Kapitel 36 «

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Die Banditen hatten keine Chance. Nicht die geringste. Ohne den Anführer waren sie nur noch zu fünft. Ihre Gegner waren zwar in der Unterzahl, nämlich zu viert, aber sie waren um Welten bessere Kämpfer mit um Welten besseren Waffen. Abgesehen von Jeremias, aber der hatte mit seiner Präzision und seinem unglaublichen Geschick auch so einen gewaltigen Vorteil.

Ich hatte ihn unterschätzt und vorschnell geurteilt.

Mir fehlte allerdings die Zeit, mich darüber zu ärgern, denn die Schlacht, die außerhalb der Kutsche wütete, nahm all meine Aufmerksamkeit in Anspruch.

Ich schrie leise auf, als die Klinge eines der Banditen Cyryls Kehle um Haaresbreite verfehlte. Im letzten Moment duckte er sich weg und versenkte seine beiden Dolche im Bauch seines Gegners, der mit weit aufgerissenen Augen in Cyryls Gesicht starrte, worauf er zusammensackte.

Indessen kämpfte Connor gegen einen kleinen, wendigen Mann, der seinen kraftvollen Hieben immer wieder geschickt auswich, und selbst alles daran setzte, den Thronfolger zu verwunden, jedoch an seinem Vorhaben scheiterte. Connor war trotz seiner Größe ebenfalls wendig, und tänzelte leichtfüßig um ihn herum. Irgendwann kam der Augenblick, in dem der mickrige Widersacher seine Achtlosigkeit verlor, ebenso seine Kraft, und er Connor damit die Gelegenheit bot, ihm gegen die Knie zu treten. Mit einem Ächzen landete der kleine Mann auf dem Boden und spießte sich dabei selbst auf.

Über Connors Gesicht glitt ein Ausdruck der Selbstzufriedenheit, als er die Leiche seines Kontrahenten abschätzend musterte. Ich wandte eilig den Blick von ihm ab.

Marten und Jeremia behaupteten sich gegen die letzten drei Banditen. Jeremia gelang es, zwei auf dieselbe Weise auszuschalten, wie ihren Anführer, und Marten schlitzte dem Letzten die Kehle auf. Die Stille, die daraufhin eintrat, war betörend.

»Das war's dann wohl«, sagte Marten schließlich und verzog die Lippen zu einer schmerzverzerrten Parodie eines Lächelns. Er hielt sich die Schulter, aus der stetig Blut sickerte. Er war offenbar verletzt worden.

Cyryl ging eilig auf ihn zu und warf seine beiden Dolche auf den Schotter, der sich allmählich von Weiß zu Rot verfärbte, und im Schein der aufgehenden Sonne auf eine makabre Weise schön anzusehen war. Die Steine glänzten wie kleine Rubine. Ich erschauderte.

»Was ist passiert?«, fragte er seinen Partner und bedeutete ihm, sich zu setzen.

Marten stöhnte auf. »Cyryl, immer mit der Ruhe, mir geht's gut«, versicherte er nicht allzu überzeugend und biss die Zähne zusammen, als Cyryl sich daran machte, seine Wunde zu untersuchen.

»Gib mir einen deiner Dolche«, murmelte er Marten zu und schnitt damit anschließend einen breiten Streifen des Leders ab, das er trug, um die Blutung des Schnitts zu stoppen. Marten zischte leise. »Nicht besonders tief, doch wir müssen trotzdem aufpassen, dass du dir keine Entzündung holst«, sprach Cyryl ernst, »wer kann schon wissen, wann diese Wilden das letzte Mal ihre Klingen gesäubert haben?«

»Du machst mir Mut, mein Freund, danke«, erwiderte Marten trocken und stand wieder auf. Der Blutverlust hatte seine Bewegungen ein wenig langsamer gemacht, aber ansonsten schien es ihm den Umständen entsprechend gut zu gehen.

Nun konnte ich nicht mehr länger an mich halten und stieg hastig aus der Kutsche. Meine nackten Füße schmerzten, doch ich schenkte ihnen keine Beachtung.

Connors Blick traf mich als erstes.

Dann der von Jeremia.

Ich hatte zumindest das Gefühl, dass er mich ansah, denn sein Hut ließ mich noch immer mehr erahnen, als erkennen, doch seine Züge erschienen mir sanft, ganz im Gegensatz zu seiner unfreundlichen, wortkargen Erscheinung.

BORN TO BURN (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt