Kapitel 12

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Flügel. Ashton hat riesige Schwingen auf seinem Rücken. Genau wie Kyle.

Unfähig eins und eins zusammen zu zählen, rannte ich beinahe auf den Hintereingang zu und verließ das Fest, ohne mich verabschiedet zu haben.
Mit zittrigen Fingern wählte ich die Nummer eines Taxiunternehmens und nannte die Adresse von Jordan.

Ich musste meinen besten Freund einfach sehen, um mir alles von der Seele reden.
Maja kam dafür nicht infrage, so angetrunken wie sie vorhin schon war.

Während der Fahrer sich auf den Weg machte und ich mich in die weichen Ledersitze sinken ließ, arbeitete mein Kopf auf Hochtouren.
Die beiden verbindet etwas. Genau das gleiche Motiv - das kann kein Zufall gewesen sein.
Eine Bande? Oh Gott, vielleicht Drogendealer?

Meine Vorstellungen wurden immer abstruser und als ich bei Jordan's Haus angekommen war, war ich mir sicher, dass Ashton ein krimineller Geheimagent unter dem Deckmantel eines Polizisten war.

Fahrig klingelte ich an seiner Haustür und ließ meinen Blick über die Straße schweifen, während ich auf Jordan wartete.
Dabei fiel mir ein weißer Transporter auf, der auf der anderen Straßenseite parkte und aus dem mich ein rauchender Mann beobachtete. Jedenfalls glaubte ich, dass er mich ansah, denn sicher war ich mir auf diese Entfernung nicht.

Mit einem leisen Klicken öffnete sich die Tür und Jordan sah mich verwundert an.
"Was machst du denn hier?" Jordans Stimme war etwas heiser und er fuhr sich einmal durch die zerzausten Haare.
Ohoh ich habe ihn geweckt.
Kein Wunder wenn du um 2 Uhr morgens bei ihm auftauchst.

Verlegen betrachtete ich meine Füße und kam mir plötzlich total dumm vor.
Was sollte ich denn erzählen?
Ja, ich wollte dir nur davon berichten, dass ich voll auf einen Polizisten abfahre, der allerdings komische kriminelle Machenschaften hegt und mich einerseits flachlegen will und andererseits eine Kollegin warmhält.
Gute Idee!

"Luce? Möchtest du reinkommen?"
Er klang verwirrt und besorgt.
Ich schüttelte den Kopf und seufzte.
"Können wir ein Stück gehen?"
"Bitte", fügte ich hinzu als Jordan einen zweifelnden Blick auf seine Uhr warf.
"Klar, Moment."
Er verschwand kurz im Inneren und tauchte dann in Hut und Mantel wieder vor mir auf.
Grinsend betrachtete ich seine Pyjamahose, die er sich in die Schuhe gestopft hatte.
"Neuer Trend? Muss an mir vorbei gegangen sein."
"Sehr lustig, Morgan. Was liegt dir auf dem Herzen, was nicht auch noch bis morgen warten konnte?" Seine Stimme war so sanft und gutmütig, und es tat so gut einfach nur in seiner Nähe zu sein.
Er hatte etwas unglaublich beruhigendes an sich.

"Also jetzt kommt mir das Problem gar nicht mehr so schlimm vor", begann ich stammelnd und sah auf, als Scheinwerfer uns blendeten.
Plötzlich hörte ich, wie Reifen aufquietschten und dann ging alles so schnell.

Ich wurde zur Seite gestoßen, landete unsanft auf dem Boden und hörte ein lautes Krachen. Mein Blickfeld wurde immer wieder schwarz und meine Ohren schienen wie in Watte gepackt zu sein.
Meine Knie und Handflächen schmerzten unangenehm, als ich mich aufrappelte und langsam, wie in Zeitlupe, umdrehte.

Da lag jemand, in einer Blutlache um den Kopf herum.
So verrenkt, so unnatürlich. Der Transporter stand direkt vor ihm, auf der Motorhaube war Blut.
Ich wankte näher und starrte der grotesken Person ins leblose Gesicht.
Jordan. Vor mir lag Jordan. Jordan!
JORDAN.
Die Zeitlupenblase platzte und ich sah alles wieder klar und deutlich. Zu deutlich.
Schluchzend warf ich mich neben Jordan auf den Asphalt und strich ihm über das Gesicht.
Er ist nicht tot. Er kann nicht tot sein.
Der Boden war glitschig von seinem Blut. Ich blickte ihm in die Augen. Sein rechtes Brillenglas war zerbrochen und an seiner Schläfe war eine tiefe Platzwunde, aus der unaufhörlich Blut rann.
Dieser Moment kam mir vor wie Stunden, dauerte in Wirklichkeit nur wenige Sekunden.
Er reagiert nicht.
Das Rauschen in meinen Ohren wurde lauter, zu einem Tosen wie von fallenden Wassermassen.
Betäubt vor Schmerz saß ich einfach nur da, und konnte keinen klaren Gedanken fassen geschweige denn meinen Körper bewegen.
Dieser bewegte sich auf einmal ganz von alleine von Jordan weg, ich sah Hände an meinen Oberarmen doch spürte sie nicht. Die Hände zogen mich in den Transporter und schlossen die Tür.
Dunkelheit umfing mich.
Jordan.

Dunkles VerlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt