Kapitel 26 - Fürchterliche Funde

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Was ich tief unter mir erblicke, war erschreckend. Ich taumelte ein paar Schritte zurück, unfähig den Blick von dem Schrecken zu lösen.

Ich schluckte, versuchte den Brechreiz zu unterdrücken. Wer um Himmels Willen würde so etwas tun? Wer hatte so etwas getan? Meine Gedanken waren durcheinander, ich konnte nicht klar denken, doch als sich der Nebel um meine Gedanken gelichtet hatte, wäre ich am liebsten weggerannt.

Wenn mich hier jemand sehen würde. Mich hier, allein. Dann würde mir niemand glauben, dass ich diese Tat nicht begangen hatte. Ich würde die erste Verdächtige sein. Und die Vernunft in mir brüllte mir zu,dass ich gefälligst hier verschwinden sollte. Das hier war ein Tatort. Ich hatte nichts damit zu tun und ich sollte hier nicht sein.Doch ich war wie angewurzelt, konnte meinen Blick nicht losreißen.Ich blieb stehen und blickte den Abgrund hinunter. Auf das Verbrechen, das auf dem schmalen, schneeweißen Sandstreifen vor dem schönen, glasklaren Meer begangen wurde. Ich musste hier weg. Niemand hatte mich hier gesehen und so sollte es auch bleiben.

„Alice"

Und mein Herz rutschte mir in die Hose.

Ich drehte mich langsam um, bereit jeder möglichen Kreatur in die Augen zu blicken, mich zu rechtfertigen.

Doch es war nur Anthony.

„Hey", sagte er leise. Ich antwortete nicht. Ich war zu sehr damit beschäftigt, darüber nachzudenken, was passieren würde, wenn er hier an den Abgrund treten würde und hinunterblicken würde. Was er denken würde. Von mir. Von der Tat.

Doch er stand noch einige Schritte weit weg von mir, am Rand des Waldes. Und das sollte auch so bleiben.

„Wie geht es dir?", fragte er und trat zu meinem Schrecken einen Stück weiter nach vorne. Weiter zu mir, weiter zum Abgrund, zum Meer, zu dem Gräuel, das sich unter mir abspielte.

Ich zuckte mit den Schultern. Was sollte das? Kaum wurde er von Mona zusammengeschissen, tauchte er hier auf und ihn juckte es auf einmal, wie es mir ging? Dass ich nicht lachte. Sollte er doch zu Cassey gehen und sie fragen. Die würde sich auf jeden Fall freuen.

„Du...", sagte er und kam näher. Ich wurde nur noch panischer. Er sah mich verständnislos an. „Geht es dir wirklich gut? Du bist ziemlich blass"

Ich nickte. „Alles okay"

„Okay", sagte erlangsam und zog das Wort in die Länge, als ob er mir nicht wirklich glauben würde. „Also ich wollte mich für mein Verhalten gestern entschuldigen"

Er sagte es leise, als ob er es wirklich ernst meinen würde. Also hatte ich doch recht. Mir wäre es lieber gewesen, er hätte sich entschuldigt,weil ihm selbst klar geworden wäre, wie behindert er sich verhalten hatte. Und nicht weil Mona ihn auf sein Benehmen hingewiesen hatte.

Also nickte ich nur.

Er sah mich aus traurigen Augen an, als hätte er gehofft, dass ich ihm euphorisch in die Arme springen würde. Würde ich nicht. Und das wüsste er auch, wenn er sich auch nur annähernd die Mühe gemacht hätte, mich kennenzulernen.

Ich trat einen Schritt auf ihn zu. Nicht aus Zuneigung. Nein. Sondern weil ich ihn unbedingt davon abhalten musste, weiter auf mich zu zukommen. Weiter zum Abgrund, zur Klippe zu kommen und somit das zu sehen, was ich erblicken musste.

Dann plötzlich, urplötzlich, wurden seine Augen riesengroß. Er sah mich so erschrocken an, als hätte ich gerade seine Mutter beleidigt und stürzte schließlich auf mich zu.

„ALICE!", schrie er.

Panik wallte in mir auf, als er – schneller als ich gedacht hätte – auf mich zukam.Ich hielt ihn zurück, weiter zum Abgrund zu laufen, indem ich ihn an den Schultern packte, als er versuchte an mir vorbei zu stürmen.

„Was tust du hier allein an einer Klippe?!"

Wirklich jetzt? Das fiel ihm erst jetzt auf?

Er wollte ganz offensichtlich an den Rand der Klippe gelangen, um den Höhenunterschied herauszufinden. Indem er hinunterblickte. Doch ich hielt ihn fest und schubste ihn zurück, bevor er sich noch etwas darauf einbilden konnte, dass ich ihn festgehalten hatte.

„Ich habe doch keine Suizidgedanken", fauchte ich ihn an und lief schnellen Schrittes an ihm vorbei, zurück in den Wald. Ich hatte keine Lust mehr auf diesen Kerl. Wirklich nicht. Zuerst war er total rücksichtslos, dann tat er so, als ob er mein persönliches Kindermädchen wäre. Nicht mit mir. Ich konnte nur hoffen, dass er mir folgte und nicht zum Abgrund lief.

„Ich habe dich gesucht", schnaufte er, als er mich endlich eingeholt hatte.

„Und scheinbar auch gefunden", sagte ich unbeeindruckt.

„Ich muss mit dir reden", sagte er und ich stöhnte auf. Ich wollte nicht reden.Nicht hier. Nicht jetzt. Über nichts. Mit niemanden. Und vor allem nicht mit Anthony.

„Nein", sagte ich also.

„Bitte"

„Nein"

„Alice...",setzte er an und ich fuhr zu ihm herum.

„Welchen Teil von Nein hast du nicht verstanden?", zischte ich.

Er seufzte.

„Ms.Lowburgh hat mir mir geredet", sagte er leise.

Aha. Daher wehte also der Wind. Ms. Lowburgh hat Anthony gesagt, dass ich anders war. Dass ich keine Ahnung hatte und dass ich mich hier nicht so gut zurechtfinden konnte, wie andere Kinder. Wahrscheinlich hat sie die ganze Geschichte auch noch mitleidig aufgezogen und für Anthony war ich jetzt die kleine, arme Alice, die keine Eltern hatte und urplötzlich in diese Welt gerutscht war. Wie verwirrt die arme Alice doch sein muss! Nein. Nein, nicht mit mir.

„Nein",wiederholte ich leise und gefährlich. „Egal was Ms. Lowburgh dir über mich erzählt hat. Ich brauche deine Hilfe nicht. Ich komme super zurecht, Anthony"

Das letzte Wort, seinen Namen, spuckte ich ihm verachtend vor die Füße und drehte mich wieder um. Ich lief schneller und schneller weg. Weg von Anthony. Weg von ihm und seinem Wissen über mich. Weg von seinem jämmerlichen Bild von mir.

Und vor allem weg von der Klippe und dem leblosen Körper, der dort unten gelegen hatte.

***

Hey!
Es ist 9:19 Uhr am Mittwochmorgen und newmoonanna lädt ein neues Kapitel hoch? Korrekt! Ich gebe es auf, zu versuchen, regelmäßig hochzuladen. Ich schaffe es ja sowieso nicht. Aber den Dienstagmorgen und Donnerstagmittag könnt ihr euch merken. Denn da habe ich Freistunden und kann die Ruhe der Oberstufenbibliothek nutzen, um zu schreiben.

Dann bleibt  mir nur noch zu sagen, dass ich so so dankbar für eure Votes und lieben Kommentare bin! Es ist der Wahnsinn und manchmal ist es an einem stressigen Tag auch das Schönste, wenn ich meine Benachrichtigungen durchschaue und lesen darf, wie sehr euch mein Buch gefällt. Vielen Dank, Leute. Ihr habt gar keine Ahnung, wie viel mir das bedeutet.

Und jetzt wünscht mir viel Spaß in Mathe :(

- newmoonanna










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