Kapitel 37

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Er war jung. In Connor Alter, schätzte ich. Seine Züge waren, wie ich bereits trotz Hut festgestellt hatte, von erstaunlicher Sanftheit erfüllt, die mit seiner wortkargen Schroffheit kontrastierte. Seine Augen waren von einem warmen Braun, das mich an die Farbe des populären Schokoladengetränks erinnerte, das der Adel in Ashbrook abends getrunken hatte. Mein Blick wanderte zu seinen Lippen, die er grimmig aufeinandergepresst hielt. Ich war mir sicher, dieser Mann wäre attraktiv, wenn er nicht so wütend aussähe.

Für ein paar Sekunden erwiderte er mein schamloses Starren. Er schien sich ein Bild von mir machen zu wollen. Seine Augenbrauen hoben sich, als Connor unbemerkt an mich herantrat und mir seinen Arm um die Schultern legte. Vor Schreck zuckte ich zusammen.

»Ich hab dich gar nicht kommen hören«, sagte ich tonlos und beobachtete, wie Jeremia sein Augenmerk auf Cyryl und Marten richtete, die auf den Altbau zugingen und sich grinsend miteinander unterhielten. Die Vertrautheit zwischen ihnen war förmlich zu greifen.

»Ein weiteres meiner vielen Talente«, sagte Connor leise lachend und drückte mich fest an sich. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich befürchtet, er wolle seinen Besitzanspruch geltend machen.

Aber es gab keinen. Das hatten wir gemeinsam besprochen.

Jeremia drehte sich von uns weg und schritt zurück zu den Pferden, die die Kutsche den ganzen langen Weg von Ashbrook nach Wiesenthal gezogen hatten und strich ihnen zärtlich über die Nüstern. Sie belohnten ihn mit einem gutmütigen Schnauben und schüttelten ihre Köpfe.

»Jerry!«, rief eine helle Mädchenstimme und eine junge Frau kam auf den Mann zugelaufen. Sie warf sich ihm in die Arme und barg ihren Kopf an seiner Schulter. Erschreckt stellte ich fest, dass er ihre Umarmung nur schweren Herzens über sich ergehen ließ und als es ihm zu viel wurde, schob er sie sanft aber bestimmt von sich weg.

In den Augen des Mädchens schimmerten Tränen. »Du hast viel länger gebraucht als sonst«, sagte sie vorwurfsvoll und warf ihr geflochtenes Haar energisch zurück. »Mom und ich haben uns solche Sorgen gemacht.«

»Ihr solltet euch mehr Sorgen um Saphira machen. Sie lahmt schon seit zwei Tagen und Mom hat noch immer keinen Tierarzt gerufen«, erwiderte Jeremia ungerührt und machte sich daran, die beiden Zugtiere abzuschirren.

»Ich mach das schon«, bot sich das Mädchen an, das wahrscheinlich Jeremias Schwester war, und deutete auf den Altbau. »Geh du schon mal mit Olivia und Connor«, sie verzog das Gesicht, als sie seinen Namen aussprach, »ins Haus. Mom hat gekocht.«

»Danke«, sagte Jeremia trocken und ließ von den Tieren ab, um auf die Tür zuzugehen.

Nach einer Weile, in der er weder mich, noch Connor dazu aufforderte, ihm zu folgen, setzten wir uns von allein in Bewegung und überquerten den Hof.

»Was ist zwischen euch vorgefallen?«, fragte ich, als ich nicht mehr an mich halten konnte. »War er schon immer so...gefühlskalt?«

»Warum interessiert dich das so?«, erkundigte er sich und warf mir einen fragenden Blick zu.

Ich zuckte die Schultern, auf denen weiterhin das Gewicht seines Arms lastete und antwortete: »Ich weiß nicht, ich bin eben neugierig.« Dass ich Jeremia auf irgendeine schräge Weise faszinierend und über alle Maßen interessant fand, musste Connor nicht wissen.

»Wir hatten Differenzen und nein, er war nicht immer so«, erklärte er schließlich seufzend und wechselte sofort das Thema. »Ich bleibe nicht zum Essen, Liv, ich muss so schnell es geht nach Ashbrook zurück. Meine Männer erwarten mich bestimmt schon. Ich begleite dich nur noch auf dein Zimmer und dann...bin ich weg.«

BORN TO BURN (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt