Kapitel 3

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Routiniert stellte ich die Bestellung auf mein Tablett und richtete alles sorgfältig her. Das Colaglas bekam eine Zitronenscheibe zur Zierde und auf das Rührei streute ich ein wenig Petersilie, bevor ich mich gekonnt mit dem Tablett durch den Laden zu unserem ersten Gast schlängelte. Der ältere Herr mit schütterem weißen Haar bedachte mich mit einem verschmitzten Lächeln, welches ich ehrlich erwiderte und widmete sich anschließend mit einem genussvollen aufstöhnen seinem Rührei zu. "Hmmmm", brummte er,"das ist wie immer köstlich hier."
Ich nickte zustimmend und zog mich unauffällig zurück in Richtung Küche, als die Eingangstüren des kleinen Caffees "Kaffeeklatsch" aufgestoßen wurden und ein neuer Gast den kleinen aber sauberen und gemütlichen Raum betrat.
Ich warf nur einen kurzen Blick auf den Neuankömmling und realisierte, dass er ziemlich gut aussah, bevor ich in der Küche verschwand und kurz wartete, damit der junge Mann sich setzen konnte.
Der war schon echt süß.
Nach einem kurzen Blick auf die Uhr stieß ich mich von der Arbeitsplatte ab, bewaffnete mich mit Kugelschreiber und Block und machte mich auf den Weg.

"Hallo, willkommen bei "Kaffeeklatsch" was darfs sein?", fragte ich mit freundlicher Stimme und musterte den Mann von oben, der seinen Kopf gesenkt hielt und die Menukarte eingehend studierte. Nervös wischte ich mir die leicht feuchten Handinnenflächen an meiner Schürze ab und öffnete den Kugelschreiber.
Bei meinen Worten hob der Mann den Kopf und sah mich an und mir verschlug es die Sprache. Von wegen süß. Und von wegen ziemlich gut. Er war das genaue Gegenteil von süß und "ziemlich gut" war definitiv untertrieben, mit seinen markanten und männlichen Gesichtszügen und den klaren, forschenden Augen wirkte er eher wie jemand, dem die Frauen haufenweise zu Füßen lagen und um seine Aufmerksamkeit bettelten.
Reiß dich zusammen, Luce!
"Hallo", sprach mein Gegenüber mich mit seiner tiefen Bariton-Stimme an und die feinen Härchen in meinem Nacken richteten sich auf. "Ich bin Ashton", fuhr er fort und schenkte mir ein umwerfendes und selbstbewusstes Lächeln. Da weiß aber jemand genau, was für eine Wirkung er auf Frauen hat, dachte ich mit leichtem Unbehagen und betrachtete ihn genauer, während ich: "Mein Name ist Lucinda, was kann ich für sie tun?" antwortete.
Irgendwie kam er mir bekannt vor. Und als er mich erneut mit seinen blauen Augen ansah kam mir die Erkenntnis. Der Typ aus meinem Traum! Er sieht ihm ähnlich! Ich sah, wie sich seine Lippen bewegten und fühlte mich exakt in meinen Traum zurückversetzt. Nur dass ich dieses mal nicht die Kopfhörer aufhatte, sondern durch meine aufgepeitschten Gefühle seine Stimme nicht vernahm. Ich blinzelte kurz und fragte dann mit dem Versuch eines Lächelns: "Entschuldigung, was haben Sie gesagt?" "Ich hätte gerne die Nummer 11, ihre Nummer und ein Bier, wenn sie dahaben. Das wärs fürs erste."
Ich nickte geschäftig und wandte mich um. Warte mal, wie war das gerade? Und meine Nummer? Hatte ich das richtig verstanden, oder hatte mein Verstand mir da einen Streich gespielt? Wer war denn so dreist und fragte sowas in einer solchen Situation und sah dabei auch noch so unbekümmert und entspannt aus?
Langsam setzte ich mich in Bewegung und ging mit eiligen Schritten auf die Küche zu, versuchte es nicht wie eine Flucht aussehen zu lassen, denn ich spürte seinen lodernden Blick in meinem Rücken. Das war sicherlich Einbildung. Ganz sicher.

Die Zeit wollte einfach nicht vergehen. Nachdem ich Ashton seine Bestellung gebracht hatte, ohne ihn dabei anzusehen und kurz darauf wieder in der Küche verschwunden war, um die anderen Gäste zu bedienen, stand ich mittlerweile mit vor der Brust verschränkten Armen an die Arbeitsplatte gelehnt und starrte die Uhr an, als würde die Zeit dadurch schneller vergehen.
Er war immer noch da. Als Einziger. Alle anderen Gäste waren bereits gegangen und er hockte noch immer dort und nippte seelenruhig an seinem Bier, während er auf etwas zu warten schien. Oder auf jemanden. Jemanden wie dich.
Leg endlich das Geld hin und hau ab.
Mit einem genervten aufseufzen wandte ich mich von seinem Anblick ab und begann wütend das Geschirr abzuspülen, welches sich neben dem Waschbecken auftürmte. "Was hat das Geschirr dir denn getan, Luce?", hörte ich plötzlich jemanden in meinem Rücken sagen und drehte mich ertappt um. Sam, mein Chef und gleichzeitig Koch des kleinen Caffees stand schmunzelnd vor mir und deutete auf den Berg hinter mir. "Kann ich dir helfen? Und gibt es einen Grund für deine Herzlosigkeit?" Ich seufzte. Ich würde meinem Chef ganz bestimmt nicht erzählen, dass ich mich hier verkroch und mich nicht um unseren letzten Gast kümmerte. Und als hätte Sam meine Gedanken gelesen deutete er durch das Küchenfenster auf Ashton. "Sei bitte so gut und bediene den Gast, ja? Danach kannst du Schluss machen."
Immerhin.
Ich las mein Selbstbewusstsein vom Boden auf und ging auf Ashton zu, bemüht mein "ich-bin-die-freundliche-Kellnerin" Lächeln aufrecht zu halten.
Als hätte er mich gehört, und dabei war ich extra leise gegangen, sah Ashton auf und strich sich mit der Hand übers Kinn, während er seinen Blick bewusst über meinen Körper wandern ließ. Wie unangenehm.
Mit erröteten Wangen blieb ich schließlich vor ihm stehen und wollte gerade nach dem Befinden fragen, als Ashton auch schon den Rest seines Biers mit einem Schluck leerte, aufstand und mir für einen kurzen Augenblick unglaublich nahe war, sodass ich seinen unbeschreiblich gut riechenden Duft in die Nase bekam und meine Knie weich wurden. Ach du scheiße Luce, reiß dich zusammen verdammt!
"Danke. Hier", er drückte mir einen Schein in die Hand und bei der kleinen Berührung kribbelten meine Finger. "Passt so", schnurrte er und ging an mir vorbei zum Ausgang, den er kurz darauf passierte. Und ich stand da wie festgewachsen, unfähig die Situation zu verarbeiten. Was war das denn jetzt?
"Was war das denn?", sprach Sam hinter mir meine Gedanken aus und sah mich verwirrt an. "Keine Ahnung, anscheinend musste er schnell gehen", murmelte ich abgelenkt und biss mir auf die Lippe.
Meine Nummer wollte er wohl doch nicht mehr. "Naja, zumindest hat er gut gezahlt, kannst dich über das Trinkgeld freuen", grummelte Sam und verschwand wieder in der Küche, aus der nach kurzer Zeit das Klirren von Geschirr erklang. Nachdenklich nahm ich mir die Schürze ab, öffnete meinen Pferdeschwanz und schlüpfte in meine Jeansjacke, bevor ich "Tschüss, Sam" rief und das Caffee verließ. Das mit den Ähnlichkeiten musste ich mir eingebildet haben. Und selbst wenn nicht, bedeutete das ja noch lange nichts.

Dunkles VerlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt