Aragog hatte seinen Satz noch nicht beendet, da packte Harry schon Ron und Vica am Arm und wirbelte herum. Doch es nützte nichts. Die Spinnen hatten sie bereits eingekreist und bewegten gierig ihre Greifer. Vica zog ihren Zauberstab und sah zu Harry, der seinen ebenfalls erhoben hatte. Fang winselte und drückte sich an Vicas Bein.
"Es sind zu viele", sagte sie. "Ich könnte uns vielleicht einen Weg freisprengen, aber dann werden sie nicht nur hungrig, sondern auch verdammt wütend sein"
Ron starrte sie entgeistert an. "Was gibt es da zu diskutieren! Worauf zur Hölle wartest du? Die Viecher fressen uns gleich!"
"Wie geht der Zauber?", fragte Harry.
"Ich... weiß es nicht genau. Es ist ein Explosionszauber, er wurde nur mal in einem Buch erwähnt, ich kann nicht sagen, wie oder ob er überhaupt wirkt, aber er soll stark sein", antwortete sie schnell.
In Harrys Gesicht zeichnete sich Entschlossenheit ab. "Ich habe nicht vor, mich einfach fressen zu lassen. Nicht ohne einen Kampf"
"Versuch es mit Expulso sobald eine zu nahe kommt, das reicht um sie wegzustoßen. Ich fange an mit Confringo. Wir müssen schnell sein, aber warte bis wir wissen, wie der Zauber wirkt. Auf drei"
Sie nickten einander zu.
"Eins"
"Zwei"
"Confringo!", schrie Vica so laut sie konnte, den Zauberstab auf den Ausgang gerichtet. Eine Druckwelle, die sie fast von den Füßen riss, schoss aus ihm hervor und erfasste die Spinnen. Trotz ihrer vielen Gliedmaßen konnte sich keine gegen den Zauber wehren. Die Spinnen, die ihnen am nächsten waren und somit die volle Wucht des Zaubers zu spüren bekamen, wurden nicht einfach nur davongeschleudert. Der Zaubers prallte so heftig gegen ihre massigen Körper, dass es sie vor ihren Augen zerriss und die Überreste auf ihre Brüder und Schwestern niederregneten. Vica war so geschockt von dem Anblick, dass sie vergaß sich zu bewegen. Spinnen kreischten in ihrem Schmerz und ihrer Wut lauter denn je. Erst als jemand heftig an ihrem Arm riss setzten sich ihre Füße in Bewegung. Intuitiv rannte sie so schnell sie konnte, doch in ihrem Kopf sah sie noch immer die Eingeweide und endlos lange haarige Beine auf sich zufliegen. Und das unmenschliche Kreischen von blutigen Stumpen mit klappernden Greifzangen. Als sie ein gleißendes Licht blendete dachte Vica zuerst, dass sie wohl doch gestorben war. Irgendwo zwischen dem Zauber und ihrer Flucht musste sie tot umgefallen sein und hatte es nicht einmal bemerkt. Außerdem dachte sie wie merkwürdig es doch sei, dass ausgerechnet ein hupendes Auto vor ihr auftauchte, um sie auf der Reise ins Jenseits abzuholen. Bis sie Harry und Ron registrierte, die auf das Auto zu sprinteten und ihr mit einem Schlag klar wurde, dass sie ganz und gar nicht tot war, sondern noch immer in großer Gefahr schwebte. Ron hatte Fang gepackt und wuchtete ihn auf den Rücksitz, Harry drehte sich zu Vica, packte sie an den Schultern und stieß sie neben den Saurüden, ehe er sich auf den Beifahrersitz rettete. Ron setzte sich hinters Steuer. Die Türen schlugen zu kaum dass sie die Sitze berührten. Mit dröhnendem Motor fuhr der Wagen davon, ohne dass irgendjemand das Gaspedal überhaupt berührt hätte. Zielsicher bahnte es sich seinen Weg durchs Unterholz. Äste und Wurzeln schienen ihm nichts auszumachen. Vica konnte irgendwann nicht mehr unterscheiden, wann es die Geräusche einer umgeworfenen Spinne oder die eines sehr dicken Astes waren, die gegen das Autoblech donnerten. Doch der Wagen wusste offenbar genau wo er hinwollte, auch wenn die Strecke ihn einen seiner Rückspiegel kostete.
Harry sah erst Ron, dann Vica an. "Seid ihr okay?"
Vica konnte Rons Gesicht nicht sehen, aber wenn er sich auch nur ansatzweise so fühlte wie sie, dann war absolut nichts in Ordnung.
"Nie wieder", brachte Vica hervor und fuhr Fang mit zitternden Fingern übers Fell. "Erinnere mich dran, dass ich den Zauber nie wieder verwende."
Sowohl ihre Finger als auch das Fell waren von einer stinkenden Masse bedeckt, die Vica im Dunkeln zum Glück nicht genauer inspizieren konnte.
"Hättest du es nicht getan, wären wir vielleicht nicht rechtzeitig beim Auto gewesen. Expulso hat gerade mal eine von ihnen aus dem Weg geschleudert, damit allein wären wir nicht weit gekommen."
Aber Vica ließ den Einwand nicht gelten. Ihr war schlecht. "Ich habe sie in der Luft zerfetzt. Ihre Einzelteile haben vor mir auf dem Boden noch gezuckt. Der Zauber hat sie nicht einmal sofort getötet. Ein solcher Zauber sollte niemals, niemals, niemals gegen Lebewesen eingesetzt werden."
"Du kannst Aragog ja eine Beileidskarte schicken", meinte Harry trocken.
Auf einmal stoppte der Wagen so abrupt, dass sie alle nach vorne geworfen wurden. Fang war so begierig zu entkommen, dass er sich gegen die Tür warf, bis diese von alleine öffnete. Vica folgte ihm auf wackligen Beinen. Sobald sie alle draußen waren, schloss der Wagen seine Türen, gab eine schnelle Lichthupe zum Abschied und verschwand zurück in den Wald. Es war ein komisches Gefühl, einem verzauberten Auto das eigene Leben zu verdanken. Dass es ihnen in der Not zu Hilfe eilte, als hätte es ein Bewusstsein, Intuition und einen eigenen Willen, wäre unter anderen Umständen für sie sehr faszinierend gewesen. Vica sah wie Fang jaulend und mit eingezogenem Schwanz zu Hagrids Hütte stürmte und an der Tür kratzte. Als sie hinterher stapfte spürte sie wie mit jedem Schritt wieder etwas Leben in ihren Körper zurück kam, doch sie zitterte noch immer. Vica hatte kaum die Tür für den Hund geöffnet, da stürmte er schon an ihr vorbei und legte sich winselnd in sein Körbchen. Das war kein Abenteuer für einen ängstlichen Saurüden. Vica schnappte sich einen von Hagrids Lappen, der in ihren Händen eher einem Handtuch ähnelte, befeuchtete ihn und säuberte Fangs Fell vom gröbsten Dreck, ehe sie eine Decke über ihn warf. Sie hörte wie Harry hinter ihr eintrat und nach dem Tarnumhang griff, den sie hier deponiert hatten.
"Ist er verletzt?", fragte Harry und deutete auf Fang.
"Ich glaube nicht. Er ist nur erschöpft."
Harry wirkte erleichtert. "Ron hat sich gerade zwischen Hagrids Kürbissen übergeben. Das war für uns alle zu viel."
Gemeinsam verließen die Hütte und sahen wie Ron sich gerade wieder aufrichtete, noch immer furchtbar blass. "Das werde ich Hagrid nie verzeihen."
Obwohl seine Stimme viel zu matt klang, um drohend zu wirken, machte sein todernster Gesichtsausdruck das wieder wett.
"Folgt den Spinnen! Hat er auch nur eine Sekunde daran gedacht, was passiert wenn wir sie gefunden haben? Wir hatten Glück, dass wir noch leben! Von wegen, Monster wären nicht so schlimm wie ihr Ruf. Das ist genau Hagrids Problem. Und wohin hat ihn das gebracht? Nach Askaban!"
"Ihm haben die Acromantulas ja nichts getan."
Ein schwaches Argument, das wusste Vica selbst. Sie konnte Ron seine Wut nicht verübeln. Würde sie sich nicht noch immer so geschockt fühlen, wäre sie vermutlich selbst unglaublich wütend. Doch vor allem auf sich selbst. Statt besonnen zu handeln, hatte sie sich von ihrer Abenteuerlust hinreißen lassen. Was wäre gewesen, wenn ihr Zauber nicht nur die Spinnen, sondern auch Harry und Ron erwischt hätte? Hermine wäre das nicht passiert, sie hätte nachgedacht, wirklich nachgedacht und sich etwas Sichereres einfallen lassen.
Während sie in ihren eigenen Gedanken versunken war, diskutierten Ron und Harry weiter. Ja, viel hatten sie nicht herausgefunden, doch immerhin waren sie sich nun sicher, dass Hagrid nichts mit der Kammer des Schreckens zu tun hatte. Wenigstens das konnte Aragog ihnen ohne Zweifel bestätigen. Sie zwängten sich zu dritt unter den Tarnumhang und stampften zurück ins Schloss. Als sie in Sichtweite waren sorgte Harry eilends dafür, dass ihre Körper komplett unter dem Umhang verschwanden, trotz ihrer unterschiedlichen Größen. Vica war immer noch immer erstaunt, was für Möglichkeiten Harrys Erbstück bot. Sie schlichen die Flure entlang, völlig unentdeckt von gesprächigen Gemälden oder Geistern. Auch die Wächter in den Fluren konnten sie nicht sehen, wohl aber hören, wenn sie nicht aufpassten. Die beiden Jungs setzten zuerst Vica vor der Treppe zum Ravenclawturm ab. Nachdem sie sich sicher waren, dass niemand sie sah, schlüpfte Vica unter dem Umhang hervor und wandte sich zum Abschied an den nur scheinbar leeren Flur vor ihr.
"Es tut mir leid, dass ich euer Leben mit dem Zauber aufs Spiel gesetzt habe."
"Du hast es auch gerettet, also sind wir quitt", antwortete Ron, der schon wieder mehr nach ihm selbst klang.
"Außerdem ist es meine Schuld", sagte Harry. "Wegen mir waren wir überhaupt erst dort. Wir hätten es machen sollen wie du, Ronnie, und lieber dort suchen, wo das Monster tatsächlich ist."
Vica verdrehte die Augen. "Ja, das ist auch nicht wirklich nach Plan gelaufen. Noch ein glorreicher Einfall von mir, der meine Freunde in Lebensgefahr gebracht hat. Es hat den Basilisken nur angelockt, aber die Kammer habe ich dadurch auch nicht gefunden."
Sie zögerte. "Trotzdem... Es hat mich durch die Abflussrohre gehört. Seid vorsichtig, wenn ihr zur Toilette geht. Vielleicht lauscht es auf die Geräusche und sucht sich dann seine Opfer."
"Pfft...", machte Ron und unterdrückte sein Lachen. "Ein Basilisk auf der Jagd nach Furzgeräuschen in Klos."
Sie hörte jemanden zischend einatmen, konnte allerdings nicht sicher sagen, ob es Ron oder Harry war. Dann ein Rascheln als Harry den Umhang von seinem Kopf zog.
"Das ist es!", sagte er aufgeregt. "Wir konnten wir das übersehen?"
"Was übersehen?", fragte Ron.
"Die einzige Person in Hogwarts die auf einem Klo gestorben ist!"
Vica schlug sich gegen die Stirn. "Natürlich! Ich bin echt bescheuert."
Verwirrt sah Ron von einem zum anderen. "Ihr meint doch nicht etwa- die Maulende Myrthe?"
"Wir müssen sie befragen! Sie weiß vielleicht sogar, wo das Monster herkam, wo der Eingang liegen könnte."
