Kapitel 42 - Weg

3.1K 254 34
                                    

Ignis war schon immer eine gute Freundin gewesen. Ignis war immer da gewesen und hatte mir zugehört, genauso wie ich ihr zugehört hatte, wenn sie sich stumm bei mir beklagte. Ich hatte nie Angst vor ihrer Größe oder ihrer Macht. Ich hatte nie Angst, dass sie gefährlich für mich sein würde. Ich sah in Ignis immer nur dieses wunderschöne Wesen, das wahrscheinlich schon älter war als ich und wahrscheinlich auch noch hier leben würde, wenn ich der Welt schon lange auf Wiedersehen gesagt hatte. Ignis war ein Wesen, das jeden Respekt verdient hatte, dass aber auch Respekt vor mir hatte. Sie war dankbar und ich war ihr dankbar und Ignis Freundschaft war wohlmöglich das Wertvollste, was ich je besitzen würde. Doch ich hatte nie wirklich in Erwägung gezogen, dass sie tatsächlich böse werden konnte. Dass sie gefährlich für mich und andere werden konnte. Mr. Rattington hatte mich des Öfteren auf ihre Gewalt hingewiesen und bei meinen ausführlichen Recherchen hatte ich viel Schlimmes über Signa erfahren müssen. Aber ich hatte es nie wirklich realisiert, dass Ignis, dass meine Ignis, jemanden schaden konnte. Doch jetzt stand sie vor mir und brüllte Jayden an und aus den Tiefen ihres Rachens strömte ein heißer Feuerfluss, der mich daran erinnerte, dass Ignis mächtiger war, als alle Elemente zusammen.

Die Wärme ihres Feueratems strich über meine Wange, als ob sie mich in die Gegenwart zurückholen wollte. Als ob sie mich dafür rügen wollte, dass ich tatenlos dabei zusah, wie mein Wesen meinen Bruder vernichtete.

Und der einzige Grund, warum ich mich aus meiner Starre löste war, dass ich mir keine schlechte Note in Magische Tierwesen leisten konnte. Würde nicht eine gute Note auf dem Spiel stehen, dann würde ich mir sicherlich ein paar Marshmallows holen und sie an Jaydens brennenden Kopf rösten. Aber wenn Mr. Rattington davon erfahren würde, wäre ich wahrscheinlich nicht nur meine gute Note, sondern auch Ignis los. Und das wollte ich auf keinen Fall.

Nur wenige Sekunden waren vergangen, seitdem Jayden mein schönes, kluges Wesen so verärgert hatte und nur ein winziger Augenblick, in dem ich entschied, was ich tun musste, um den Arsch davor zu retten, dorthin zu kommen, wo er es am Meisten verdient hatte.

Aber meine Gabe war da, als hätte sie nur darauf gewartet, dass ich sie brauchte, als ob sie ganz genau wusste, dass sie jetzt dran war. Sie bäumte sich auf und schlich in meinem Unterbewusstsein herum, als ob sie nicht erwarten konnte, endlich auszubrechen und ihre Macht zu zeigen.

Und ich ließ sie.

Es kostete mich kaum Mühe, die gewaltige Wasserwand zwischen Ignis und Jayden aufzurichten und Ignis Feuer zu ersticken. Es war so einfach, als hätte ich mein ganzes Leben damit verbracht, das zu tun. Als hätte ich schon mein ganzes Leben mit dem Wasser herumexperimentiert und mein Herz wurde leicht, als mir bewusstwurde, wie gut ich inzwischen mit meiner mächtigen, gefährlichen Gabe zurechtkam.

Ignis Brüllen schien die Insel zu erschüttern, als sie vor dem Wasser zurückwich und mich mit einem gefährlich bösen Blick anstarrte. Sie brüllte, als wäre sie mir böse, dass ich ihr den Spaß verdorben hatte. Was mir ja wirklich leid tat, weil nichts machte mir mehr Freude, als Jayden leiden zu sehen.

Jedoch war mein Hass auf diesen Kerl nicht so groß, dass ich nicht sofort zu ihm rannte, als er schwankte und auf den sandigen Boden fiel.

Und sich dann nicht mehr regte.

-

Sein Kopf war mit Abstand das Schlimmste, was ich jemals gesehen hatte. Und dabei sah schon unsere Mutter schlimm aus, als wir sie vom Dach geholt hatten.

Aber Ignis hatte Jayden zerstört. Sie hatte seine Haare restlos weggebrannt, die Haut auf seinem Gesicht und Kopf warf Blasen und war scharlachrot. Es schien, als hätte sie seine Haut geschmolzen und jetzt rann sie ihm langsam an seinem Schädel hinunter.

Ich wollte um Hilfe schreien, aber aus meinem Hals kam kein Ton. Ich wollte etwas tun, doch ich konnte mich nicht bewegen. Ich konnte nichts tun. Ich stand da, vor ihm und ich konnte ihn nur anstarren und mich fragen, ob er sich wohl jemals anders verhalten hätte, wenn er gewusst hätte, dass wir dieselbe Mutter hatten. Ich fragte mich, ob er sich wohl im Klaren darüber war, welche Macht seine Worte hatten und wie sehr sie verletzen konnten.

Doch das konnte ich ihn jetzt nicht mehr fragen.

Ich war wie gelähmt. Vielleicht, weil gerade ein Teil von mir selbst gestorben war. Vielleicht, weil eben dieser Teil gerade vor mir lag und durch die verbrannten Atemwege den letzten Atemzug tat.

Meine Beine gaben nach und die Dunkelheit umschloss mich und ich hieß sie willkommen.

-

Mein Kopf pochte und meine Augenlider waren schwer, als ich sie hob. Meine Glieder schmerzten, als ich mich kurz bewegte und ich stöhnte angestrengt auf.

Ich war nicht in meinem Zimmer.

Das wusste ich schon, bevor ich die Augen öffnete. Mir stieg sofort ein alter, schimmeliger Geruch in die Nase. Ein Geruch, der so abstoßend war, dass er unmöglich zu der Insel gehören konnte, die ich jeden Tag sah, wenn ich aus dem Fenster blickte. Ein Geruch, der unmöglich zu der Vielfalt an Farben, Geräuschen und Tieren und Formen gehören konnte.

Es kam mir falsch vor in dem Moment, in dem ich den Geruch einatmete.

Als ich die Augen öffnete, dauerte es kurz, bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Die einzige Lichtquelle war so düster, dass ich auf dem ersten Blick nicht einmal ausmachen konnte, woher das dumpfe Licht kam.

Die Wände um mich herum waren aus grobem Fels geschlagen worden und Algen und Moose zogen sich über die gewölbte Steindecke, von der in unregelmäßigen Abständen Wasser tropfte. In diesem Augenblick landete ein großer Tropfen Salzwasser, wie ich sofort erkannte, neben mir auf dem Boden.

Ich richtete mich auf. Oder ich wollte es zumindest.

Mein Blick wanderte durch die Dunkelheit hinunter zu meinen gefesselten Händen. Sie waren steif vor Kälte und Nässe und ich konnte sie nur mit Mühe bewegen.

Und die Angst erreichte mich noch vor der Panik, die ich verspürte, als ich erkannte, dass ich verschleppt wurde. Entführt.

Was war passiert? Und wo war Jayden? Hatte man ihn in die Krankenstation gebracht?

Ein Schauer überlief mich, als ich daran dachte, wie er ausgesehen hatte und meine Finger zitterten noch mehr, wenn ich daran dachte, dass er möglicherweise gar nicht mehr am Leben war.

In den Gehegen war niemand mehr außer uns Beiden gewesen. Vor allem nicht in der Weiten Wüste, da Ignis das einzige Wesen in dieser Vegetationszone war. Wenn ich hier war und sich niemand anderes um Jayden gekümmert hatte...

Ich dachte den Gedanken nicht zu Ende und konzentrierte mich auf den festen Knoten, mit dem das dicke Seil um meine Handgelenke befestigt war. Aber es war unmöglich.

Derjenige, der mich hierhergebracht hatte, der wollte nicht, dass ich wieder so schnell abhaute. Oder, dass ich überhaupt von hier verschwand. 

Allein der Gedanke daran, dass mich jemand so sehr hasste, dass er es für nötig hielt, mich zu verschleppen, brachte mich so aus dem Konzept, dass ich es nicht einmal auf die Reihe bekam, mich mit meinen Fesseln aufzurichten.

Die Angst nagte an mir und ich unterdrückte die Panik nur schwer. Der höhlenartige Raum war winzig und es gab rein gar Nichts. Nur das schwache Licht, das von einem Höhlenausgang zeugte, durchbrach die nichtssagende Dunkelheit ein wenig und ermöglichte den Blick auf die schimmeligen Höhlenwände.

Ich musste hier weg.

Schnell. Bevor derjenige zurückkehrte, der mich hierher gebracht hatte. Und dann musste ich zur Schule zurückkehren. Und Jayden finden.

Wenn er denn noch am Leben war. 

***

Hey

Ich hoffe euch geht es gut. Ich bedanke mich bei euch allen für eure Kommentare und Votes! Vielen vielen Dank!

Ich hab nicht besonders viel zu sagen, tbh 

Ich hoffe, es hat euch gefallen

- newmoonanna


School of ElementsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt