Nachdem sie sich vom Anblick Hogwarts losreißen konnten, bemerkten sie die Boote, die am Ufer bereit standen.
"Nicht mehr als vier in einem Boot", mahnte Hagrid, der ein Boot für sich alleine hatte. Ginny und Veronica kletterten natürlich gemeinsam in eins, ihnen schlossen sich ein Mädchen mit hüftlangen, schmutzigblonden Locken und ein kleiner, schmächtiger Junge mit mausgrauen Haaren, der eine Kamera fest umklammert hielt, an.
Als jeder Schüler einen Platz gefunden hatte, setzten sich die Boote, auf Hagrids Befehl hin, gleichzeitig von selbst in Bewegung und glitten nahezu lautlos über den spiegelglatten, schwarzen See.
Aufgeregt stieß Veronica Ginny in die Seite.
"Was für eine tolle Aussicht! Echt cool, dass sie uns über den See kommen lassen"
Ginny stimmte ihr grinsend zu das Mädchen in ihrem Boot verdrehte träumerisch ihre großen Augen.
"Ich habe schon so viel von Hogwarts gehört und es ist doch ein ganz besonderer Anblick", stellte sie mit einer sanften Stimme ganz entrückt fest.
Der Junge neben ihr war eifrig damit beschäftigt, Photos zu schießen.
"Ich bin übrigens Colin Creevey", stellte er sich ihnen freundlich vor und schoss zur Begrüßung gleich einmal ein Photo von den drei Mädchen.
"Ich bin Veronica Harrison. Ihr könnt mich aber Vica nennen, oder Ronnie. Wie ihr wollt"
"Mein Name ist Ginny Weasley"
"Ich bin Luna Lovegood. Es freut mich wirklich sehr, euch kennen zu lernen", stellte sich das blonde Mädchen nun ebenfalls vor und lächelte. Sie wirkte ganz anders, als alle Personen, denen Vica bisher begegnet war und trotzdem mochte sie dieses merkwürdige Mädchen auf Anhieb. Ginny schien es genauso zu ergehen.
Die Felsen am Fuß des Berges, auf dem Hogwarts stand, kamen immer näher und näher. Eigentlich hätte Veronica große Lust gehabt, sich mit ihren zukünftigen Mitschülern noch etwas zu unterhalten, aber die Gewissheit, bald in der großen Halle zu sein, drängten ihre Neugierde auf ihre zwei neuen Bekanntschaften in den Hintergrund ihrer Gedanken.
Vor den Felsen fiel ein Vorhang aus dichtem, grünen Efeu wie ein Wasserfall auf den See hinab. Veronica stellte sich schon vor, wie es wäre, durch diese nassen Ranken zu fahren, als sich der Vorhang auch schon teilte und jedes der Boote durchließ. Colin schoss gleich mehrere Photos, zu beeindruckt war er von allem.
Hinter dem Vorhang aus Efeuranken offenbarte sich ihnen ein dunkler Tunnel, den ihre Boote entlang glitten und der sie immer tiefer in die Felsen unterhalb des Schlosses hineinführte.
Nach einer Weile kamen sie an eine Art Hafen, der in dem Felsengewölbe angelegt war und ihre Boote hielten an. Mit etwas wackligen Beinen kletterten die Schüler aus ihren Booten und sammelten sich auf dem hölzernen Steg.
"Keiner ins Wasser gefallen?", fragte Hagrid noch einmal und blickte prüfend in ihre Gesichter. Sie alle schüttelten den Kopf. "Sehr schön. Mir nach!"
Hagrids Lampe leuchtete ihnen, während sie alle einem Gang folgten, der sie zurück an die Oberfläche führen würde. Colin ließ seine Kamera locker um seinen Hals baumeln, es war zu dunkel, um zu fotografieren. Ginny und Veronica hielten sich dicht beieinander und warfen sich gelegentlich aufgeregte Blicke zu, während Luna mehr neben ihnen her hüpfte, als dass sie ging. Sie hatte eine ganz eigentümliche Art des Gehens, eine Mischung aus Sprüngen und Schritten, die jedoch perfekt zu ihr passte.
Schließlich änderte sich der Weg und sie bemerkten, dass sie auf einer Wiese standen, vor ihnen das Schloss in seiner ganzen Pracht.
Jetzt begannen alle Kinder begeistert zu flüstern und ihre Schritte wurden immer beschwingter, während sie hinter dem Wildhüter gingen, der sie vor das Schlosstor führte und, nach einem schnellen Nachzählen der Schüler, dreimal fest dagegen klopfte.
Augenblicklich schwang das Tor auf und gab den Blick auf eine ältere Dame, in einem nachtblauen Umhang mit dazu passendem Spitzhut frei, die sie alle mit strengem Blick musterte. Ihre Brille und die streng zurückgebundenen schwarzen Haare verstärkten diesen ernsten Eindruck zusätzlich.
"Hier sind die Erstklässsler, Professor McGonagall", verkündete Hagrid und Professor McGonagall nickte zufrieden.
"Danke sehr, Hagrid. Ich übernehme von hier an. Gehe ruhig schon in die große Halle"
Hagrid brummte zustimmend, zwinkerte Ginny und Veronica noch einmal zu und stampfte schließlich an der Professorin vorbei.
Diese rückte geschäftig ihre Brille zurecht und zog die Torflügel noch etwas weiter auf, ehe sie sich umdrehte und über die Schulter zurückrief: "Folgen Sie mir bitte"
Sie traten in eine riesige Eingangshalle, ihre Schritte hallten dumpf in dem Gemäuer wieder, während sie sich bemühten, Professor McGonagall nachzukommen.
Ihre kleine Führung endete in einer leeren Kammer, die sich offenbar neben der Großen Halle befindet, und aufgrund des akuten Platzmangels, standen sie dicht an dicht beieinander.
Professor McGonagall stellte sich vor ihnen allen auf und klatschte einmal in die Hände, um für Ruhe zu sorgen, ehe sie eine kurze Rede hielt:
"Willkommen in Hogwarts. In wenigen Augenblicken beginnt das Bankett zur Eröffnung eines weiteren Schuljahres, Ihres ersten Schuljahres, doch bevor Sie alle daran teilnehmen können, müssen wir erst feststellen für welches unserer vier Häuser Sie geeignet sind", sagte sie und sah sie alle der Reihe nach an. "Unterschätzt die Bedeutung eures Hauses niemals. Während eures gesamten Aufenthaltes in Hogwarts gleicht es eurer Familie, ihr werdet gemeinsam schlafen, zusammen an eurem Tisch essen und die Freizeit im Gemeinschaftsraum eures Hauses verbringen. Es gibt vier Häuser, die lauten Gryffindor, Hufflepuff, Ravenclaw und Slytherin. Ein jedes von ihnen bevorzugt andere Talente und Eigenschaften unter seinen Schülern und jedes einzelne hat eine bedeutende Geschichte und große Hexen und Zauberer vorzuweisen. In welches Haus ihr auch kommen mögt, ich rate euch, Anstand an den Tag zu legen. Durch große Leistungen könnt ihr Punkte für euer Haus sammeln, durch Regelverletzungen oder sonstige Verstöße werden euch welche abgezogen. Am Ende des Jahres gewinnt das Haus mit den meisten Punkten den Hauspokal, eine große Auszeichnung und ich hoffe, dass ein jeder von euch eine Bereicherung für sein Haus und vor allem für unsere Schule sein wird"
Wieder erhob sich unruhiges Geflüster, doch ein warnendes Räuspern der Professorin ließ es augenblicklich verstummen.
"In wenigen Minuten beginnt die Einführungsfeier. Nutzt die Zeit des Wartens, um euch angemessen zurecht zu machen, ich komme zurück um euch zu holen, sobald die Vorbereitungen abgeschlossen sind. Bitte verhaltet euch bis dahin ruhig"
Mit diesen letzten Worten rauschte sie aus dem Zimmer. Viele der Schüler um sie herum begannen sofort damit, an ihren Umhängen zu zupfen oder nervös alle Zaubersprüche runterzubeten, die sie kannten.
"Ich bin heil froh, dass wir Fred und George vorher so ausgequetscht haben, ansonsten würde es uns jetzt so wie denen da ergehen", flüsterte Veronica Ginny zu und nickte zu einer Gruppe schräg hinter ihnen, die geradezu panisch aussahen. Ginny nickte zustimmend und klärte dann auch den ebenfalls entsetzt aussehenden Colin neben ihr, über die Hauseinteiling auf. Luna war absolut gar nicht nervös, mit einem dünnen Lächeln auf den Lippen sah sie sich im Raum um und summte leise vor sich hin.
Ein Mädchen, das neben Luna stand, schnaubte abfällig.
"Kannst du nicht still sein, du Verrückte?", fauchte sie und Luna verstummte mit erschrockenem Blick. Sofort wandte sich das Mädchen wieder ihrer Freundin zu, mit der es sich lautstark unterhielt. Verärgert kniff Veronica die Augen zusammen und meinte im gleichen Ton wie das Mädchen zuvor:
"Kannst du nicht still sein, du Zicke?"
Das Mädchen warf ihr erdbeerblondes Haar über die Schulter und fixierte Veronica mit einem finsteren Blick aus ihren rehbraunen Augen.
"Hast du hier irgendetwas zu melden?", fragte sie herausfordernd.
"Du etwa?"
Das Mädchen lachte hohl. "Ich bin Odilla Burke", sagte sie, als wäre das Erklärung genug.
Veronica sah Odilla gleichgültig an. "Na und?"
Das verschlug dem Mädchen für einen Augenblick die Sprache, offenbar hatte sie noch nie so eine Reaktion auf die Nennung ihres Namens bekommen. Inzwischen waren alle Schüler auf den Streit in der vordersten Reihe aufmerksam geworden und verfolgten ihn gebannt.
Ginny beugte sich zu ihrer Freundin und flüsterte ihr ins Ohr: "Die Burkes sind eine alte Reinblutfamilie, eng verwandt mit den Blacks und den Malfoys"
"Ich verstehe immer noch nicht, wieso das wichtig sein soll", gab Veronica in normaler Lautstärke zurück und Odilla Burke wurde rot vor Wut.
"Ich bin die Erbin einer altehrwürdigen Blutlinie!", schimpfte sie aufgebracht. "Wie kann ein Niemand wie du es wagen, so mit mir zu sprechen!"
Ihre Freundin legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. "Odilla..."
"Fass mich nicht an, Darcy"
Sie entfernte die Hand ihrer Freundin Darcy wie ein unliebsames Insekt. Ihr ganzes Gebärden ging Veronica inzwischen ordentlich auf die Nerven.
"Jetzt hör mal zu: Nur weil du mit was-weiß-ich-wem verwandt bist, gibt dir das noch lange nicht das Recht, dich wie eine verwöhnte Prinzessin aufzuführen", stellte sie klar. "Die Mutter meiner Mutter war eine geborene Tripe und trotzdem stolziere ich hier nicht herum, als würde Hogwarts mir gehören"
"Dann gehörte deine Großmutter offenbar zu diesen dreckigen Blutsverrätern. Kein Wunder, dass du keinen Stolz auf deine Herkunft hast, aber ziehe mich nicht auf dein Niveau herunter", gab Odilla eingebildet zurück und musterte Ginny. "Ihr seid ja schon in bester Gesellschaft, Verräter müssen ja schließlich zusammen halten"
Jetzt hatte auch Ginny genug und Veronica konnte sie nur mühsam davon abhalten, auf Odilla loszugehen, obwohl sie sich das, zugegebener Maßen, wünschen würde. Aber gleich am ersten Tag Ärger zu verursachen erschien ihr doch eher unklug.
In diesem Moment schwebten die ersten Geister in die Kammer, um die neuen Schüler zu begutachten. Manche von ihnen, wie Colin, erschraken, als sie wie aus dem Nichts vor ihnen auftauchten. Veronica atmete erleichtert auf, immerhin lenkten die Geister die Aufmerksamkeit der Schüler wieder ab und die Stimmung entspannte sich. Ihre weißen, fast durchsichtigen Gestalten schwebten über den Köpfen der Schüler und unterhielten sich ausgelassen.
Manch einer von ihnen wünschte den Kindern viel Glück und hoffte, dass sie in sein oder ihr altes Haus kommen würden.
Zwei von ihnen schienen jedoch kaum Notiz von den Erstklässlern zu nehmen und meinten gerade empört:
"Direkt in die Weide hinein, ist das denn noch zu fassen?"
Der andere Geist schien ebenso entsetzt wie ersterer. "Diese Schüler werden auch von Jahr zu Jahr unverschämter. Jetzt fliegen sie schon mit unsichtbaren Wägen nach Hogwarts und zerstören unseren wertvollsten, alten Baum!"
Ginny und Veronica horchten auf. "Fliegender Wagen?", wiederholte Ginny und einer der Geister wandte sich ihr zu.
"Exakt, junges Fräulein! Ein fliegender Wagen"
"Was ist denn genau passiert?", wollte Veronica von ihm wissen, obwohl sich in ihr bereits ein leiser Verdacht regte.
"Was passiert ist? Das kann ich Ihnen sagen! Zwei dreiste Gryffindors haben unsere peitschende Weide zerstört"
Der andere Geist meldete sich ebenfalls zu Wort. "Es war schrecklich. Schrecklich, sage ich! Dieser Potterjunge und sein Kumpane sind ein überaus schlechtes Beispiel für sämtliche Schüler. Rausgeschmissen gehören sie, jawohl"
Die Mädchen tauschten einen wissenden Blick. Also hatten die beiden doch einen Weg gefunden, nach Hogwarts zu gelangen.
"Doch nicht etwa Harry Potter? Der Junge, der überlebt hat?", fragte Colin aufgeregt und drehte sich zu den Mädchen um. "Harry Potter! Ich hab gehört, er hat letztes Jahr den Stein der Weisen vor ihr-wisst-schon-wem gerettet"
"Ich weiß, mein Bruder war dabei", erzählte Ginny stolz und die beiden Geister verließen sie kopfschüttelnd, enttäuscht darüber, dass keiner von ihnen ihre Entrüstung teilte.
McGonagall betrat gerade den Raum, als sich die ganze Gruppe begeistert über Harrys und Rons Bruchlandung in der peitschenden Weide unterhielt. Es dauerte eine Weile, bis sich der Tumult wieder legte und Veronica merkte, dass die Professorin die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen kniff. Es war eindeutig, dass sie verärgert war.
"Stellt euch der Reihe nach auf und folgt mir", wies sie die Schüler an und schuldbewusst taten sie wie geheißen.
Im Gänsemarsch verließen sie den Raum, traten zurück in die Eingangshalle und gingen schließlich durch die nun weit geöffneten Doppeltüren der Großen Halle. Sie war atemberaubend. Staunend sahen sie sich alle um, betrachteten die verzauberte Decke, die schwebenden Kerzen oder die anderen Schüler, die an den vier Tischen versammelt waren.
Die Tische waren mit goldenem Gedeck bestückt, das verführerisch im Schein der unzähligen Kerzen funkelte. Alle Blicke waren auf sie gerichtet, während sie den Gang bis ans andere Ende der Halle entlang schritten. Veronica starrte in die Menge und versuchte, ein paar bekannte Gesichter auszumachen. Sie wollte schon aufgeben, als ihr zwei auffallend rote Haarschöpfe ins Auge fielen. Es waren Fred und George. Unauffällig winkte sie den beiden zu und lächelte. Ginny hatte sie kurz darauf ebenfalls bemerkt.
Professor McGonagall machte vor dem Lehrertisch Halt und stellte einen Stuhl vor sie alle hin, auf dem ein alter verschlissener Spitzhut lag. Er sah wirklich fleckig und reichlich mitgenommen aus und Veronica zweifelte einen Augenblick lang, ob sie den schmutzigen Hut wirklich auf ihrem Kopf sehen wollte. Plötzlich begann der Hut sich zu bewegen, seine Falten verformten sich, als würde er soeben aus einem Schlaf erwachen. Ein Riss knapp über der Krempe entstand, gleich einem Mund, der sich immer weiter öffnete. Der Hut fing an zu singen:
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Harry Potter und das Erbe Slytherins (HP FF)
FanfictionDunkle Zeiten brechen an. Im Sommer vor Beginn seines zweiten Schuljahres trifft Harry Potter im Fuchsbau auf die angehende Erstklässlerin Veronica Harrison. Als Ginnys selbsterklärte beste Freundin und gleichzeitig Lieblingsversuchskaninchen der We...