Kapitel 52

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Als Jeremia und ich in unser nächtliches Lager zurückkehrten, fanden wir Raymond wachend vor. Er saß mit dem Rücken zu uns am heruntergebrannten Feuer und summte leise vor sich hin. Seine Schultern verspannten sich, als er uns wahrnahm. Er fuhr herum und richtete einen kleinen Dolch auf uns, dann erkannte er seinen Fehler und steckte die Waffe betont langsam weg.

»Ihr habt mich erschreckt«, sagte er nur und schaute von Jeremia zu mir, mehrere Male. Er kniff seine Augen zusammen und legte den Kopf schief, als würde ihm eine Frage unter den Nägeln brennen, die er lieber nicht stellen wollte. Und wie ich Raymond kannte, war dem auch so.

»Woher habt Ihr die Waffe?«, wollte Jeremia wissen.

Raymond lächelte leicht: »Ich ziehe doch nicht unbewaffnet durch die Wälder, mein Junge. Ich bin vielleicht alt, nicht lebensmüde.« Er rümpfte die Nase.

Jeremia sah wütend aus. »Euer Ton gefällt mir nicht. Ich hätte Euch nicht mitnehmen müssen.«

»Oh, das weiß ich. Aber Ihr habt es getan, allein schon, um Olivia, nein, Alexandra zu impo-«

Ich schnitt ihm das Wort ab. »Wollt ihr beiden dieses alberne Gezänke nicht lieber sein lassen?«

Raymond grinste und blickte Jeremia herausfordernd an. »Wollen wir?«

Jeremia zuckte die Schultern, sein Missfallen war ihm deutlich anzusehen. »Meinetwegen.«

Ich verdrehte meine Augen und deutete in Richtung meiner Decke. »Ich werde dann mal...«

»Ja, sicher«, antwortete Jeremia prompt, ein bisschen zu schnell, sodass Raymond vielsagend beide Brauen hob und mich amüsiert ansah. Ich wurde rot und senkte den Blick.

Jeremia wünschte uns eine Gute Nacht und zog sich zum Schlafen zurück. Er wählte einen Flecken Erde, der den Schlafplätzen von Cyryl und Marten am nähsten war und legte sich hin. Ohne es darauf anzulegen, verspürte ich den Wunsch, zu ihm unter die Wolldecke zu schlüpfen. Ich sehnte mich nach seiner Nähe und zu wissen, dass ich ihn nicht haben konnte, fühlte sich scheußlich an.

Nun, da er nicht länger in Raymonds und meiner Hörweite war, begann das Kreuzverhör. »Du warst nicht untätig, wie ich sehe. Das wird dem Thronfolger nicht gefallen.«

»Raymond, ich bitte Euch.«

»Was auch immer ihr in den vergangenen Stunden trainiert habt, Schwertkampf war es nicht.«

Nun war es vollends um mich geschehen. Mein Gesicht brannte förmlich vor Scham. »Hört auf, Euch in Dinge einzumischen, die Euch nichts angehen«, sagte ich, weil mir nichts anderes einfiel und atmete tief durch. »Jeremia und ich sind nur Freunde.«

»Aber du willst mehr.«

Ich hasste es, dass er, wie immer, recht hatte. Also schüttelte ich bloß den Kopf und wechselte das Thema: »Ich werde jetzt schlafen gehen. Du solltet Ihr auch tun.«

„Hast du dir schon mal überlegt, was Connor dazu sagen wird?«

Ich schloss die Augen und versuchte, mich zu beruhigen. »Connor war nie der Richtige.« Jetzt, da ich es laut aussprach, wusste ich, dass es stimmte. Ich brauchte es mir nur einzugestehen.

»Und Jeremia schon?« Aus Raymonds Stimme waren deutliche Zweifel herauszuhören.

Ich beschloss, das Gespräch an dieser Stelle zu beenden. »Gute Nacht.« Damit wandte ich mich ab und ging zu meinem Schlafplatz. In unmittelbarer Nähe konnte ich die Gestalt der Seherin ausmachen, daneben Brees. Ich legte mich hin. Der Boden war hart aber es würde schon irgendwie gehen. Ich rollte mich unter meiner Decke zusammen und konnte noch eine ganze Weile nicht einschlafen.

BORN TO BURN (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt