich kniete hier noch immer wie ein Vollidiot nach einem Milchbad! Das war gar nicht geil.

Riley stand da und suchte sich ihre Kugel. Meine Vermutung diesbezüglich erwies sich als richtig, denn sie wählte natürlich eine Tussi-Kugel. Eine der leichtesten und pink. Das erinnerte mich daran, weswegen ich hier war. Überprüfen, ob hinter der arroganten Tussi vielleicht eine Kämpferin steckte. Aber trotz des Wettrennens ließ mich diese Wahl daran zweifeln, dass sie eine von uns sein könnte. Aber na gut, wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

"Hey, Riles, nimm dir lieber eine richtige Kugel. Mit dem Ding triffst du doch keinen einzigen Pin." Sie verdrehte die Augen und scheiterte bei dem Versuch ein Schmunzeln zu unterdrücken.  "Nein, wirklich. Fang!" Ich warf ihr die nächste Kugel zu, die ich packen konnte. Das war der Punkt, der meinen tollen, romantischen Abend ruinierte, den Abend, an dem ich seit langen endlich ungezwungen hatte lachen können. Denn Riley fing die Kugel ... nicht. Die Überprüfung ihrer Reflexe, die fast jeder Übernatürliche hatte, um sich zu verteidigen, schlug definitiv fehl. Fehlschlag war ja gar kein Ausdruck für diesen Scheiß, den ich angerichtet hatte, denn Rileys Gesicht war schmerzverzerrt. "Argh, du !" jammerte sie und da spürte ich ihn auch, Schmerz, der durch den Fuß in den ganzen Körper schoss. Das war der Beweis: Sie war eine von uns.
"Mein dritter Mittelfußknochen ist gebrochen.", stieß sie durch zusammengepressten Zähne hervor.

Mein Denken setzte aus.

Sie musste ins Krankenhaus. Röntgen. Sterilisierte Bandagen anlegen. Carter informieren.

Spontan nahm ich sie auf meine Arme und trug sie trotz ihres Protestes zu meinem Auto. Zum GLück hatte ich die Bahn schon am Anfang bezahlt, denn das hätte mich jetzt zwar nicht abgehalten, wäre aber im Nachhinein ziemlich lästig geworden. Anklagen ziehen sich immer so in die Länge, bevor sie fallen gelassen werden.







Lost HierarchyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt