Die Insel war ziemlich schwer zu erkennen, da es schon lange dunkel war, doch die hellen Lichtflecken zeigten klar die Umrisse einer kleinen Insel auf. Mein Herz schlug schneller.
Sind wir endlich angekommen?
Natürlich nicht.
Also doch, schon, die Insel war offensichtlich unser Reiseziel, wie uns ein paar ältere Schüler verrieten, die neben uns standen, aber wir waren noch lange nicht angekommen. Obwohl die Insel immer näher kam, dauerte es noch eine halbe Stunde, bis das monströse Schiff in den winzigen Hafen einlief. Doch ich hatte nur Augen für die Insel.
Sie war zwar ziemlich klein, es bot sich gerade einmal Platz für ein riesiges Gebäude und ein paar Grünanlagen drum herum. Es war schwer, das Haus zu beschreiben. Ich wusste auch nicht, ob Haus die richtige Bezeichnung war. Vielleicht würde Schloss oder Burg oder Villa besser passen. Es war eine bunte Kombination aus allen Arten von Gebäuden, die ich in meinem Leben schon gesehen hatte. Es gab sowohl die spitzen Türme eines Schlosses, als auch die Konturen einer Burg. Dann gab es riesige Balkons und hohe, offene Fenster, andere waren mit Gittern versehen, wie bei einem Gefängnis. Und alles war hell erleuchtet von großen Fackeln, die auch den Weg säumten, den wir gerade langgingen.
Ich hatte nicht einmal mitbekommen, wie ich von dem Schiff runtergekommen war. Ich schenkte meine ganze Aufmerksamkeit der schönen Anlage und meinte, dass auf der Wiese, neben der der hell erleuchtete Weg entlangführte, ein Pferd wieherte.
Der Marsch entlang des sandigen Weges wurde angeführt von Ms. Lowburgh und während wir mit jedem Schritt der Schule näherkamen, fragte Mona mich, ob ich Meridiem wirklich nicht kannte.
"Oder bist du einfach nicht so der Kommunikationstyp?", hakte sie nach, als ich nicht sofort antwortete.
Es wäre ein Leichtes gewesen, jetzt einfach zu nicken und sie in dem Glauben zu lassen, dass ich wie alle anderen war. Dass ich mich auskannte. Dass ich hierhergehörte. Dass ich nicht anders war. Aber was hätte mir das gebracht? Ich hätte weitergemacht wie bisher, hätte gelogen, hätte mich verschlossen und nichts, rein gar nichts, hätte sich geändert. Und ich wollte doch so unbedingt, dass sich etwas änderte.
Also erzählte ich. Ich erzählte von meiner alten Schule, dem Waisenhaus und den anderen Kindern. Von den vielen Pflegefamilien und natürlich von Tracy. Und Mona sagte nichts. Hingegen meiner Erwartungen wurde ich nicht ausgelacht. Ich wurde nicht komisch angeschaut. Mona war eine aufmerksame Zuhörerin und ich verschwendete einen Moment an den Gedanken, dass vielleicht mehrere Menschen mir zugehört hätten, wenn ich ihnen die Möglichkeit dazu gegeben hätte.
"Cool, dass du es mir erzählt hast", Mona lächelte und es war aufrichtig und echt. "Wirklich cool"
Ich wollte noch etwas sagen, doch dann blieb ich leise. Denn jetzt standen wir vor dem großen Tor, das sich quietschend öffnete, als Ms. Lowburgh in die Hände klatschte.
Die Halle, in die sie uns führte, war zwar flächenmäßig nicht besonders groß, aber dafür unglaublich hoch. Bevor sich meine Augen an das düstere Licht hier gewöhnt hatten, habe ich gemeint, ich würde die Decke überhaupt nicht sehen.
Es dauerte nicht lange, dann war der Raum gefüllt von den wenigen Schülern der Schule und ihrem aufgeregten Tuscheln.
„Ruhe", sagte Ms. Lowburgh sanft, aber bestimmt. Ich konnte mich an keine Person erinnern, die es mit der Autorität dieser Frau aufnehmen konnte. Vielleicht sollte sie für ein paar Wochen das Heim übernehmen, selbst wenn es nur dazu diente, Tracy zu zeigen, wie man wirklich mit Kindern umgeht.
Auf Ms. Lowburghs Gesicht lag ein warmes Lächeln und sie breitete die Arme aus, als es schließlich still geworden ist.
„Herzlich Willkommen zurück in der School of Elements", sagte sie feierlich und ein paar der älteren Schüler klatschten und jubelten, als ob sie sich freuen würden, endlich wieder hier zu sein. Was ich nicht ganz nachvollziehen konnte, denn ich war kein großer Schulliebhaber und war nicht unbedingt dermaßen euphorisch, wenn ein neues Schuljahr startete. Aber andererseits wurde hier ja auch nicht Mathe unterrichtet...hoffte ich jedenfalls. Darüber hatte ich mir auch noch überhaupt keine Gedanken gemacht und jetzt war irgendwie auch nicht der passende Moment, um sich den Kopf darüber zu zerbrechen.
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School of Elements
FantasyAlice ist ein Waisenkind und hat ziemlich niedrige Erwartungen an ihr Leben. Doch an ihrem sechzehnten Geburtstag geschehen merkwürdige Dinge und bald wird ihr auch klar, warum: Sie hat eine besondere Gabe. Eine Gabe, die es ihr ermöglicht, ein Elem...