Im Mondschein küsst es sich besser

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Das fahle Licht des Mondes fällt nur spärlich durch das dichte Blätterdach, doch nach einer Weile haben sich meine Augen daran gewöhnt. Ich bin noch keine Stunde unterwegs, als sich Zweifel bemerkbar machen, schnell bleibe ich stehen und ringe sie nieder. Tief atme ich ein und wieder aus, versuche mich zu beruhigen und laufe weiter. Doch schon nach ein paar Metern höre ich ein Rascheln und bleibe wie angewurzelt stehen. Was das wohl war?

Ich versuche so ruhig wie möglich zu atmen, doch die Panik übermannt mich, als ich das Rascheln ein zweites Mal höre. So schnell ich kann renne ich los, laufe im Zick Zack um es meinen Angreifern zu erschweren, doch ich übersehe eine Wurzel und falle hin. Rieche den Waldboden und spüre wie einige Blätter auf mich fallen. Innerlich dreht sich alles, mein Herz hämmert wild gegen meine Brust und ich traue mich nicht zu bewegen. Ich höre Schritte und presse die Augen fest aufeinander, hoffe, dass sie mich in der Dunkelheit nicht entdecken.

Doch als mich jemand an der Schulter packt und mich auf den Rücken dreht, reisse ich die Augen auf und sehe eine grosse Gestalt vor mir. Erschrocken krieche nach hinten und als die Gestalt ins Mondlicht tritt, erkenne ich ihn. „Was machst du denn hier?", frage ich atemlos. Fergus reicht mir die Hand und wartet bis ich sie ergreife, ehe er mich auf die Füsse zieht. „Ich wusste das du etwas dummes vorhast, ich wusste nur nicht was es ist. Fortlaufen ist keine gute Idee, noch dazu nicht in einer Nacht wie dieser. Du kannst froh sein das ich dich noch rechtzeitig gefunden habe."

Wütend über seine Rüge verschränke ich die Hände vor der Brust und starre stur auf den Boden. „Du bist ja noch sturer als das dämlichste Maultier, das es in ganz Schottland gibt und glaube mir, es gibt viele sture Maultiere", stösst er hervor. Ich begegne seinem Blick und sehe, dass er lächelt, was meine Wut wie in Luft auflöst. „Was ist denn? Wieso lächelst du jetzt auf einmal?" Ich verstehe keiner seiner Launen, also verstehe ich auch nicht wieso, dass er jetzt lächelt. Er ist doch wütend auf mich, oder etwa nicht?

„Du bist zwar stur wie ein Esel, aber du bist auch verdammt mutig. Vielleicht sogar das mutigste Mädchen, das mir je unter die Augen gekommen ist." Dass er mich mutig findet, freut mich auf eine seltsame Art und Weise. „Und wieso bist du mir dann gefolgt?" Ich versuche immer noch ein wenig verärgert zu wirken, doch das bin ich nicht. Ich bin froh darüber, dass er mich gefunden hat. „Weil ich dich nicht alleine durch die Nacht irren lassen kann, Dummchen. Es sollte jemand bei dir sein, damit dir nichts geschieht." Das er sich um mich sorgt, ehrt ihn sehr. Es bringt mich sogar zum Lächeln und ohne, dass ich es will, falle ich ihm um den Hals und geniesse die Wärme die von ihm ausgeht.

Zögernd legt er die Arme um mich und drückt mich sanft an sich. Ich lausche dem Schlagen seines Herzens und fühle mich geborgen. „Danke, dass du mir gefolgt bist. Ich konnte nicht länger bleiben...meine Tante...sie will mich nicht hier haben, also bin ich fortgelaufen." Tränen fliessen mir die Wangen runter und obwohl ich mich bemühe sie zum Versiegen zu bringen, vermag es Fergus Daumen der sie liebevoll wegstreicht, sie zu stoppen. „Jenny ist stur, genau wie alle Frasers zu denen auch du gehörst, Faith. Vergiss das nicht und lass dir das auch von niemanden ausreden, ja?"

Ich nicke und trockne die letzten Tränen, dankbar lächle ich ihn an. „Und was nun? Bringst du mich zurück?" Hilflos schaue ich zu ihm auf, auch wenn es stimmt was er sagt, so will Jenny mich nicht bei sich haben. Egal wie sehr ich mich auch bemühe, sie mag mich einfach nicht. „Bevor ich dir antworte, möchte ich, dass du mir erzählst, wohin du unterwegs warst. Irgendein Ziel musstest du ja haben, sonst wärst du nicht einfach so fortgelaufen." Ich löse mich aus seinen Armen und streiche mir die lockigen Haare aus dem Gesicht. Soll ich ihm die Wahrheit sagen? Was würde Jamie dazu sagen? Um ehrlich zu sein, weiss ich es nicht und da er nicht da ist, entscheide ich darüber. Immerhin war sie meine Mutter, oder ist es immer noch. Ich drehe mich zu ihm um und atme tief ein und wieder aus.

„Also gut, ich werde dir alles sagen, aber nicht hier. Bring mich irgendwohin, wo wir uns unterhalten können." Fergus nickt, nimmt mich an der Hand und führt mich durch den dunklen Wald. Jetzt wo er da ist, fühle ich mich viel sicherer. Ohne ihn, würde ich jetzt durch den Wald irren und mich vielleicht sogar noch verlaufen. Schweigend gehen wir nebeneinander her, Hand in Hand. Als wir den Wald verlassen, erstreckt sich vor uns ein weites Feld, das vom Wald eingeschlossen ist. Als wir es überquert haben, setzen wir uns unter einen grossen Baum. Die Sterne leuchten hell am Himmelszelt und zaubern eine wunderschöne Atmosphäre. „Nun, wohin wolltest du gehen?" Unsicher schaue ich ihn an und warte einen Moment, ehe ich ihm alles erzähle was ich weiss.

„Nun gut, es ist so..."

Während ich ihm die ganze Geschichte um meine Mutter erzähle, hört er mir gespannt zu und unterbricht mich kein einziges Mal. Auch nicht, als ich ihm erzähle das ich nach Inverness und von dort zum Craigh na dun wollte, um zu meiner Mutter zu reisen. Durch die Steine, dabei weiss ich nicht einmal ob es funktionieren würde, oder ob mich das Universum in einer andere Welt ausspucken würde. Aber ich glaube fest daran, dass ich es schaffen werde. Dass ich endlich einmal eine Familie haben werde, die mich überhaupt bei sich haben möchte. Fergus ist in der Zwischenzeit aufgestanden und geht hin und her, und macht mich damit beinahe wahnsinnig. „Hast du gar nichts dazu zu sagen? Immerhin war sie doch für dich wie eine...", weiter lässt er mich nicht reden. Wütend funkelt er mich an.

„Sprich nicht weiter! Das sie...das Claire...lebt...ist ein Schock für mich", sagt er und wirkt mitgenommen. Ich stehe auf und gehe auf ihn zu, bleibe dann aber einen Meter vor ihm stehen. „Es tut mir leid, du hattest recht. Claire war wie eine Mutter für mich, als ich von ihrem Tod hörte, war ich unsagbar traurig. Das sie in einer anderen Zeit lebt, ist einfach nur unglaublich. Und du denkst, dass dies wieder klappen würde? Also durch die Steine reisen?" In seinen Augen kann ich die Trauer um Claire sehen, die Liebe die er für sie empfindet und auch die Freude über das gehörte. Als ich nicke, reibt er sich über das Kinn und denkt nach. „Würdest du es tun? Würdest du mich nach Inverness bringen?", frage ich leise.

Auch wenn ich froh bin, dass er bei mir ist, so ist der Wunsch meine Mutter endlich in die Arme schliessen zu können, grösser. Unsere Blicke kreuzen sich und wieder einmal staune ich über seine Schönheit. „Auch wenn es bedeutet, dass ich dich nie wieder sehen würde, würde ich es tun. Denn ich bin ein Mann von Ehre, der seine Versprechen hält, aber auch, weil ich deinem Glück nicht im Wege stehen möchte."

Seine Worte treiben mir die Tränen in die Augen und zum zweiten Mal in dieser monderhellten Nacht, falle ich ihm um den Hals, aber dieses Mal küsse ich in. Presse meinen Mund auf seinen, spüre seine Lippen die sich so unglaublich gut anfühlen, dass ich nicht genug davon bekomme. Sein Griff wird stärker, genauso wie sein Verlangen. Doch bevor es zu weit geht, bricht er den Kuss ab und streichelt mir über die Wange. Die Berührung fühlt sich gut an, so gut, dass ich meine Wange in seine Hand schmiege. „Wir sollten aufbrechen, Inverness ist gut zwei Tagesritte von hier entfernt." Überrascht schaue ich zu ihm auf und kann mir trotz der widersprüchlichen Gefühle in mir, ein Lächeln nicht verkneifen.

„Danke, ich danke dir von Herzen Fergus." Ich küsse ihn sanft auf die Wange und geniesse den Moment der Stille, die sich über uns gelegt hat. Nach einer Weile, brechen wir auf. In der Nähe steht Fergus Pferd, das friedlich vor sich hin grast. Zuerst sitzt er auf, danach hilft Fergus mir aufs Pferd. „Halte dich gut fest, wir werden schnell reiten müssen um den Vorsprung einhalten zu können."

Ich nicke und halte mich an ihm fest, schmiege meine Wange an seinen Rücken und lasse meine Gedanken kreisen, während wir durch die Nacht reiten. Liebste Mutter, ich kann nur hoffen, dass du mich nach all dieser Zeit nicht vergessen hast und, dass du dich über mich freuen wirst, denn ich werde schon bald bei dir sein. In deiner Zeit und in einem Leben das sicherlich besser ist, als das jetzige.

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So, im nächsten Kapitel werden wir endlich erfahren wie es Claire ergangen ist. Was denkt ihr, was macht sie jetzt und wie geht es ihrem Kind?

eure Amanda

Erstgeborene OUTLANDERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt