Dream as if you’ll live forever, live as if you’ll die today. – James Dean
Charlie ließ den Motor aus. Sie schaute auf den Beifahrersitz, zu Anna. „Bist du bereit?“ Ohne zu ihr rüber zusehen, nickte Anna. Sie stiegen aus dem Auto aus und gingen den Weg zur Kirche hoch.
Überall waren schwarz gekleidete Menschen, und Charlie kannte bis jetzt keinen einzigen von ihnen. Sie fühlte sich fehl am Platz. Sie hatte kein Recht hier zu sein, schließlich kannte sie Anna kaum. Und sie kam sich vor wie ein Eindringling. Störte die Menschen, die Anna wirklich gekannt und geliebt hatten, beim Trauern.
„Du willst doch keinen Rückzieher machen, oder?“ Charlie schaute zu Anna, die mit verschränkten Armen neben ihr stand und sie skeptisch musterte.
„Ich hab dir versprochen mitzukommen, und ich halte mein Versprechen.“ Sie schenkte Anna ein schwaches Lächeln. Hätte sie ihr nicht versprochen mitzukommen, hätte Charlie schon längst die Flucht ergriffen.
Niemand von den hier Anwesenden wusste, dass sie überhaupt etwas mit Anna zu tun hatte. Was sollte sie antworten, wenn man sie danach fragen würde? Oh ja, ich kenne sie, weil sie als Geist bei mir zu Hause wohnt. Schlechte Antwort. Oder, ja ich kenne sie weil durch einen blöden Zufall ich nun ihr Herz in meiner Brust habe und sie seit dem sehen kann. Noch schlechter.
Charlie seufzte. Sie wollte das hier so schnell wie möglich hinter sich bringen.
Sie wagte einen Blick zu Anna. Ihr Gesicht war vollkommen ausdruckslos, so als würde ihr ihre eigne Beerdigung nicht nahe gehen. Aber Charlie wusste, dass das nur eine Fassade war. Eine Mauer, die Anna aufgebaut hatte, um das überhaupt durchstehen zu können.
„Können wir reingehen?“ Charlie nickte ihr kurz zu und öffnete die Tür zum Friedhof.
Die Stimmung auf dem Friedhof war gedrückt. Hier und da hörte man ein Schniefen oder leises Weinen. Um Annas Grab waren einige Kerzen aufgestellt, daneben ein Bild von Anna. Dasselbe Bild, wie in der Traueranzeige.
Sie stellten sich etwas abseits von den anderen Trauergästen. In den ersten Reihen konnte Charlie zwei Mitschülerinnen ausmachen. Susanne und Clary. Cheerleaderinnen und gute Freundinnen von Anna. Beide waren in sich gekehrt, aber standen nah beieinander. Charlie war sich nicht sicher, aber sie vermutete, dass sie sich an den Händen hielten, um sich gegenseitig zu trösten.
Der Kies knirschte, als jemand den Weg entlang kam. Es war James. Er trug einen schwarzen Anzug und in der Hand hielt er eine Kerze, die er zu den anderen auf das Grab stellte. Charlie konnte sogar aus der Entfernung sehen, dass seine Augen rot unterlaufen waren und sie nass waren. Er hatte geweint und so wie es aussah, lange und viel.
James‘ Erscheinung versetzte Charlie einen Stich ins Herz. Sie traute sich nicht zu Anna hinüber zusehen, denn für sie war es wesentlich schlimmer als für sie selbst. Wäre sie in der Situation von Anna, hätte Charlie schon längst angefangen zu weinen und hätte vermutlich nicht so schnell damit aufgehört.
Aber Anna weinte nicht. Ihre Mimik verriet rein gar nichts. Ausdruckslos und kalt. So als wäre sie überhaupt nicht anwesend. Ihr Kopf glitt suchend über die Menge. Nach wem sie Ausschau hielt, wusste Charlie nicht, aber ihre Gedanken wurden unterbrochen als der Pfarrer den Friedhof betrat.
Alle schauten zu ihm nach vorne und begannen mit dem ersten Lied. Charlie hörte jedoch kaum etwas. Ihr Blick war starr auf Anna gerichtet. Sie hatte sich ebenfalls erhoben, aber sie wirkte immer noch, als wäre sie gar nicht hier. Sie schaute nach vorne zum Pfarrer, aber es schien nicht so, als würde sie ihm zuhören.
Die Menge schwieg und der Pfarrer begann mit einer Predigt.
Charlie versuchte ihre Aufmerksamkeit dem Pfarrer zu schenken. Er war schon etwas älter, vielleicht um die sechzig. Er sah nett aus.
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Wenn Träume fliegen lernen
Novela JuvenilEine Geschichte über zwei völlig verschiedene Mädchen, deren Schicksal sie auf ungewollte Weise miteinander verbindet. Anna ist das beliebteste Mädchen der Schule, Cheerleader-Kapitänin und mit dem Jungen zusammen, den sie über alles liebt. Ihr Leb...