Die depressiven Phasen wurden wieder stärker und ich habe mich diesmal einer Freundin aus dem Zumbakurs anvertraut. Ich nenne sie mal Andrea. Andrea ist nicht in meinem Alter. Sie könnte vom Alter her meine Mutter sein. Trotzdem verstehe ich mich sehr gut mit ihr. Sie ist so eine Art "Zumba-Mama".
Andrea ging es in letzter Zeit ziemlich schlecht. Durch dem Tod ihrer Mutter bekam sie Depressionen. Sie führt ambulant Gespräche mit einem Psychologen um darüber zu sprechen und sie bekommt Antidepressiva.Andrea sagte mir in letzter Zeit öfter, dass man mir ansieht, dass es mir nicht gut gehe. Ich habe versucht, das mit einem Lächeln zu überspielen. Bei so ziemlich allen Menschen klappt das. Sie glauben mir den Satz "Ich bin nur müde." oder "Ich habe zu kurz geschlafen." Sie glauben, mir gehe es gut.
Doch Andrea ist nicht wie die meisten Menschen. Sie hat gute Menschenkenntnis und kann ein echtes Lächeln von einem unechten unterscheiden. Sie merkt, dass ich nicht mehr so wie früher lächele, dass sich mein Lächeln verändert hat.Lia hat mir schon oft vorgeschlagen, dass ich mal mit Andrea über die Dinge, die mich belasten, reden sollte.
Ich habe mich nie so wirklich getraut, aber Lia hat gute Überzeugungsarbeit geleistet, dass ich irgendwann doch mit Andrea geredet habe.
Wir haben uns vor dem Zumba in einem Bäckercafé verabredet. Es saßen ein paar Leute in der Nähe, deswegen musste ich leise reden. Ich habe Andrea erzählt, dass ich eine Essstörung habe und meine depressiven Phasen in letzter Zeit sehr häufig sind. Sie meinte dann sofort zu mir: "Du hast Bulimie!"
Ehrlich gesagt, hatte ich keine Ahnung, wie man meinen jetzigen Zustand der Essstörung bezeichnen sollte: "Bulimie-Non Purging Typ" (nicht erbrechen, aber Fressanfälle und diese versuchen auszugleichen) oder "Binge-Eating Disorder" (nur Fressanfälle)
Ich habe Andrea geantwortet, dass ich einen Untertyp von Bulimie hätte, bei dem man nicht erbricht. Andrea hat viel von ihrer eigenen Geschichte erzählt, dass sie eigentlich schon ihr ganzes Leben lang Probleme mit dem Essen hat. Das hat mich irgendwie geschockt, denn das wären mindestens 30 Jahre, je nachdem, wann genau die Probleme angefangen haben. Es war interessant ihrer Erfahrungen zu hören und auch, dass sie meinte, dass sie bei mir schon so etwas vermutet hätte.Sie hat mir dann ihre Hausärztin empfohlen, bei der ich den nächsten Tagen einen Termin ausgemacht habe, mit dem Ziel, ihr die Essstörung und die depressiven Phasen zu offenbaren. Außerdem wollte ich mich bei ihr nochmal konkret über einen stationären Klinikaufenthalt informieren, in der Hoffnung, sie könnte mir mehr Auskunft geben, als die Frau von der Beratungsstelle.
Am Donnerstag, den 4.5.17 hatte ich um 8:00Uhr meinen Termin bei der Ärztin Frau Dr. D. Sie hatte nur vormittags Termine, weswegen ich später zu meinem FSJ kommen musste. Ich war schon etwas früher dran und habe an der Praxis geklingelt, allerdings hat niemand aufgemacht. Vielleicht hatte ich ja den Termin verwechselt und er ist vielleicht an einem anderen Tag?!
3 Minuten vor meinem Termin kam dann eine ziemlich nett aussehende Frau, die etwas kräftig war, an die Tür und hat sie aufgeschlossen. Ich dachte, es wäre vielleicht eine Arzthelferin. Ein Mann, die Frau und ich, sind mit dem Aufzug nach oben in die Praxis gefahren. Dort wurden wir von zwei Damen an der Anmeldung freundlich empfangen :)Ich bin fast direkt dran gekommen. Die von mir vermutete Arzthelferin, die unten aufgeschlossen hatte, war dann Frau D., die Ärztin.
Als ich dran kam, hab ich ihr erzählt, dass ich Probleme mit dem Essen habe und immer wieder depressive Phasen, und ich mich deswegen wegen einer Klinik informieren möchte. Sie sah doch etwas überrumpelt aus, dass ich ihr gleich alles erzähle. Sie hat mir dann noch ein paar Fragen gestellt, um die Situation genauer verstehen zu können und mir dann gesagt, dass die auch einen stationären Aufenthalt befürworten würde.
Sie hat mir die psychosomatische Klinik ein paar Orte weiter empfohlen und auch dort angerufen und mir dann gesagt, wie das ganze abläuft.Außerdem hat mir Frau D. zwei Diagnosen auf den Überweisungsschein für die Klinik aufgeschrieben. Als erstes stand F32.9: “Depressive Episode, nicht genauer definiert“ und als zweites F50.3: “Atypische Bulimie“.
Es war schon komisch, die Diagnosen jetzt so schwarz auf weiß zu haben. Irgendwie war es “befreiend“ zu wissen, was genau mit mir los ist, und dass ich mir das alles nicht einbilde. Und vor allem: Dass ich endlich ernst genommen werde!Nach dem Termin, habe ich bei der Klinik angerufen, um ein Vorgespräch zu vereinbaren. Am 17.5. habe ich dann einen Termin bekommen.
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Essstörung - Der Moment, als ich gesagt bekam, ich sei psychisch krank...
General Fiction"Was du hast ist eine Krankheit, genau wie ein Schnupfen oder eine Grippe, braucht man eine Behandlung durch einen Arzt. Man braucht also Medikamente oder eine Therapie machen, denn nur dann kannst du deine Essstörung endlich loswerden! Eine Essstör...