Es dauerte eine ganze Weile, bis wir uns alle im Gerichtssaal eingefunden hatten.
Der Richter, in dem Fall der Offizier, setzte sich an das große Pult, während ich ihm gegenüber Platz nahm, Raymond rechts und George links von mir. Auf dem Boden, mit dem Rücken zu mir, kauerte zusammengekrümmt Fitzpatrick. Er war wieder zu sich gekommen und hatte wie am Spieß gebrüllt, sodass man ihn erneut geknebelt hatte.
Nun warteten wir nur noch auf den König und seinen Thronfolger, dessen Erwähnung mich wieder daran erinnerte, dass ich im Augenblick meines kommenden Todes, der nun glücklicherweise nicht eingetreten war, an mein erstes Mal mit Connor gedacht hatte. Meine Wangen wurden rot, als ich mir die Szene zum wiederholten Male durch den Kopf gehen ließ. Ich senkte meinen Blick auf die Tischplatte.
»Alles in Ordnung?«, fragte Raymond strahlend und tippte mir sachte auf die Schulter.»Du hast dich ja gar nicht umgezogen, Kleines, deine Uniform ist voller Blut.« Missbilligend schüttelte er seinen ergrauten Kopf so heftig, dass die Locken tanzten. »Haben die dich sofort hier hergeschleppt? Unerhört.« Damit wandte er sich, ohne eine Antwort meinerseits abzuwarten, von mir ab und musterte den Offizier, der bewegungslos hinter dem Pult saß und auf das Eintreffen des Königs wartete.
Die Tyrannin war vor kurzem losgegangen, um ihn persönlich zu eskortieren wie sie es immer tat. Einen Augenblick später öffneten sich die schweren Türen und ein großer, vertrauter Mann betrat den Saal.
Connor war ohne seinen Onkel gekommen, dafür aber mit Theodore, der mir flüchtig im Vorbeigehen zunickte. Ich war nicht überrascht, die beiden zusammen zu sehen, denn Theodore hatte mir mehr als deutlich klargemacht, dass er mit den Sonnenanbeterinnen sympathisierte, aber dass sie es so offensichtlich machten, erschien mir sehr waghalsig. Ich hatte einen Kloß im Hals.
Mein ehemaliger Geliebter postierte sich hinter dem Pult, zur Linken des Offiziers, und hieß die Versammelten mit seiner tiefen, vibrierenden Stimme willkommen.
Ich runzelte die Stirn und wollte George nach dem König fragen, doch der gab mir unmissverständlich zu verstehen, dass ich den Mund halten sollte. Also richtete ich meinen Blick wieder auf den schönsten Mann Ashbrooks und atmete tief durch. Ich sollte damit aufhören, ihn anzuschmachten. Endgültig.
Nur dass mich keine Magie der Welt daran hindern konnte, ihn zu bewundern.
»Bis jetzt habe ich einzig Gerüchte gehört, und um der Gerechtigkeit willen möchte ich mir die Aussagen beider Seiten anhören. Olivia, wenn du so freundlich wärst, uns über die heutigen Geschehnisse aufzuklären...«
Mein Herz stockte, als er meinen Namen im Beisein eines so großen Publikums aussprach.
Gerade als ich es ihm gleichtun, ihn ebenso kühl und distanziert ansprechen wollte, erhob sich Protest.
»Wo ist der König? Die Verhandlung betrifft vor allen Dingen ihn, nicht Euch.« Der Mann, der dies geäußert hatte, trug einen dicken Mantel und seine monströse Statur erinnerte mich an die eines Bären, sein Bart war extrem lang und ungepflegt. Er wirkte völlig fehl am Platz, wie ein Jäger, jemand, der sich nicht mit dem Adel abgab, sondern unter dem freien Himmel lebte und seine Freiheit genoss. Doch sein Einwurf war offenkundig sehr wohl relevant, so wie er die Menge beunruhigte. Vereinzelt waren Zustimmungen zu hören, gemurmelte und leise - aber dennoch Zustimmungen.
Connor ließ sich davon für keine Sekunde aus der Ruhe bringen und brachte die Menschen mit einem einzigen scharfen Blick zum Verstummen. Selbst der bärtige Mann blieb still.
»Ich verstehe, dass Ihr Zweifel habt, meine Herren«, sagte er ruhig und lächelte ein falsches, aber durchaus ansehnliches Lächeln, das mich das Atmen vergessen ließ, »aber ich handle im Auftrag des Königs. Ihm geht es im Augenblick nicht gut, er wird von seinen persönlichen Heilern betreut. Aus diesem Grund hat er mir die Führung dieser Verhandlung anvertraut, nur deshalb stehe ich in seinem Namen hier. Als Stellvertreter des Herrschers, der ich nun einmal bin.« Seine Stimme hallte nach.
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BORN TO BURN (Band 1)
FantasyOlivia Capshaw ist eine Hexe. Keine dieser klischeehaften Kreaturen, die Zaubertränke in Kesseln zusammenbrauen und mit Verwünschungen drohen, keineswegs. Sie gehört dem uralten Stamm der Sonnenanbeterinnen an und soll ihre magischen Fähigkeiten er...