Ein Traum ist unerlässlich, wenn man die Zukunft gestalten will. - Victor Hugo
Charlie konnte es nicht fassen. Mrs. Queller hatte ihr vorgeschlagen, sich einem Komitee anzuschließen, um wieder mehr in den Jahrgang integriert zu werden. Charlie hatte ihrer Idee zugestimmt, aber auch nur weil sie glaubte, dass Mrs. Queller soetwas wie das Jahrbuchskomitee aussuchen würde. Aber nein! Mrs. Queller wollte das sie bei der Planung für den Abchlussball hilft. Das Komitte, was so gut wie nur aus den Cheerleadern besteht. Mit anderen Worte, in dem Komitee waren die beliebtesten Mädchen der gesamten Schule. Und jetzt auch Charlie.
Mrs. Queller wollte sie der Vorsitzenden dieses Komitees vorstellen. Und das war niemand anderes als Anna Montgomery. Die Vorstellung allein war schon der totale Reinfall! Charlie hat kaum ein Wort heraus bekommen, was total peinlich war. Und zum krönenden Abschluss wollte Anna ihr direkt die anderen Mitglieder vorstellen. Damit hatte Charlie weiß Gott nicht mit gerechnet. Und so verbrachte sie ihre Mittagspause am Tisch der Cheerleader.
Charlie hatte sich noch nie so fehl am Platz gefühlt. Aber es war toll. Alles was sie jemals wollte.
Anna hatte sie am Arm mitgezogen, direkt zu ihrem Tisch. Schon von weitem haben sie die anderen Cheerleader angestarrt. "Mädels, das hier ist Charlotte. Sie möchte uns bei der Planung für den Abschlussball helfen." Anna lächelte sie aufmunternd an. Charlie schluckte ihren Kloß im Hals herunter. "Hallo, freut mich euch kennen zu lernen. Ich bin Charlie." Puh, das war schon mal geschafft. Sie hatte sich vorgestellt, ohne zu stottern oder sonst etwas peinliches zu machen. Die Mädchen am Tisch schauten sie erst kritisch, dann abwartend, dann aber freundlich an. "Soll ich dir die Mädchen schnell vorstellen?" Anna schaute sie an. "Ehm, danke aber nicht nötig. Ich kenne sie, ich gehe schließlich schon seit Jahren auf diese Schule." Na toll, jetzt war es offiziell, dass Charlie ein Niemand war. "Achso, stimmt ja, tut mir Leid, dass hatte ich gerade vergessen." Anna war das offensichtlich auch unangenehm. Es klingelte. Gott sei Dank.
Die Mädchen packten ihre Sachen zusammen und standen auf. Anna schaute sie freundlich an. "Sehen wir uns dann Morgen bei dem Treffen?" "Ja." Charlie lächelte leicht. "Gut, bis Morgen also." Und schon stand Charlie wieder alleine da.
Nach dem Unterricht, beschloss Charlie noch auf dem Sportplatz dem Training der Cheerleader und Fußballer zuzusehen. Die Cheerleader waren sich noch am Dehnen, aber die Fußballer hatten bereits eine Art Aufwärmspiel. Charlie setzte sich auf die schon gut besetzte Tribüne. Selbst bei dem Training der Mannschaften gab es immer recht viele Zuschauer, denn hier an der Schule war es eine Art Ritus so den Schultag ausklingen zu lassen. Heute war das erste Mal, dass Charlie zuschauen kam und sich auch auf die Tribüne setzte. Normalerweise schaute sie aus der ferne zu, wo sie keiner beachten konnte.
Ihre Augen suchten das Spielfeld ab und fanden was sie suchten. Oder besser wen sie sichten. James. Er bewegte sich präzise und schnell. Und war einfach nur Wow. Seine schwarzen Haare umrandeten perfekt sein Gesicht, obwohl sie nicht gestylt waren und auf seiner Stirn hatten sich schon die ersten Schweißperlen gebildet. Sein weißes Trikot war im etwas zu groß und umspielte somit nicht annähernd seinen durchtrainierten Körper. Aber Charlie konnte dennoch nicht aufhören ihn anzustarren. Sie musste dringend damit aufhören. Man schwärmt nicht für Freunde anderer Mädchen. Das gehört sich einfach nicht.
Vor allem nicht, wenn dieses Mädchen auch auf dem Sportplatz war und den Jungen gerade küsste, weil er ein Tor geschossen hatte. Charlie seufzte und verließ das Gelände.
Sie fuhr zu ihrem Lieblingsplatz im Park. Eine alte Mühle an einen kleinen Teich. Hier verbrachte sie immer viel Zeit mit nachdenken oder zeichnen. Und hier hatte sie einige ihrer unzähligen Zeichnungen von James angefertigt. Ja er war eines ihrer häufigsten Motive, aber sie schaffte es einfach nicht damit aufzuhören. Jedes mal, wenn sie zu Papier und Stift greift kommt am Ende eine Zeichnung von James heraus. Doch heute wollte sie nicht zeichnen, sondern sich Gedanken über das morgige Treffen machen. Anna hatte sie zu der Sitzung des Komitees eingeladen und Charlie wollte nicht komplett ohne Ideen dort auftauchen. Und wo bekommt man bessere Dekorationsideen her, als in der freien Natur?
Nachdem Charlie einige Entwürfe für Tischdekorationen skizziert hatte, packte sie ihr Zeug zusammen und fuhr nach Hause.
Als sie gerade die Tür rein kam, kommt ihr bereits Lilly entgegen. "Kannst du mich vielleicht zu einer Freundin fahren, Mum muss heute länger arbeiten?" Lilly war mal wieder komplett in schwarz gekleidet und trug dieses eigenartige Waschbären- Makeup. Sie verunstaltete sich damit so stark, aber Charlie hatte aufgehört ihr das zu sagen. Lilly hörte ja sowieso nicht auf sie.
"Ja klar, ich bring nur noch meine Tasche nach oben."
Im Auto herrschte eine gedrückte Stimmung. Lilly schaute aus dem Fenster und hatte Kopfhörer im Ohr, offensichtlich wollte sie kein Gespräch mit ihrer Schwester führen. Das war wie ein Schlag in die Magengrube für Charlie. Sie und ihre Schwester haben sich zu weit von einander distanziert und sie hatte keine Ahnung wie es dazu kam. Charlie konnte sich vorstellen, dass das Leben mit einer kranken Schwester nicht einfach war und Lilly bestimmt auf einiges verzichten musste, aber dafür konnte Charlie nichts. Und es ist auch nicht so, dass Charlie von ihren Eltern bevorzugt wird. Um Lilly kümmerten sie sich genauso sehr.
"Hier kannst du anhalten." Lilly schulterte ihre Tasche und machte die Tür auf. "Soll ich dich irgendwann wieder abholen?" Lilly schaute sie an. Ihr Blick war irgendwie nicht zu deuten, aber es sah so aus als wollte sie abschätzen, was das kleinere Übel war. Nach Hause zu laufen oder mit Charlie in einem Auto zu fahren. "Nein, brauchst du nicht, ich weiß sowieso noch nicht wann ich heim komme." Und schon war die Tür mit einem lauten Schlag zu.
Charlie seufzte und sie spürte wie sich Tränen in ihren Augen sammelten. Sie kam mit einigem klar und schaffte es auch einiges zu überstehen, wie zum Beispiel ihre Krankheit, aber sie war dennoch sehr sensibel wenn es um das Verhalten von Menschen ihr gegenüber geht. Charlie kam nicht damit klar, dass ihre eigene Schwester sie offenbar nicht mochte und das tat ihr weh.
Sie wischte sich einmal übers Gesicht und fuhr zurück nach Hause. Sie musste sich abregen. Abregen war bei Charlie nicht so einfach. Die meisten Menschen reagieren sich mit Sport ab, bis sie so richtig ausgepowert sind. Das fiel für Charlie weg, da sie keinen Leistungssport oder anstrengenden Sport machen durfte wegen ihres Herzens. Andere nahmen stundenlange Bäder, aber das half bei ihr nicht. Also suchte sie sich zu Hause ihren Badeanzug und ein Handtuch zusammen und fuhr zur Schwimmhalle.
Schwimmen half ihr ein wenig. Sie durfte sich nicht überanstrengen, aber wenigstens konnte sie sich hier etwas bewegen. Das Wasser half ihr dabei wieder einen kühlen Kopf zu bekommen und in Ruhe über alles nach zu denken. Es beruhigte sie.
Charlie stellte sich auf den Startblock und sprang mit einem Kopfsprung ins kühle Wasser. Sie schwamm ein paar Bahnen und merkte wie sie allmählich ruhiger wurde. Viel mehr konnte sie auch nicht schwimmen, da der Arzt ihr zwar geraten hat, schwimmen zu gehen, aber sie durfte nur eine bestimmte Anzahl an Runden schwimmen, da es sonst gefährlich für sie werden konnte. Also stieg Charlie wieder aus dem Wasser, trocknete sich ab und ging unter die Dusche. Sie stand einige Minuten einfach nur unter dem heißen Strahl der Brause und entspannte sich. Danach zog sie sich wieder an und packte zusammen. Als sie auf ihr Handy schaute, entdeckte sie einen Anruf ihrer Mutter und rief zurück.
"Hallo, Mum, was war denn?" "Warum bist du nicht ran gegangen, ich habe mir Sorgen gemacht?" Charlie verdrehte die Augen, ihre Mutter machte sich einfach viel zu schnell Sorgen um jemanden. "Tut mir Leid, ich habe Lil zu einer Freundin gefahren und war noch kurz schwimmen, ich bin gleich zu Hause." Sie hörte wie ihre Mutter zufrieden ausatmete. "Ich wollte nur sagen, dass wir heute Chinesisch bestellen wollten, willst du das übliche?" Das Übliche war bei Charlie Glasnudeln, Gemüse und Hähnchenfilet. "Ja, bitte." "Okay, dann bestell ich und nachher können wir ja noch einen Film zusammen schauen oder wolltest du noch weg?"
Was für eine Frage war das denn? Charlie war abends immer zu Hause. Was sollte sie auch sonst großartiges machen, oder besser mit wem? "Ehm, nein ich bin zu Hause, wieso?" "Oh, nur, ich dachte heute wäre vielleicht eine Party oder so auf die du gehen wolltest, aber wenn du zu Hause bleibst, auch gut. Wir sehen uns dann nachher. Mach's gut." Und schon hatte sie aufgelegt.
Aha, daher wehte also der Wind. Heute Abend war sogar tatsächlich eine Party. Eine Art 'Yeah-endlich-sind-wir-im-letzten-Jahr-Party' und Veranstalter war ihr eigener Jahrgang, aber Charlie würde nicht hingehen. Sie wollte nicht mit ihrem Jahrgang feiern mit dem sie sowieso kaum etwas zu tun hatte oder besser wo kaum jemand eine Ahnung hatte, dass sie existierte. Nein, sie würde den Abend zu Hause verbringen, chinesisch essen und sich einen guten Film ansehen. Und das war's. Mehr würde heute Abend nicht bei ihr passierten...
DU LIEST GERADE
Wenn Träume fliegen lernen
Teen FictionEine Geschichte über zwei völlig verschiedene Mädchen, deren Schicksal sie auf ungewollte Weise miteinander verbindet. Anna ist das beliebteste Mädchen der Schule, Cheerleader-Kapitänin und mit dem Jungen zusammen, den sie über alles liebt. Ihr Leb...