Plötzlich hörten sie Schritte von der anderen Seite des Flurs. Vica sah zurück zur Treppe. "Ich muss los, wenn man mich hier unten sieht... Wir sprechen nach dem Frühstück"
So schnell und leise sie konnte flitzte sie die Stufen hoch bis zum bronzenen Türklopfer. Sie hoffte auf ein einfaches Rätsel. Bisher war es nur wenige Male vorgekommen, dass ihr die Antwort nicht einfiel, doch heute Nacht konnte sie es sich auf gar keinen Fall leisten, ausgesperrt zu bleiben. Doch der Adler hatte schlechte Laune. Als wollte er sie für ihre Regelmissachtung und dafür, dass sie ihn mitten in der Nacht weckte, bestrafen, ließ er keine ihrer Antworten gelten.
"Du bist nicht so weise wie du denkst", krächzte er und riss gähnend den Schnabel auf. Es war ein absurder Anblick.
"Bei Merlins Bart...", fluchte Vica leise. "Die Antwort kann fast alles sein, eine meiner Lösungen musst du einfach gelten lassen. 'Wind' ist nicht falsch, es ist vielleicht nicht das was du hören wolltest, aber es ist nicht falsch. 'Gefühle'? 'Wärme'? 'Kälte'? Theoretisch die ganze Welt, wenn man blind ist oder die Augen schließt. Die Beschreibung trifft auf alles zu"
"Du rätst"
Vica konnte förmlich hören, wie ihr Geduldsfaden riss. Langsam wurde sie richtig wütend. "Es ist ja auch ein Rätsel!"
Der Adler blinzelte ungerührt. "Versuchs nochmal."
Die Schritte von vorhin waren noch immer zu hören, wie sie durch den Flur hallten. Genau in ihre Richtung. Vica atmete noch einmal tief durch.
"Okay. 'Hoffnung'. Nicht sichtbar, aber spürbar. Lass mich jetzt bitte endlich rein"
Ohne ein Wort schwang die Tür zum Gemeinschaftssaal auf und Vica quetschte sich durch, noch ehe sie vollständig öffnete. Vorsichtig spähte sie in den dunklen Raum hinein. Für einen kurzen Moment erwartete sie Penelope in einem der Sessel zu sehen bis ihr wieder einfiel, dass diese versteinert in einem Bett im Krankenflügel lag. Eine Gestalt lag dennoch auf dem Sofa, aber von diesem Vertrauensschüler ging keine Gefahr aus. Er schlummerte tief und fest zu Vicas Glück. Dennoch schlich sich die Erstklässlerin auf Zehenspitzen an ihm vorbei die Treppe hoch zu ihrem Schlafsaal. Ihr blieben vermutlich nur wenige Stunden, bis die ersten wieder aufwachten. Schnell und leise zog sie die dreckigen Sachen aus und versteckte sie unter ihrem Bett. Irgendwann würde sie sich um die Reinigung kümmern müssen, schließlich konnte Vica Lunas Strickjacke nicht voller Spinnenblut zurückgeben. Als ihr Kopf endlich das Kissen berührte, schlief sie vor Erschöpfung sofort ein. In ihren Träumen wurde Vica von Spinnen verfolgt. Sie rannte vor ihnen weg, doch sie holten sie ein, krabbelten über sie bis sie nichts weiter sah als tausende haarige Beine und gierige Augen. Geifer triefte von ihren Fangzähnen und gerade als Vica dachte, dass es ihr Ende war, begannen sie zu explodieren. Eine nach der anderen. Sie selbst bleib regungslos liegen, die Arme und Beine wie ein Seestern ausgestreckt und starrte ins Chaos.
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Harry Potter und das Erbe Slytherins (HP FF)
FanfictionDunkle Zeiten brechen an. Im Sommer vor Beginn seines zweiten Schuljahres trifft Harry Potter im Fuchsbau auf die angehende Erstklässlerin Veronica Harrison. Als Ginnys selbsterklärte beste Freundin und gleichzeitig Lieblingsversuchskaninchen der We...