Kapitel 79

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Es fühlte sich eigenartig an, mich wieder am Ausgangspunkt meiner Reise zu befinden. Der Gedanke, dass das Schloss nur wenige Minuten entfernt war und Kaelan und ich uns in Kürze hineinbegeben würden, um eine Gefangene zu befreien, grenzte an Absurdität.

Kaelans und meine Schritte waren das einzige Geräusch, das in der unnatürlichen Stille des Waldes zu hören war.

»Woran denkst du?«, fragte Kaelan nach einer Weile des nachdenklichen Schweigens. Sein Arm streifte beim Gehen immer wieder den meinen und die Wärme, die von seinem Körper ausging, gab mir die nötige Kraft, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Ich war nicht allein. Mit dem Eiskönig an meiner Seite würde ich es schaffen. Musste ich es schaffen.

Schließlich gelang es mir, zu antworten.
»Hier hat meine Reise in die Freiheit begonnen«, erklärte ich, während ich daran zurückdachte, wie ich durchgefroren und erschüttert in die Kutsche gestiegen war, die mich nach Wiesenthal in ein neues Leben bringen sollte. Ich dachte an George und an Danielle und an Fitzpatrick und an die Tyrannin und... Ich seufzte. »Es ist einfach so viel passiert.«

Kaelan sah mich verständnsivoll an. »Ja«, meinte er. »Da hast du recht. Mir geht es da nicht viel anders.« Er lachte angespannt.
»Weißt du, ich muss dir etwas beichten, ehe wir uns ins Gefecht stürzen.«

»Ach ja?« Ich blieb stehen und blickte ihn neugierig an.

Er grinste so breit, dass seine Zähne im schwachen Licht des Mondes aufblitzten.
»Ich war es, der dir die Lawine auf den Hals gehetzt hat.«

»Warum solltet Ihr so etwas tun?« Ich starrte ihn ungläubig an.

»Nun...« Er wirkte verlegen und fuhr sich durch sein chaotisches weißes Haar.
»Durch das Betreten meines Reiches habt ihr eine Art Alarm ausgelöst, der dann auch Brianda angelockt hat. Da ich allerdings ohnehin wusste, wer du bist und was du von mir willst, war es mir ein Anliegen, herauszufinden, wie stark deine Magie ist. Und du hast mich nicht enttäuscht.« Er lächelte. Wurde dann wieder ernst. »Ich hoffe, du verzeihst mir diesen kleinen Test.«

Ich warf meine Arme energisch in die Luft, sodass das Schwert an meiner Hüfte in der Scheide klirrte. »Wir hätten sterben können!«

»Also bitte«, spottete Kaelan. »So ein Mistkerl bin ich nun auch wieder nicht. Ich hätte schon eingegriffen, hätte ich das Gefühl gehabt, dass das nötig wäre. Aber du hattest die Situation unter Kontrolle und hast meine Magie erfolgreich abgewehrt. Ich war ziemlich beeindruckt.«

Meine anfängliche Wut verflog. »Wartet.« Ich blieb stehen.

»Was?«

Sie sah mich mit großen Augen an.
»Verstehe ich das richtig? Meine Magie hat sich gegen Eure behauptet?«

Er seufzte theatralisch. »Ich wusste, du würdest dich damit rühmen.«

»Und ob ich das tue! Ihr seid der Eiskönig

»Dir entgeht aber auch nichts, oder?«

Ich ließ mir meine plötzliche und wahrscheinlich auch vorübergehende gute Laune nicht verderben und hüpfte förmlich über die Lichtung, auf der vor nicht allzu langer Zeit eine Kutsche stand, die mein Verlobter geführt hatte. Einen Hut auf dem Kopf, der seine Gesichtszüge, die von Bitterkeit und Schmerz verzerrt waren, verbarg. So viel hatte sich geändert, gebessert. Und nun waren wir hier, Verbündete, die das Schicksal eines einzelnen Landes bessern wollten. Koste es, was es wolle.

Den Rest des Weges legten wir wieder schweigend zurück. Ich hing meinen Gedanken nach, die mit jedem Schritt düsterer wurden und Kaelan den seinen, mit denen es sich wohl nicht sehr anders verhielt. Ich hoffte inständig, dass wir den Mechanismus des schmiedeeisernen Zauns, der den Schlossgarten und das Schloss umgab, auch ohne Cyryls Hilfe würden betätigen können. Dieser war nämlich mit Jeremia mitgegangen. Die beiden Männer würden ganze drei Dutzend westenraasche Soldaten anführen und die Palastwachen im besten Fall lange genug ablenken, dass Kaelan und ich Cordelia finden und in Sicherheit bringen konnten.

BORN TO BURN (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt