» Kapitel 11 «

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Der Thronsaal war noch um einiges größer, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Die Wände strahlten in einem so satten Goldton, dass ich die Augen abwenden musste. Der Boden bestand aus makellosem Marmor, der so blank war, dass ich meine Reflexion in ihm sehen konnte. Ein dicker, karmesinroter Teppich markierte den breiten Gang, der zum Thron führte. Erst jetzt wagte ich es, den Blick zu heben und ihn auf den Herrscher von Ashbrook zu richten.

Der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, war, dass er nicht majestätischer aussah, als ein Bauer. In der Schule kannten wir sein Aussehen einzig und allein aus Büchern, wo sein Gesicht auf jeder zweiten Seite abgebildet war. Tatsächlich ähnelten die Zeichnungen ihm aber nicht besonders. Ebenso die Gemälde, die an den Wänden des gesamten Palastes hingen. Der König war, wie ich schon einmal erwähnt hatte, ziemlich klein und alles andere als muskulös. Wohlgenährt, das war er. Und auf eine eigenartige Weise unscheinbar. Sein Gesicht war rund und seine Augen von einem dunklen Braun, in dem die Pupillen völlig verloren gingen. Seine Lippen hingegen, die voll und rot waren, verzogen sich zu einem höhnischen Lächeln, das sich mir für immer ins Gedächtnis brennen sollte. Ich durfte den König niemals unterschätzen. Sein nichtssagendes Aussehen, von seinem femininen Mund einmal abgesehen, sollte mich nicht über den Fakt hinwegtäuschen, dass er der mächtigste Mann im Land war, völlig gleich wie klein oder unscheinbar er auch sein mochte.

Zu seiner Rechten erblickte ich Connor Lassester, dessen blauen Augen sich mit einer beirrenden Intensität in mich bohrten. Ich konnte sie förmlich, einer Berührung gleich, auf meinem Körper spüren, der auf seine Präsenz mit der üblichen Sehnsucht reagierte. Elender Verräter. Ich fröstelte.

»Ich habe Euren Auftrag ausgeführt, Eure Majestät«, deklarierte die Tyrannin, die ich bei all den neuen und alten Eindrücken fast vergessen hatte, hinter mir und verbeugte sich tief.

»Wie üblich zu meiner Zufriedenheit«, antwortete der König und nickte seiner Soldatin anerkennend zu. Ich staunte nicht schlecht, als sich die Wangen der Tyrannin vor Stolz über sein Lob rot verfärbten. »Lass das Mädchen vortreten.«

Sie gab mir einen leichten Schubs. »Geh bis vor den Thron und erweise deinem Herrscher den nötigen Respekt.«

Er ist nicht mein Herrscher, fuhr ich sie gedanklich an und atmete tief durch. Ich hatte Angst. Da war es bestimmt nicht hilfreich, mir jetzt Gedanken über meine idealistischen Ansichten zu machen.

Schließlich straffte ich die Schultern und setzte mich in Bewegung. Der Teppich schluckte meine schweren Schritte, während ich mich darum bemühte, nicht plötzlich über eine der Falten zu stolpern. Die Schuhe waren mir auf einmal zu schwer, sie zogen mich hinab wie Zentnergewichte.

Ich ging kontinuierlich weiter. Determiniert, andächtig und dem äußeren Anschein nach ruhig.

Es war eine große Kunst, meine Gefühle hinter einer Mauer zu verstecken, aber wenn man es erst einmal geschafft hatte, so konnte man sie problemlos eine Zeitlang aufrechterhalten. Zu meinem Glück.

Einmal machte ich den gravierenden Fehler, in Connors Richtung zu blicken. Der große, attraktive Mann hatte seine rechte Hand auf den Griff seines Schwertes gelegt und ließ mich für keine Sekunde aus den Augen. Als würde er erwarten, dass ich sie allesamt mit einem Angriff überraschen würde, sobald er unachtsam wurde. Und trotzdem fühlte sich sein Blick tröstlich an. Vermutlich jagte ich naiven Wunschvorstellungen hinterher. Dass Connor meinen Tod nicht wollte, bedeutete noch lange nicht, dass ich ihm in irgendeiner Hinsicht wichtig war.

Diese Zeiten waren vorbei. Ich wollte mich nicht mehr hinters Licht führen lassen, weder von ihm, noch von irgendjemandem sonst und das würde ich mit meinem Verhalten zeigen.

BORN TO BURN (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt