Zwischen dem Traum von morgen und dem Bedauern von gestern liegt die Gelegenheit von heute. – Annika Schmitz
Dass dieser Tag nicht leicht werden würde, hatte Anna schon befürchtet. Aber dass es so schrecklich werden würde, hätte sie nie gedacht.
Sie wollte stark bleiben. Keine Schwäche zeigen. Und schon gar keine Tränen.
Der Plan war kläglich gescheitert.
Schon bei Mollys Rede war sie den Tränen nahe, konnte sie aber noch zurück halten. Bei Clary und Susanne war es nicht besser. All die Erinnerungen, die wieder hochkamen, waren einfach zu viel für sie.
Und dann kam James. Ihre Tränen wollten gar nicht mehr aufhören.
Das Schlimmste an der ganzen Sache war jedoch etwas anderes.
Anna hatte sich schon die ganze Zeit suchend nach ihr umgesehen, konnte sie aber nicht finden. Ihre Mutter.
Das war für Anna wie ein Schlag ins Gesicht gewesen. Ihre eigene Mutter hielt es nicht für nötig auf die Beerdigung ihrer einzigen Tochter zu gehen.
Das klang wie ein schlechter Scherz. Aber dieser schlechte Scherz war nun Annas verkorkstes Leben. Oder ihr verkorkster Tod, je nachdem wie man es sehen möchte.
Aber Charlie war die ganze Zeit an ihrer Seite. Sie ist Anna sogar gefolgt als sie heulend weggelaufen ist, weil James Rede einfach zu dramatisch und traurig für sie war.
Anna ist normalerweise nicht so der Romantiker, aber ihre Beerdigungen und die Reden waren filmreif und es war nicht möglich die Tränen zurückzuhalten.
Die Tränen versiegten augenblicklich, als Anna ihre Mutter sah. In einem schwarzen Etuikleid, ihre blonden Haare etwas unordentlich hochgesteckt. Ihre Augen waren gerötet und in ihrer Hand hielt sie ein Stofftaschentuch. Aber es war ihre Mutter. Alice Montgomery.
Auch wenn Anna sauer sein wollte, weil ihre Mutter erst jetzt kam, fiel ihr ein Stein vom Herzen. Ihre Mutter war gekommen und irgendwie war für Anna nun alles perfekt. Die wichtigsten Menschen in ihrem Leben waren gekommen, um sich von ihr zu verabschieden.
Die Beerdigung war vorbei. Anna und Charlie haben schon eine Zeit lang Alice zugesehen, wie sie vor dem Grab ihrer Tochter stand und leise sprach.
Anna wäre in der Lage, jedes Wort, was ihre Mutter an ihrem Grab gesagt hatte, wortwörtlich zu wiederholen. Aber sie wollte nicht erneut anfangen zu weinen.
Charlie musste sie förmlich zwingen den Friedhof zu verlassen. Im Nachhinein war sie ihr sehr dankbar dafür.
Nun war Anna ausgelaugt und müde. Verzweifelt und leicht depressiv.
Sie saßen in Charlies Auto und fuhren Gott weiß wohin. Anna war es herzlich egal. Sie war mit ihren Gedanken immer noch bei ihrer Beerdigung.
Plötzlich fuhr das Auto rechts ran und stoppte.
„Okay, jetzt reicht es!“ Charlies Stimme war ungewöhnlich laut. Sie drehte sich zu Anna um.
„Ich weiß, die ganze Situation ist nicht einfach für dich, das versteh ich und mir würde es nicht anders gehen. Aber du kannst daran nichts mehr ändern. Das kann niemand. Also würdest du bitte nicht so traurig gucken? Ich ertrage diesen Blick einfach nicht mehr! Bitte, ich flehe dich an!“
Ihr Gesichtsausdruck wirkte schmerzhaft. Sah Anna denn wirklich so schlimm aus?
Anna konnte auf Charlies Aussage nichts erwidern. Sie starrte sie einfach nur an.
„Könntest du bitte etwas sagen und aufhören mich so anzusehen?“ Nur mit Mühe konnte Anna den Kloß in ihrem Hals loswerden.
„Wenn du nicht willst, dass ich traurig gucke oder Löcher in die Gegend starre, musst du mich eben ablenken. Und zwar richtig gut ablenken.“
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Wenn Träume fliegen lernen
Novela JuvenilEine Geschichte über zwei völlig verschiedene Mädchen, deren Schicksal sie auf ungewollte Weise miteinander verbindet. Anna ist das beliebteste Mädchen der Schule, Cheerleader-Kapitänin und mit dem Jungen zusammen, den sie über alles liebt. Ihr Leb...