Wiedersehen Teil 2

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JAMIE

Merkwürdig woran man sich erinnert. Es gibt Menschen, Orte, Momente die sich einem ins Herz brennen, anderes verflüchtigt sich im Dunst. Ich wusste immer, dass sich mein Leben von dem anderer Männer unterscheidet. Als Junge erkannte ich den Weg nicht, der vor mir lag. Ich schritt einfach drauf los, immer vorwärts immer weiter, ohne zu wissen auf welches Ziel ich zusteuerte. Doch eines Tages drehte ich mich um, und sah, dass jeder Schritt den ich gegangen war, eine Entscheidung war. Nach links zu gehen, nach rechts, geradeaus, oder sogar stehen zu bleiben. Ein Mann steht jeden Tag vor der Wahl zwischen Richtig und Falsch, Liebe und Hass, manchmal zwischen Leben und Tod. Und die Summe dieser Entscheidungen, gestaltet dein Leben. Der Tag an dem ich das erkannte, war der Tag, an dem ich zum Mann wurde.

Heute weiss ich, dass ich ein Mann sein kann ohne, dass ich jeden meiner Entscheidungen voraus denken muss. Dennoch stimmt es, man wird zum Mann, wenn man wichtige Entscheidungen trifft und auch die Konsequenzen dafür trägt. Beides musste ich bitter lernen. Die Sonne geht gerade auf, als ich im Hof meines Elternhauses stehe und wie in den letzten zwei Tagen darauf warte, dass Fergus zusammen mit Faith zurückkehrt. Doch auch nach längerem Hinstarren tut sich nichts, alles bleibt still. Als ich bemerkt habe, dass Faith nicht in ihrem Zimmer ist, habe ich die ganze Nacht nach ihr gesucht.

Mein Herz ist in zwei Teile zerbrochen, als ich am Morgen darauf alleine zurückgekommen bin. Doch mit Fergus hat sie jemand der sie beschützt, dass ist ein kleiner Trost für mich und ich kann nur zu Gott beten, dass er mir meine Tochter lebend zurückbringt. „Immer noch nichts?" Ich drehe mich um und sehe Jenny neben mir stehen. Sie sieht ebenfalls zum Tor, doch es rührt sich nichts. „Wo sie bloss sind?", frage ich mehr mich selbst, als meine Schwester. „Er wird sie zurückbringen, dass weiss ich." Sie lächelt mich milde an und geht wieder ins Haus zurück, nachdenklich schaue ich ihr nach. Die ganze Zeit denke ich schon darüber nach wieso Faith weggelaufen ist, doch ich komme nur zu einer Antwort.

Sie muss meinen Streit mit Jenny oder das Gespräch mit Ian belauscht haben und ist daraufhin auf die Idee gekommen, wegzulaufen. Ich kann es ihr nicht einmal verübeln, ihr Ankommen auf Lallybroch verlief nicht so wie ich es mir vorgestellt hatte. Was zum einen Teil an Jennys Reaktion Faith gegenüber lag, aber auch ich war nicht so wie ich es sein sollte. Seit der Schlacht war ich immer wieder hier gewesen, doch seit einigen Jahren schon hab ich das Anwesen meiner Familie gemieden. Ich wollte nicht mehr an die Zeit mit Claire erinnert werden, was mich seit unserer Ankunft vor drei Tagen wieder eingeholt hat. Auch jetzt noch spüre ich ihre Anwesenheit, wie sie durch die Räume geht und mit Jenny Schach spielt, oder ihr zeigt wie man mit einzelnen Kräutern Tinkturen oder Aufgüsse herstellt.

Sie fehlt mir so sehr, manchmal so unglaublich, dass ich sie in meinen Träumen sehe. Doch so schön es sich anfühlt, so schrecklich ist es wenn ich erwache und feststelle, dass es eben bloss ein Traum war. Ein schrecklich süsser Traum, der mich an das erinnert was ich verloren habe. Hundegebell reisst mich aus meinen schmerzhaften Erinnerungen und als ich zum Tor blicke, kann ich in der Ferne ein Pferd ausmachen. Sofort setzen sich meine Beine in Bewegung und als ich näher komme, erkenne ich Fergus Hengst.

„Bei Gott...ich danke dir Herr, dafür das du sie mir heil wieder zurück gebracht hast", flüstere ich und bekreuzige mich. Das Pferd kommt näher und ich kann Fergus erkennen, der es durchs Tor führt. Faith sitzt auf dem Hengst und scheint gesund zu sein, was mich erleichtert. Ich renne auf sie zu und als ich ihr vom Pferd helfen will, entdecken meine Augen eine Person, die wie die Frau aus meinen Träumen aussieht. Nur sieht diese Frau etwas älter aus und das Kleid das sie trägt sieht aus, als wäre sie aus einem wandernden Zirkus entlaufen. Doch als ich ihr Gesicht erblicke, bleibt mein Herz stehen. „Grund gütiger...Claire...bist du es?" Mir kommt es so vor, als hätte ich diesen Satz vor einigen Wochen schon einmal gesagt, damals habe ich meine erstgeborene Tochter gefunden und jetzt scheint mich der Herr für meine Taten zu bestrafen, denn das kann unmöglich wahr sein und doch bewegt sich diese Frau die meiner Claire so unglaublich ähnlich sieht.

Erstgeborene OUTLANDERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt