Und dann kamst du ...

683 42 11
                                    

Kapitel 16: Alex

Der nächste Morgen empfing mich mit denselben Gedanken, mit denen mich der Abend verabschiedet hatte. Warum wurde ich immer langsamer? Lag es vielleicht daran, dass meine Eltern aus verschiedenen Kasten kamen? Dann könnte der jetzige Zustand durch ein gegenseitiges Ausschalten der Fähigkeiten zustande gekommen sein.

Oder hatte mich irgendein dummer Oberster beobachtet und mit irgendeiner noch geheimgehaltenen Gabe alles blockiert, um mich scheitern zu sehen? Zuzutrauen wäre es ihnen!

Nun das würde mich jetzt eh zu keinem Ergebnis führen. Diese ganzen Vermutungen, die niemand belegen oder widerlegen konnte, regten mich auf. Das schlimmste war, dass die Menschen diesbezüglich noch besser waren als ich. Ich meine sie hatten ganze Zeitschriften, die nur aus Gerüchten bestanden, welche teilweise sogar das Leben von den betroffenen Individuen vollkommen zerstörten. Das war doch krank.

Super, Alex, du wirst immer besser im Ablenken von deinen eigenen Gedanken. Warte mal, sagen das grade meine Gedanken? Wie können meine Gedanken in Gedanken über mein Denken sprechen/denken? Okay das war jetzt eine Metaebene zu hoch für mich.

Ich schüttelte meinen Kopf und stand auf, um mich physisch und psychisch auf die Schule vorzubereiten. Das Physische bestand aus Zähneputzen. Ich ging zu meiner Kleiderschublade und zog wahllos eine Jeans und ein Shirt heraus. Um Kleidung machte ich mir nie Gedanken, dafür waren sie mir zu wertvoll und, seien wir ehrlich, ich sah einfach immer geil aus. Mental sah das alles ganz anders aus, denn ich hatte schlichtweg keinen Bock. Das war doch immer dasselbe und wofür? Ich tat das alles doch nur, damit die Obersten weiter ihre dumme Hierarchie durch weitere Heilerinnen und Heiler beziehungsweise Krieger erhalten konnten. Generell war das die einzige Möglichkeit, mit der das System funktionieren konnte, da es keine unbedingte Vererbung dieser Sache gab und auch ein konsequenter Frauenmangel vorherrschte. Kommt halt davon, wenn sich herausstellt, dass es aus irgendeinem Grund, der ganz geheim ist und vor allen verborgen wird - jaja, schon klar, diese Wichtigtuer -, keine Kriegerinnen und weibliche Oberste geben kann. Ätsch!

Inzwischen hatte ich schon meinen Autoschlüssel in der Hand und schwang mich in mein Baby. Der Weg zur Schule war mir inzwischen schon so vertraut wie einem Gummibären Thomas Gottschalk. Aus diesem Grunde war es auch nicht überraschend, dass ich mir selbst erst in der Mathestunde wieder bewusst wurde. und es fiel mir auf einmal wie Schuppen bei einem Head & Schulders Werbespot im Vorher - Nachher - Vergleich von den Augen: Ich saß hier im Matheunterricht, meinem Lieblingsfach, ich war gesund, draußen war ein herrlicher Herbstanfang zu sehen und hey, bisher war mein "Job" reiner Urlaub gewesen, die Mädchen waren zwar genauso nervig wie immer, aber das war ja nur ein weiterer Beweis dafür, dass ich unglaublich toll war. Insgesamt fiel es mir wie Schuppen von den Augen, dasss ich glücklich sein konnte und zwar hier und jetzt.

Ich sah mich in dem Kurs um und mein kleines Fiep - Fiep hatte anscheinend etwas ähnliches gedacht, da sie immer lauter die nur allzu bekannte "here comes the sun" - da da da da - Melodie summte. Verwirrt stupste ich sie an. Ich war inzwischen nicht mehr der Einzige, der verwirrt, aber mit einem Lächeln zu ihr sah. Als ich sie berührte schlug sie sofort ihre Augen auf und ihr schockierter Blick sagte mir, dass sie vergessen hatte, wo sie sich befand.

Ihr Problem!

Ich wendete mich mit neuem Elan der Aufgabe an der Tafel zu, stand in der allgemeinen Verwirrung auf, schrieb die Lösung dorthin und verließ den Raum. Es konnte mir am Anus vorbeigehen, ob ich hier meinen Abschluss schaffte oder nicht. Die nervige Stimme meines Lehrers blendete ich einfach aus.Ich hatte Lust etwas Produktives zu tun. Naja, zumindestens hatte ich Lust mich zu bewegen. Den Wagen ließ ich stehen und machte mich zu Fuß auf den Weg zu See, wo ich vorhatte meinen schon vollendeten Delfinschwimmstil zu perfektionieren.
Das Wasser war schweinekalt, aber so hart wie ich war, ließ ich mich davon nicht ins Bockshorn jagen.
Naja okay zumindestens nicht komplett. Das H2O (l) ( liquides Dihydrogenoxid) kühlte meinen Geist und die ungezügelte Bewegung war eine Wohltat, sodass ich wie ein Delfin durch das Wasser pflügte.

So hätte es sein können, aber die traurige Wahrheit besagte, dass Übernatürliche leider nicht immun gegenüber äußeren EInflüssen waren. Sprich: Meine Kronjuwelen froren beinahe ab und ich beeilte mich meinen Mindestvorsatz von 5 Runden schnell zu erreichen. Auch wenn die Bewegung irgendwann genug Wärme erzeugt hatte, um mich wärmer zu halten oder nicht bei jeder Bewegung frieren zu lassen, war ich froh endlich wieder nach Hause zu kommen. Von meinen Haaren tropfte mir noch immer Wasser ins Gesicht, als ich an einem (mir, wie ich später bemerkte, fremden) Auto vorbei und in das Haus hineinging, wo ich prompt in jemanden hineinstolperte.

Meine Gesichtszüge wollten entgleisen, doch ich hatte sie soweit unter Kontrolle, dass sie sich zu einer ausdruckslosen Maske verhärteten. Wie konnte man es wagen einfach meinen Rückzugsort zu betreten. Wie konnte ausgerechnet diese Person es wagen sich hier blicken zu lassen! "Wo kommst du her", ertönte da auch schon ihre verhasste Stimme. Innerlich ging ich die möglichen Foltermethoden durch und überlegte, wie viele ich zum Einsatz bringen konnte, damit sie einen langsamen Tod erlitt. Sie verdiente keinen schnellen Tod und manchmal dachte ich darüber nach, ihn komplett am Leben zu lassen und immer wieder neue Methoden auszuprobieren, denn der Tod, der Tod wäre nur eine Erlösung, wenn ich erst einmal begonnen hätte. "Aus der Schule", lautete meine Antwort. Kurz und kanpp, informativ aber distanziert qohne unverschämt zu sein.

Ich hasste die Obersten. Das jetzt ausgerechnet einer von ihnen bei mir vorbei schaute, war eindeutig nicht in meiner Tagesplanung vorgesehen und sorgte dafür, dass ich definitiv keinen Smiley an meiner heutigen Stimmungsskala ankreuzen würde.

"Da war ich bereits, also nochmal: Wo kommst du her? Diesmal bitte die Wahrheit, Bastard!" Ich biss die Zähne zusammen. So oft wie das in ihrer Gegenwart passierte, würde ich bestimmt schon im frühen Alter eine Zahnprotese benötigen.

"Ich war schwimmen du -" Ich verstummte.

"Ist ja auch egal. Ich bin eh nur hier um deine Fortschritte zu sehen. Also gibt es hier Jugendliche, die möglicherweise Übernatürliche sind? Nach einem halben Jahr erwarten wir schon einen gewissen Erfolg!"

"Ich bin da an was dran, werde die Tests in den nächsten Wochen durchführen, aber für die Ergebnisse werden sich die verehrten Obersten noch ein bisschen gedulden müssen", blöffte ich und blickte starr geradeaus. Wie - verdammte Scheiße nochmal - sollte ich erklären dass mein Zorn auf ein kleines Mädchen mich von meinem Job ablenkte. Erleichterung erfasste mich, als Carter weitersprach ohne etwas zu ahnen.

"In Ordnung, aber sei dir bewusst, dass wir deine Erfolge erwarten werden." Und dann besaß dieser unverschämte Haufen Arroganz die Frechheit sich ohne ein weiteres Wort umzudrehen und wegzufahren. Danke, war schön dich mal wieder zu sehen, du Wichser.

Carter, eine polarisierende Person, die man nur lieben konnte ... oder hassen. Gott sei Dank war er wieder weg ohne viele Fragen zu stellen, denn ansonsten hätte er das Haus vielleicht nicht mehr so gut gelaunt verlassen.

Lost HierarchyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt