Enttäuschungen

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Mein Handy vibrierte auf dem Beifahrersitz. Ich hatte nichts dabei außer die Autoschlüssel und mein Handy, nicht mal Geld oder einen Ausweis um mich auszuweisen.
Ich schaute kurz nach rechts und vergewisserte mich, dass es nur wieder mein Vater war.

Ben hatte mir die Augen geöffnet, obwohl er kaum etwas gesagt hatte.
Damals war es mit Ben das gleiche gewesen. Ich hatte mich in Julian verliebt obwohl ich noch mit Ben zusammen war und hab mir ständig versucht einzureden, dass ich auch ohne Julian zurecht kam...
Hab ihn betrogen, hintergangen... Und letztendlich haben sie mich verarscht.
Ich war nicht mehr sauer, Ben anscheinend auch nicht und Julian war nie wirklich sauer gewesen. Die einzige bei der ich mir absolut sicher war, dass sie mich nie wieder sehen wollte war Ashley...

Es fing an zu regnen. Der Regen machte es schwer auf der Straße etwas zu sehen aber ich kam durch.
Mal hier mal da hörte man das ein oder andere Hupen, weil ich viel zu schnell fuhr.
Ich musste es endlich klären.

Alex wartete unter einem kleinen Vorsprung, damit er nicht nass wurde, ich parkte nicht, sondern stoppte einfach und stieg aus.

Ich war überrascht, dass er überhaupt gekommen war.

"November."
"Wir müssen reden und ich will dass du mir zuhörst.", antwortete ich mit fester Stimme und schloss für einen kurzen Moment die Augen.
"Du hast mir wirklich viel bedeutet, du bedeutest mir auch immer noch viel, aber ich will das nicht mehr, nicht schon wieder. Ich hab diesen Fehler schon einmal gemacht, du hast es verdient glücklich zu werden aber nicht mit mir."
"Du machst Schluss?"

Das erste Mal mache ich Schluss, ich.

Seine Stimme klang zittrig, als hätte er einen Kloß im Hals.
"Ich liebe dich November."
"Ich liebe dich auch aber ich liebe Julian mehr."
"Warum?"

Warum, gute Frage. Wie soll man Gefühle erklären? Sie sind einfach da und manchmal gehen sie nie weg.
Manchmal kann man eine Person noch lieben obwohl sie einen bis ins unendliche verletzt hat. Du hast dir die Augen ausgeheult wegen dieser Person, hast gelitten und wolltest trotzdem nie etwas anderes als mit dieser einen Person zusammen sein und warum?
Keine Ahnung warum.

Ich zuckte mit den Schultern.
"November... Sag mir, was du an ihm besser findest."
"Ich kann es nicht. Ihr seid nicht vergleichbar."
"Du hättest alles haben können. Ein Haus, eine Familie, Kinder..."
"Aber nicht mit dir."
Das versetzte ihm anscheinend einen Schlag, denn er war plötzlich verstummt.
"Darf ich dich noch ein letztes Mal küssen?", fragte er plötzlich und es fühlte sich so irreal an, dass ich nicht sofort nein sagen konnte.
"Ich will es fühlen, fühlen dass da nichts mehr ist."
Er zog mich an sich heran und legte seine Lippen auf meine, ließ aber sofort wieder ab und starrte mich an, als hätte ein Blitz eingeschlagen. Er spürte, dass ich absolut Recht hatte, er fühlt ebenfalls nicht mehr das gleiche, er war enttäuscht, enttäuscht dass keine angenehme Wärme in ihm hochstieg, dass sein Magen keinen Salto schlug, dass alles was wir hatten mit einem Mal verpufft war... All das konnte man in seinem Blick ablesen.

"Ich habs verstanden."
Ich nickte und umarmte ihn kurz, ich drehte mich zum gehen um als er noch hinzufügte.
"Viel Glück..."
Mit einem kurzen Lächeln dankte ich ihm und wollte wieder ins Auto einsteigen, als er noch rief: "So wie du grade aussiehst, wirst du es brauchen." Er lachte über seinen eigenen Witz und drehte sich ebenfalls zum Gehen um.
Ich betrachtete mich im Rückspiegel meines Autos und ließ den Motor an.
Er hatte Recht, mein ganzes Makeup war verlaufen und ich sah total schrecklich aus.
Vorsichtig wischte ich mir dir verlaufene Mascara unter den Augen mit der Rückseite meines Ärmels weg und lächelte zuversichtlich.
Und nun zu Julian.

Wie erklärte ich Julian nun, dass seine Freundin ein Miststück ist?

Ich wusste außerdem gar nicht wo Julian wohnte...
Und jetzt?
Julian würde sich nie freiwillig mit mir treffen nach dem was passiert ist.

-

"Ja bitte?"
"Könnten sie mir die Adresse von jemandem geben?"
Die Sekretärin der Universität verzog das Gesicht, als würde sie mit jedem ihrer Muskeln im Gesicht ausdrücken wollen, dass sie alles andere konnte nur nicht das.
Ich war nachdem ich festgestellt hatte, dass ich nicht wusste wo Julian wohnte, wieder ausgestiegen und im Eiltempo zum Universitätseigenen Infozentrum gerannt, da es mittlerweile immer heftiger regnete.
"Ich kann nicht einfach Adressen von Studenten an wildfremde Leute rausgeben."
"Aber ich bin doch selbst Studentin! Und wenn dieser Julian meine Adresse haben wollen würde, würde ich das befürworten! Also bitte!"
"Es geht nicht, entschuldigen sie."
"Bitte, es ist wichtig. Dieser Julian bedeutet mir sehr sehr viel."

Die Tür hinter mit fiel ins Schloss.
"Ach wirklich?"
Amelie, Julians Freundin kam, ihren Autoschlüssel umklammert, ins Sekretäriat, so perfekt gestylt, als hätte sie nicht mal Ahnung davon, dass es draußen regnete.
"Da bist du ja endlich.", meinte eine der Sekretärinnen zu ihr und machte ihr einen Platz am Schreibtisch frei.
"Du arbeitest hier?", kam etwas stockend aus meinem Mund, fassunglos und mittlerweile alles andere als überrascht, dass sie mir die Adresse nicht geben wollte.
"Manchmal.", lächelte Amelie arrogant und zog die Augenbraue hoch.
"Brauchst du irgendwas?"
Ich schüttelte den Kopf.
"Du hilfst mir sowieso nicht.", meinte ich trocken und drehte mich zum Gehen um.
"Versuch dein Glück ruhig, Julian will sowieso nichts von dir wissen."
Sie streckte mir einen Zettel mit einer verschnörkelten Schreibschrift hin, die ich vermutlich schön finden würde, wenn ich Amelie nicht so hassen würde.

Was ist wenn sie mir absichtlich eine falsche gab?

Zögernd nahm ich den Zettel, welchen sie zusätzlich noch schön gefaltet hatte und steckte ihn in meine Tasche.
Dann ging ich ohne ein letztes Wort.

Ich musste jede Chance nehmen, die ich kriegen konnte, selbst wenn mir Amelie vielleicht grade eine falsche Adresse gegeben haben könnte,
ich musste es zumindest versuchen.

Jugendsünden [Fortsetzung Feindschaft+]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt