Fang den Ball - Das war mein Rücken, du Idiot

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Kapitel 10 Alex:

Langsam aber sicher etablierte ich mich in meiner Mannschaft als zuverlässiger Spieler - egal, ob als Runningback, Receiver oder in der Defense. Nach jedem Training stand mir der Schweiß auf der Stirn, weil es zum einen auffallen würde, wenn ich immer komplett fit aus den zweistündigen Einheiten herauskäme, und andererseits, da es mich wirkich Anstrengung kostete immer nur so gut zu sein wie der total durchschnittliche Spieler und meine Kraft und Schnelligkeit deshalb zurück zu halten. Was nicht hieß, dass ich jemals absichtlich verlor. Bei direkten Herausforderungen konnte ich nicht anders als sie anzunehmen und mich bis zu den letzten Metern vorm Ziel zurückzuhalten, um erst dann immer mehr Geschwindigkeit aufzunehmen. Dies konnte ich durch meine inzwischen jahrelange Übung schon so geschickt tarnen, dass mir jeder abkaufte meine letzten Kraftreserven mobilisiert zu haben. 

Mathe war nach wie vor trotz intolerantem Lehrpersonal mein Lichtblick jeder Woche. Klare Formeln, klare Schemata und trotzdem genug Spielraum, um für eine Aufgabe die unterschiedlichsten (natürlich passenden) Lösungswege zu nutzen. Leider lernte ich nicht allzu viel Neues. Das meiste hatte ich einfach schon zu oft in den verschiedenen Schulen durchgekaut.Der Kurs war relativ klein, ca. 17 Personen teilten mit mir ein tägliches, mathematisches Vergnügen. Darunter sogar ein paar Jungs, welche ich vom Training kannte. Das kleine Graumäuschen saß auch in eben diesen Kurs, beteiligte sich jedoch nicht sehr aktiv im Unterricht, obwohl sie die Antworten meistens zu kennen schien. So was konnte ich ja leiden - alles wissen, sich aber zu fein sein, um die Erniedrigung der Mitteilung auf sich zu  nehmen. Dieses Verhalten erinnerte mich immer an das Internat und den Umgang, den meine Mitschüler und manchmal sogar Lehrer mit mir dort pflegten.  Ich schütttelte meinen Kopf. Im Moment wollte ich mich auf etwas Anderes konzentrieren: meinen Job. 

Voller Elan kam ich zu meinem alltäglichen Training und alle sahen mir erfreut über meine Ankunft strahlend entgegen - nicht. In Wirklichkeit hatte ich keinen Bock auf den aufgeblasenen Anführer und seine "Jünger" mit ihren Cheerleaderanhang. Obwohl so wie sie mich ansahen, könnten wir eine Menge Spaß haben. Neein, nicht so wie man denken könnte mit - nennen wir das Kind beim Namen- Sex, sondern mit ihrer Zuneigung, die mir zuteil würde und damit nicht mehr für die Sportleridioten reserviert sein würde.

Auf dem Feld angekommen, begannen wir mit dem anfänglichen Dehnen und machten dann ein paar Pässe über das Spielfeld. Mein sehnlichst erwartetes Intensiv-Lauftraining (schließlich war heute Montag und der Coach liebte es uns nach einem spielfreien Wochenende über die Bahn zu schleifen) fiel leider aus, weil irgendeine Leichtathletik-/Turnengruppe UNSERE Laufbahn bekommen hatte. "Es ist ja nur dieses eine Mal" und "Sie sind auch einmal dran" konnten meine schlechte Laune nicht abwenden, denn es war schließlich unsere, ureigene Bahn, auf der nichts und niemand anderes seine ekelhaften Schwabbelbeine zu einer kleineren Wurstform trainieren sollte. Sie waren Turnerinnen und sollten gefälligst in ihrer dummen, doofen TURNhalle bleiben. Beim Laufen konnte man nunmal am besten potenzielle Übernatürliche aus der minderwertigen Menschenschicht herausfiltern und das konnte ich nun heute nicht in die Tat umsetzten . Mein Blick wanderte widerwilig über meine Bahn und ich sah sie.

Sie, die mich um meinen Auftritt gebracht hatte, die mich abgelenkt werden und unaufmerksam in einen Fluss hat laufen lassen. Sie, die sich zu fein für ordentliche Beteiligung in der Schule war und nun meine Bahn besetzte. Ich wusste nicht warum, aber sie war überall für meine Fehlschläge verantwortlich und deshalb, wegen der Kontrollverluste, die ich erlitten hatte, würde ich sie bluten lassen. Naja, ich würde sie natürlich nicht ernsthaft verletzen, nur, wenn sie weiterhin meine Pläne unwissentlich oder  auch nur durch ihre Anwesenheit durchkreuzte. Sie müsste sich ja nicht mal verletzen, sondern nur durch etwas genug eingeschüchtert werden, um die Schule zu wechseln. É voila - das Problem würde beseitigt sein.

Abrupt riss mich eine Aufforderung zum Aufpassen aus meinen Gedanken und ich wendete mich dem Sprechenden zu, was ein fataler Fehler war, da auf diese Weise der Fehlwurf meines Gegenübers mit voller Wucht meine Wirbelsäule traf. Der Schmerz breitete sich langsam wie klebriger Honig in meinem Körper aus. Vorhanden, aber nicht weiter eingeschränkt, ignorierte ich diesen und beteuerte, dass es mir gut ginge. Wie heißt es so schön: Schmerz ist Schwäche, die den Körper verletzt und ich, Alex Miller, war nicht schwach. Nur die Auswahl meines Nachnamens war so kreativ wie sonst nur Einhörner auf Crystal Meth. Aber mal ehrlich Fiep-Fiep brachte mich auch in dumme Situationen, wenn ich über ihre Beseitigung nachdachte. Also Plan B: Ignorieren. Leider gelang mir das einfach nicht. Immer, wenn ich sie sah, musste ich an den Aston Martin DBS V12 denken, mit dem sie von der Schule abgeholt worden war, und meine Wut auf die Oberklasse, die sich für etwas Besseres hielt, kam wieder auf.

Oh Mann, vielleicht sollte ich mir mal Urlaub nehmen, wenn ein kleines Mädchen mich aus der Bahn bringen konnte und ich meine ganze Unzufriedenheit auf sie projektierte. Pfft, wer das glaubt, braucht Urlaub, aber mir konnte man mit einer gesunden Mütze Schlaf helfen, denn im Gegensatz zu der vorigen Annahme, konnte ich sie einfach nicht leiden. Das hat doch jeder mal, man kann manche Menschen einfach nicht riechen - unterbewusste Wahrnehmung von Hormonen oder Pheromonen oder so etwas in der Art. Dann war sie halt diejenige, die ich in meinem Leben nur hassen konnte. Ok, gut. Plan B muss leider abgelehnt werden. 

Um mich nicht noch weiter in den endlosen Weiten meiner Ablehnung zu verlieren, sammelte ich meine Gedanken wieder ein und konzentrierte mich voll und ganz auf das Training. Diesmal gab ich mir nicht allzu große Mühe meine ganze Kraft zurückzuhalten und es tat gut sie nicht komplett unterdrücken zu müssen. Das Erstaunliche war, dass es nicht mal so sehr auffiel, da das kleine graue Mäuschen anscheinend eine echte Sportskanone war, wenn man ihrer Zeit für die Bahn Glauben schenkte. Hätte ich zwar nicht gedacht, aber jeder ist in etwas gut und ihre Zeit war für einen Menschen echt respektabel. Vielleicht sollte ich doch dankbar sein, dass sie an dieser Schule war und gute sportliche Leistungen daher, auch im Laufbereich, nicht zu stark auffielen, denn der Rest der Footballmannschaft hatte sein montägliches Training bitter nötig.

An diesem Abend kam ich zu einem vorläufigen Ergebnis: ich würde sie nie mögen und sie im Unterricht wahrscheinlich immer verachten, aber ich konnte ihre sportliche Leistung respektieren und als Tarnung nutzen, sodass ich mich ihrer Existenz zumindest etwas Positives abgewinnen konnte. Mit diesem inneren Kompromiss konnte ich getrost auf das Zählen von Säbelzahntigern verzichten, welche ich anstatt der Schafe auserkoren hatte mich in den Schlaf zu leiten.

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