Kapitel 14

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Ich saß in einem großen Esssaal, und aß die Pampe, die vor mir auf dem Teller lag nur langsam, schluckte reflexartig und trank etwas.
Ich wurde aus der ganzen Situation nicht schlau.
Was machten wir hier? Was war unsere Bestimmung?
Unterschwellige Angst brodelte seit meiner Ankunft tief in mir, doch bisher waren die Menschen, die zum Personal gehörten, überaus freundlich zu mir und den anderen gewesen.

Niemand sprach über irgendetwas, alle aßen schweigend und sahen nicht von ihren Tellern auf.
Bisher hatte ich noch mit keinem außer Danny gesprochen und die Absurdität meiner Lage wurde mir immer mehr bewusst.
Eigentlich sollte ich heute zur Uni gehen und im Café arbeiten, stattdessen werde ich mit anderen Menschen aus irgendeinem Grund hier festgehalten und dauerhaft beaufsichtigt.

Missmutig sah ich von meinem Tellerrand auf und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen, als ich einen stechenden Blick von der Seite verspürte.
Mein Blick glitt über die Männer in den Anzügen, die immer anwesend waren und uns beobachteten.
Ein Mann starrte mich besonders intensiv an, und als ich ihn erkannte, wurde ich beinahe ohnmächtig und leichenblass.

Bitte sag mir nicht, dass er etwas mit Jordans Tod zu tun hat.
Tränen der Wut traten mir in die Augen und ich sprang auf, was mir die volle Aufmerksamkeit im Saal einbrachte.
Ashton kam lässig aber angespannt auf mich zu und nickte mir zu.
"Guten Morgen, Lucinda."
Seine Augen waren dunkel, und Augenschatten ließen ihn älter und erschöpfter aussehen.
"Du Mistkerl", fauchte ich und hätte ihn am liebsten vor allen Anwesenden geschlagen, so sauer und enttäuscht war ich darüber, ihn hier anzutreffen.
Er hat mich entführt.
Er hat Jordan umgebracht.

Ashton sah mich streng und völlig emotionslos an und packte mich am Oberarm.
"Nicht hier", raunte er und zerrte mich mit sich.
Als wir den Ausgang passierten und er mich nach draußen in eine beeindruckende Parkanlage führte, wurde sein Griff sanfter und auch seine Haltung entspannte sich merklich.
"Was soll der Scheiß, Ashton?", fauchte ich und riss mich von ihm los. Dabei spürte ich einen Stich an meinem Unterarm und verwundert zog ich mein Oberteil am Arm etwas nach oben, als ich einen kleinen runden Chip entdeckte, der knapp unter meiner Haut saß und unangenehm pochte.
Mein Blick wanderte fassungslos von dem Chip zu Ashton und schon holte ich mit aller Kraft aus und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht.
Seine Wange brannte feuerrot, doch er schien es gar nicht zu bemerken, seine Augen glühten vor unterdrückter Wut.
"Lucinda", knurrte er dunkel und kam näher.
"Nein, nichts Lucinda! Was soll das hier alles? Was passiert mit mir und den anderen? Wieso bin ich gechippt verdammt noch mal? Wehe du sagst mir jetzt nicht die komplette Wahrheit, sonst bringe ich dich und deine abartige Sekte um, das schwöre ich dir", brüllte ich außer mir.

Meine Brust hob sich vor Erregung unregelmäßig und mein Oberteil spannte an der Brust, was Ashton mit einem dunklen Blick quittierte.
Immer noch wütend grub ich mir ohne Vorwarnung meine spitzen Fingernägel in den Unterarm, und riss den Chip aus meiner Haut, warf ihn zu Boden.
Dunkles Blut quoll aus der kleinen Wunde.
Jordan...
Tränen stiegen mir in die Augen, doch ich blinzelte sie schnell weg und presste meine Hand auf die Verletzung, die ich kaum spürte.

Ashton sah mich mit finsterem Blick an und griff nach meinem Arm. "Zeig mal", befahl er doch ich wich zurück.
"Du willst also alles wissen, ja? Glaub mir, machmal ist es besser nicht zu wissen, vor wem man Angst haben muss",knurrte er daraufhin und leckte sich über die Lippen.
Ich nickte und schwieg, hatte die Arme vor der Brust verschränkt.
Er betrachtete mich nachdenklich und strich mir dann eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich aus meinem Zopf gelöst hatte.
"Welcher Feiertag ist morgen?"
Überrumpelt sah ich ihn an.
Was wird das denn jetzt?
Wir haben Mai, ist überhaupt ein Feiertag in diesem Monat?
Ashton schien mein Schweigen Antwort genug zu sein, denn er fuhr fort.
"Totensonntag."
Achja.
"Ja und? Ist das ein Geheimwort für etwas?" Ich hatte gerade echt keine Lust auf Rätselraten.
Er sah mich genervt an und knurrte:
"Hör mir jetzt einfach zu, und unterbrich mich nicht mehr."
Ja Mr. Unfreundlich
"Heute Abend ist eine Zeremonie, bei der du anwesend sein musst. Wir haben in den letzten Jahren zu wenige Seelen gefunden, viel weniger als sonst.
Ihr seid so selten geworden", murmelte er und strich mir mit dem Daumen über die Wange, dass mir der Atem stockte.
Seele? Wovon schwafelt er da?

"Du wirst heute Abend dabei sein, aber dir wird nichts geschehen, keine Angst. Vertrau mir."
Seine blauen Augen bohrten sich erneut in meine und er legte besitzergreifend seine Hand in meinen Nacken, um mich näher an sich heran zu ziehen.
"Du gehörst mir, Lucinda. Dir wird nichts geschehen."
Langsam beugte er sich zu mir herab und legte seine Lippen erst sanft, dann fordernder auf meine und begann mich zu küssen, sodass ich alles um mich herum vergaß.
Mir wurde unerträglich heiß und unsere Zungen vollführten einen erotischen Tanz, der tief in mir das Verlangen auslöste und mich dazu brachte, mich an ihn zu pressen, um ihn zu spüren.

Mit einem rauen Stöhnen drückte Ashton mich noch näher an sich und strich über meinen Rücken, während er mich noch intensiver küsste.

Ich fühlte mich wie im siebten Himmel - doch urplötzlich unterbrach Ashton den Kuss und brachte Abstand zwischen uns, hielt mich sogar an den Schultern fest, damit ich mich ihm nicht wieder nähern konnte.
Da stand ich nun schweratmend, mit angeschwollenen Lippen und glänzenden Augen vor ihm und er wies mich erneut zurück.
Ich war viel zu perplex, um zu reagieren, und so ließ ich es zu, dass Ashton wieder zu Mr. Unfreundlich wurde und mich kühl zurück in den Saal führte, wo er mich an meinem Tisch einfach stehen ließ, ohne mich noch eines weiteren Blickes zu würdigen.
Dieses Arschloch! Den lasse ich nie wieder an mich ran, schwor ich mir und stieß das mittlerweile kalte Essen von mir weg.
Mein gekränkter Stolz pochte unangenehm in meiner Brust und ich wartete sehnsüchtig darauf, den Raum endlich verlassen zu können, um seinen intensiven Blicken, die ich erneut auf mir spürte, zu entkommen und um in Ruhe über das nachzudenken, was er mir gerade gesagt hatte.
Auch wenn das nicht besonders aufschlussreich gewesen war.

Totensonntag. Der Tag, der den Toten als Andenken gewidmet ist.

Dunkles VerlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt