Kapitel 84

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Es war mir auch ohne Magie möglich, die Warnung in Jeremias Augen zu lesen. Geh nicht mit ihm, flehte er förmlich. Lauf weg, ich komme schon mit ihm klar. Doch ich wusste, dass er dies nicht tun würde. Nicht einmal Connor traute ich es zu, sich gegen den Offizier zu behaupten.

»Euer König wurde eben umgebracht und während Euer Imperium dem Erdboden gleich gemacht wird, habt Ihr nichts Besseres zu tun, als sich mit uns anzulegen?«, fragte ich weit sicherer klingend, als ich mich in Wahrheit fühlte und starrte ihn wütend an. Bei alledem hatte ich allerdings das bedrückende Gefühl, dass er jede meiner Regungen, jeden meiner noch so überzeugenden Vorwürfe durchschaute und so auslegte, wie es ihm passte. In seinen braunen Augen – den meinen nicht unähnlich, wie ich mit Schrecken feststellte – glomm der blanke Wahnsinn. Wenn auch berechnender, eisiger Wahnsinn.

Er ist dein Vater, Alexandra.

»Mein Imperium, wie du es formulierst, hat den Tod des Königs herbeigesehnt. Ich bin es leid, ständig im Schatten eines dicklichen Narren zu stehen, der von der Führung eines Landes nicht die geringste Ahnung hat und seine Tage mit Wein und Frauen verschwendet.« Er lachte laut, noch immer den länglichen Gegenstand an Jeremias Kopf drückend.

Ich wusste nicht, was es damit auf sich hatte und beobachtete jede seiner Bewegungen panisch.

Wenn Jeremia etwas zustieße...

»Du fragst dich sicherlich, was ich da in der Hand halte«, fuhr er fort, als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich fragte mich, ob dem nicht vielleicht so war. Wer wusste schon, wie weit er mit seiner Dunklen Magie bereits gekommen war? Ihm war alles zuzutrauen. »Nun, da ich heute einen ausgesprochen guten Tag habe, werde ich es dir verraten. Während du uns begleitest.« Das war keine Bitte, auch keine Aufforderung. Es war ein Befehl. Wenn du nicht mitkommst, stirbt er.

Und der Offizier bluffte nicht. Das hatte er schon viele Male unter Beweis gestellt.

Also setzte ich mich in Bewegung, Jeremias weit aufgerissenen Augen, die mir befahlen, es nicht zu tun, ignorierend. Ich würde ihn nicht verlieren. Nicht, wenn ich es verhindern konnte, was der Fall zu sein schien.

Jemand riss mich fest am Arm zurück, wodurch ich fast das Gleichgewicht verloren hätte. Im nächsten Moment blickte ich in ein blaues Augenpaar mit goldenen Sprenkeln rund um die Pupille. Der Eiskönig sah mich flehend an. »Nicht«, sagte er. »Ich kann ihn auch so bekämpfen, du brauchst dich nicht zu opfern. Ich habe Magie, viel Magie, mit der ich ihn-«

»Nein«, erwiderte ich, ehe er seinen Satz zu Ende bringen konnte.

»Alexandra...«

»Kaelan, bitte. Ich mache das. Ich weiß schon lange, was es für mich bedeutet, der Phönix zu sein, der Ashbrook aus der Tyrannei befreien wird. Und ich bin bereit, diesen Preis zu zahlen." Ich hatte das dumme Gefühl, der Eiskönig wäre drauf und dran, meinen Platz einzunehmen, was ich auf gar keinen Fall zulassen würde. »Rushworth braucht dich.« Ich setzte nun keinen Wert mehr auf Formalitäten. Damit war es vorbei. »Du bist der beste König, den dein Land sich nur vorstellen kann und vielleicht kannst du auch Connor helfen, ein solcher König zu werden.« Im Hintergrund konnte ich erkennen, wie Connor den Kopf seines Onkels in den Händen hielt und von seinen Männern gefeiert wurde. Niemand von ihnen bekam mit, was hier gespielt wurde. »Eine Partnerschaft zwischen Ashbrook und Rushworth wäre mit Sicherheit in vielerlei Hinsicht lukrativ.«

Der Eiskönig presste seine Lippen aufeinander. »Nein.«

Ich atmete tief durch, mir lief die verdammte Zeit davon!

»Es war schön, dich kennengelernt zu haben, Kaelan Learoy Alaric Candavene.«

»Das hört sich wie ein Abschied an.«

BORN TO BURN (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt