Kapitel 73

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Als wir uns am nächsten Morgen zum Aufbruch bereit machten, ging es Bree so schlecht, dass sie von Jeremia getragen werden musste und wir sie an einem kleineren Drachenmännchen festbanden. Einer von Kaelans Offizieren würde mit ihr fliegen, um rechtzeitig eingreifen zu können, sollte sich eines der Seile lösen.

Raymond wirkte nicht im Mindesten verängstigt, als man ihm ebenfalls einen Drachen zuwies, und ließ sich nicht einmal beim Aufsteigen helfen. Für einen Mann seines Alters war er ganz schön vital.

Jeremia wiederum saß starr und mit stoischer Miene auf seinem Tier, während sein blasses Gesicht darauf schließen ließ, dass er absolut nicht mit dieser Fortbewegungsmethode einverstanden war und nur deswegen mitkam, weil die Zeit wirklich knapp wurde.

Lavinia befand sich direkt vor mir, sodass ich sie bestens im Auge behalten konnte und streichelte ihrem Drachen immer wieder über seine Schuppen. Sie sah wie eine Göttin aus, majestätisch und wunderschön, als wäre sie auf dem Rücken eines solchen Tieres geboren. Doch es rührte mich nicht. Diese Frau war eine Lügnerin und Verräterin, ein absolutes Miststück und würde mit dem Leben für das bezahlen, was sie Bree und uns allen mit ihren dunklen Machenschaften angetan hatte.

»Sind wir soweit?«, rief Kaelan mit lauter Stimme über die Terrasse. Der Wind war heute nicht so stark, wie er es gestern gewesen war, sodass man seine Worte laut und deutlich verstehen konnte.

Ich tastete instinktiv nach dem Griff meines Langschwerts, der aus der Schwertscheide, die locker an meiner Hüfte hing, ragte und vergewisserte mich, dass mein lederner Kampfanzug richtig saß. Kaelan hatte ihn mir gestern Abend geschenkt, kurz bevor Jeremia und ich uns auf sein Zimmer verzogen hatten.

»Warum tut Ihr das?«, hatte ich ihn gefragt, nachdem ich den Anzug an mich genommen hatte. Er fühlte sich kühl und angenehm an und ich wusste, dass er mir passen würde, ohne ihn anprobiert zu haben.

Er hatte mir kurz in die Augen gesehen und mit den Schultern gezuckt. Dann war er gegangen.

Als Jeremia mich mit der Lederkleidung in der Tür stehen sah, war er wie vor den Kopf gestoßen und starrte mich eine geschlagene Minute wortlos an.

Ich schüttelte hilflos den Kopf. »Es ist doch nur-«

»Ich weiß, was es ist und von wem.« Mehr hatte er nicht dazu gesagt und als ich versucht hatte, mich ihm zu nähern, war er auf Distanz gegangen. Mit einem Lächeln zwar, aber...

Jetzt war nicht die Zeit, mir über Jeremias Eifersucht Gedanken zu machen, auch wenn sie mich schmerzte. Und tief im Herzen wusste ich, dass ich genauso verletzt reagieren würde, würde Jeremia eine so große Aufmerksamkeit von einer anderen Frau zuteil werden. Ich beschloss, mich in Ashbrook mit ihm auszusprechen, noch ehe wir uns in einem blutigen Gemetzel wiederfinden würden.

Ginessa schnaubte und blies blauen Rauch in die kalte Luft, als würde sie mir damit sagen wollen, dass ihr langweilig war und sie endlich wieder fliegen wollte. Ich tätschelte lachend ihren schneeweißen Hals und verstand ganz genau, wie sie sich fühlte. Wir sollten aufbrechen.

Kaelan machte den Anfang. Er saß auf dem größten der Drachen, einem Männchen namens Glen, und positionierte sich an unserer Spitze, um uns zu führen. An beiden seiner Seiten flogen jeweils zwei Soldaten, die den jungen Eiskönig im Auge behalten sollten. Dann gab Kaelan uns ein Zeichen und auch unsere Drachen erhoben sich mithilfe ihrer mächtigen Schwingen in die Luft.

Ich schloss vor Wonne meine Augen und atmete auf, als mich nichts mehr am Boden hielt.

*

Es war weit nach Mitternacht, als die Drachen außerhalb von Ashbrook, ganz in der Nähe des Hofes der Mahoneys, auf einer weitläufigen Wiese landeten. Es war so still, dass keiner von uns es wagte, auch nur ein einziges Wort von sich zu geben, während wir abstiegen und unsere Habseligkeiten mit uns nahmen. Bree wurde von zweien von Kaelans Soldaten von dem kleinen weißen Drachen losgebunden und anschließend von Jeremia getragen. Sie war so klein und dünn und zerbrechlich, dass sich mir bei ihrem bloßen Anblick der Magen umdrehte und ich den Blick abwenden musste, um nicht die Kontrolle über meine Gefühle zu verlieren. Lavinia würde büßen. Allerdings erst später. Und dann würde Bree wieder gesund und Seherin werden.

BORN TO BURN (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt