Gotteswille

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Am nächsten Morgen brechen wir in aller Herrgottsfrühe auf, Jamie will bis morgen Abend in Lallybroch sein. Ich kann es kaum erwarten meine Familie kennen zu lernen, doch die leise Angst nicht akzeptiert zu werden, ist nach wie vor noch da und diese wird erst verschwinden, wenn sich alles zum Guten gewendet hat. Da bin ich mir sicher. Draussen treffe ich auf Robert, der mich mit einem herzlichen Lächeln begrüsst. Auch Jamie begrüsst er freundlich, Fergus hingegen ignoriert Robert völlig was mich wütend macht.

Die ganze Nacht über habe ich über Fergus Worte nachgedacht und habe deswegen kaum ein Auge zugetan. War das vielleicht seine Art mir zu sagen, dass er mich mag? Ich weiss es nicht und genau diese Ungewissheit lässt mich nicht los. Wir steigen auf unsere Pferde und reiten los. Die Sonne geht gerade erst auf und die meisten Dorfbewohner sind noch in ihren Betten. Nur wenige sind schon auf den Beinen. Wie friedlich das Dorf zu dieser frühen Stunde wirkt, so als ob es nichts und niemand aus der Ruhe bringen könnte. Doch das war nicht immer so, da bin ich mir sicher.

Der Krieg ist noch nicht lange zu ende und die Auswirkungen spürt man auch heute noch. Das Vertrauen zwischen Schotten und den Engländern ist nach wie vor angespannt und zum Teil gar nicht vorhanden. Robert lenkt sein Pferd neben meines und lächelt mich an, ich frage mich ob er sich meiner Nähe auch so bewusst ist wie mir die seine. Wahrscheinlich nicht, aber vielleicht ja doch. „Guten Morgen, Robert", sage ich lächelnd. Wenn er mich ansieht kann ich gar nicht anders als zu lächeln, es ist wie ein innerer Zwang. Aber ein sehr schöner Zwang. „Guten Morgen, Faith", erwidert er. Jamie und Fergus reiten weiter vorne und das ist mir auch ganz recht, so muss ich seine dummen Bemerkungen nicht hören. „Ich hoffe du hattest eine angenehme Nacht?", erkundigt er sich.

Ich will schon nicken, doch das wäre gelogen. Ich habe kaum geschlafen und bin dementsprechend müde, aber ich kann ihm auch nicht den Grund meiner schlaflosen Nacht sagen, wer weiss wie er dann reagieren würde. Also ringe ich mich zu einer Lüge durch, auch wenn ich weiss, dass dies nicht Gotteswille ist. „Ja, das hatte ich. Ich hoffe du konntest ebenfalls schlafen?" Robert nickt eifrig und erzählt mir, dass er bei den Pferden im Stall geschlafen hat. „Dort schlafe ich wie ein Neugeborenes", meint er lachend. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass ich dort schlafen könnte, aber jeder nach seiner Fasson. „Wie stellst du dir deine Zukunft vor? Ich meine, jetzt wo wir auf dem Weg zu deiner Familie sind."

Die Sonne wandert immer höher und erhellt die rauer werdende Landschaft. Auch wenn der Himmel wie in den letzten Tag auch sehr wolkenverhangen aussieht, kann sie sich durchsetzen und zeigt es demjenigen der für das schlechte Wetter verantwortlich ist. Ich bewundere die Kraft der Sonne, ich wäre gerne auch so stark wie sie. Vielleicht muss meine Kraft noch wachsen und ich noch mehr Prüfungen bestehen, vielleicht. „Ehrlich gesagt habe ich darüber noch nicht nachgedacht. Die letzten Wochen waren aufregend und haben einiges durcheinander gebracht, aber auch eine gute Art und Weise", antworte ich und sehe aus dem Augenwinkel wie Robert nickt. „Ich habe nur gefragt, weil du sicher bald heiraten und Kinder kriegen wirst. Gibt es denn jemand...also ich meine...was ich sagen wollte...", stottert er und sein Kopf wird so rot wie die untergehende Sonne.

Ich bin im Kloster aufgewachsen, wäre Jesus Christus versprochen gewesen, doch ich habe mich für das weltliche Leben entschieden, aber ich habe nie an die Folgen gedacht die das weltliche Leben mit sich bringt. Das ich irgendwann heiraten und Kinder bekommen würde, war zu Beginn meiner Reise nicht eingeplant, aber irgendwie gefällt mir der Gedanke daran. „Womöglich", antworte ich leise. „Gibt es denn jemand der dein Herz höher schlagen lässt?" Das er mich das so offen fragt, überrascht mich sehr und wirkt sehr kühn, aber ich kann mir denken, wieso er das fragt.

„Was ist, wollt ihr Wurzeln schlagen?", unterbricht Fergus unsere Unterhaltung. Sein Blick begegnet meinem und mein Herz pocht wild gegen meine Brust. Es ist als könnte ich den Blick nicht von ihm abwenden, was mir erst auffällt, als ich Roberts Blick auf mir spüre. Ich räuspere mich und atme tief durch. „Wir sollten etwas aufschliessen", sage ich und gebe Brimstone leicht die Sporen. Sie wiehert auf und erhöht ihr Tempo, Robert tut es mir gleich und als wir aufgeschlossen haben, verfallen wir in einstimmiges Schweigen. Was auch fast den ganzen Tag anhält, als wir gegen Mittag eine kleine Rast machen, wird Robert dazu verdonnert auf die Pferde aufzupassen. Ich frage mich was Jamie darüber denkt, doch er greift nicht ein, also schweige ich ebenfalls.

Obwohl ich es alles andere als nett finde, deshalb setze ich mich zu ihm und wir essen gemeinsam bei den Pferden. Danach reiten wir bis in den späten Abend weiter. Wir kommen Lallybroch immer näher, meint Jamie kurz bevor wir unser Nachtlager aufschlagen. Die Stimmung wirkt angespannt, als ob keiner etwas sagen wollte was den anderen aufregen könnte. Ich bin froh beim nahegelegen Bach das Geschirr waschen zu können und zwar alleine. Dieses Mal wird mir Fergus bestimmt nicht mehr helfen, worüber ich erleichtert aber auch enttäuscht bin. Ich kann mir meine widersprüchlichen Gefühle für ihn nicht erklären, was mich zusätzlich durcheinander bringt. Leise summe ich ein Lied aus meiner Kindheit, es ist beschwingt und heitert mich auf.

Als ich höre wie jemand das Lied singt, drehe ich mich überrascht um und stehe Fergus gegenüber. Seine Stimme klingt wunderschön und ich frage mich wieso er hier steht und dieses Lied singt. Als er endet muss ich die Tränen verdrängen, die sich bereits in meinen Augen sammeln. „Das war schön", sage ich leise. Fergus leckt sich über die Lippen und kratzt sich am Kopf und kommt einige Schritte auf mich zu. „Als ich klein war hat meine Mutter mir dieses Lied immer vorgesungen. Sie verdiente ihr Geld als Wäscherin für ein Herrenhaus. Der Herr des Hauses war ein grässlicher alter Mann, der sich an jedem Dienstmädchen vergriff, so auch an meiner Mutter. Kurz darauf merkte sie, dass sie schwanger war, mit mir. Sie hatte furchtbare Angst, dass der Mann sie töten würde, also floh sie Hals über Kopf und brachte mich in einem kleinen Dorf zur Welt. Sie hatte es weiss Gott schon schwer, alleine, ohne Geld aber dafür mit einem kleinen Jungen. Bis ich drei Jahre alt war zogen wir von einem Dorf zum anderen, sie verdiente sich ihr Geld mit vielerlei Arbeiten, aber sie hat mich immer geliebt. Danach lebten wir im Haus ihrer Schwester, als ich fünf Jahre alt war, bemerkte ich, dass es meiner Mutter sehr schlecht ging. sie mich zu ihrer Schwester, dort lebten wir gemeinsam. Sie sah blass aus, schwitzte viel und hatte jegliche Nahrung verweigert. Sie musste sich irgendwo angesteckt haben, denn eines Tages war sie nicht mehr da. Ich hab sie nie wieder gesehen."

Das er mir so etwas anvertraut hätte ich nicht gedacht, aber es ehrt mich das er mir das erzählt. Vorsichtig strecke ich meine Hand nach ihm aus, ziehe sie dann aber wieder zurück, weil ich nicht weiss ob er das überhaupt möchte.

„Das tut mir leid", sage ich leise. Fergus nickt und wischt sich über die Augen, leise weint er und ich kann nicht anders als ihn zu umarmen. Ihn zu trösten und ihm zu zeigen das ich für ihn da bin. Ihn so nahe bei mir zu spüren fühlt sich schön an, dennoch weiss ich nicht wie ich das alles deuten soll. Er ist so kompliziert, so sprunghaft das ich nicht mithalten kann. „Ist schon gut", meint er nach einer Weile und löst sich von mir. Ihn nicht mehr in meinen Armen halten zu können, fühlt sich schrecklich an, so als hätte ich etwas verloren. „Nein ist es nicht. Das du weinst ist keine Schande, Fergus, nach allem was du durchgemacht hast, kann ich verstehen wenn du Nähe nicht zulassen willst."

Sein Blick ruht auf meinem Gesicht, seine Hand legt er auf meinen Arm und so schnell das ich nicht weiss was geschieht, zieht er mich zu sich heran und presst seinen Mund auf den meinen. Ich öffne meinen Mund und lasse seine Zunge meinen Mund erobern, spüre seinen Atem auf meinen Lippen und lasse mich völlig fallen. Der Kuss fühlt sich gut an, obwohl er es nicht sollte, denn so hungrig er sich anfühlt, kann es doch nicht Gotteswille sein, oder etwa doch?

oh je, schon wieder küsst Fergus sie! Was denkt ihr über seine Kindheit und wie wird es weiter gehen? Im nächsten Kapitel erreichen sie Lallybroch :D

eure Amanda

Erstgeborene OUTLANDERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt