Licht und Schatten

252 11 2
                                    

Celleth**
,,Gibt es Neuigkeiten aus dem Westen?", fragte ich zwei Wachmänner. ,,Law, hir nin (nein mein Herr), keine Nachricht", antwortete der kleinere der beiden. ,,Dann sind sie ihnen noch auf der Spur", murmelte ich. ,,Wer ist wem auf der Spur, hir nin?", fragte der größere Elb. ,,Das geht dich nichts an, Wachmann", entgegnete ich, ,,Und nun verlange ich einen ausführlichen Bericht über die Grenzaktivitäten, schließlich ist das der eigentliche Grund, weshalb ihr hier seid." ,,An den Grenzen ist es ruhig, hir bin", erklärte der Kleinere, ,,Was mir mehr Sorgen bereitet, ist die steigende Aufruhr innerhalb des Reiches." ,,Was meinst du damit?", fragte ich und erhob mich vom Thron. ,,Einige wollen nicht wahrhaben, was geschehen ist und akzeptieren Euch nicht als neuen König", erklärte der Wachmann etwas zögernd. Während er sprach, schritt ich die Stufen des Throns hinab. ,,Aufständische, soso", sagte ich, ,,Was wisst ihr über sie?" ,,Nicht viel, Herr. Es sind vereinzelte, kleine Gruppen, meist Elben derselben Berufe", erklärte der Kleinere. Der größere Wachmann schwieg. Plötzlich stürmte ein Grenzwächter in den Thronsaal. ,,Mein König! Mein König!!!", rief er aufgeregt, ,,Das Volk! Viele wollen das Reich verlassen!!!" ,,Wie meinst du das!?", fragte ich, sofort alarmiert. ,,Eine Gruppe von mindestens 100 Elben hat die westliche Grenze erreicht und will sie passieren. Wir hielten sie auf, aber sie wehren sich", erklärte der Elb noch immer aufgeregt. Ich überlegte für einen Moment. ,,Wer führt die Gruppe?", fragte ich dann. ,,Wir konnten keinen klaren Anführer erkennen", antwortete der Elb. Wieder schwieg ich für einen Moment, doch das leise Geräusch von schnellen Schritten, die sich entfernten, riss mich aus meinen Gedanken. Innerhalb von Sekunden erfasste ich die Situation: Der größere Wachmann hatte meine gedankliche Abwesenheit genutzt und war nun auf den Weg, die Hallen zu verlassen. ,,Verräter!!!", schrie ich und rannte ihm hinterher. Die Wachen, die mir entgegenkamen, sahen mich verwirrt an. ,,Ich brauche mein Pferd!", rief ich einem von ihnen zu, ohne den fliehenden Elb vor mir aus den Augen zu lassen. Schließlich erreichte ich den Hof und sah, wie der Elb einem Stallburschen die Zügel eines Pferdes entriss, aufstieg und durch das Tor in den Wald galloppierte. Gerade in diesem Moment führte ein weiterer Stallbursche mein schneeweißes Pferd aus dem Stall. Ich entriss ihm die Zügel, schwang mich auf den Rücken des Pferdes und folgte dem Flüchtigen in vollem Gallopp. Schnell hatte ich den Elb wieder entdeckt, wie er auf seinem Pferd vor mir durch den Wald preschte. ,,Weglaufen bringt dir nichts! Ich kriege dich sowieso!", rief ich nach vorne zu ihm. Kurz wandte er den Blick über seine Schulter zu mir und ich sah deutlich die Angst in seinem Blick. Ein Grinsen stahl sich auf meine Lippen, während ich das kleine Messer, welches ich immerzu an meinem Gürtel trug, zog. ,,Du entkommst mir nicht!", rief ich, holte mit dem Arm aus und warf das Messer nach vorne. Für einen Augenblick geschah nichts und ich sah dem blitzenden Metall dabei zu, wie es durch die Luft flog, doch dann traf das Messer genau den Punkt, auf welchen ich gezielt hatte: Den Hals des Elbs. Auf der rechten Seite direkt am Übergang vom Hals zur Schulter, bohrte sich die scharf geschliffene Klinge des Messers durch die Kleidung und in das Fleisch des Elbs. Mit einem Schmerzensschrei fiel er seitwärts vom Pferd. Das stolze Tier galloppierte weiter in den Wald, während sein Reiter mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Waldboden lag. Ich parierte mein Pferd durch und brachte es neben ihm zum Stehen. ,,Ich sagte doch, du entkommt mir nicht", sagte ich und stieg ab. Der Elb wich, trotz offensichtlich starker Schmerzen, ein Stück zurück. Ich packte ihn jedoch am Kragen und hielt ihn somit fest. ,,Wie heißt du, Verräter!?", fragte ich ihn. ,,Ihr seid der einzige, wirkliche Verräter hier", entgegnete der Elb. ,,Deinen Namen will ich wissen!", zischte ich, packte den Griff des Messers, welches noch immer im Hals des Elbs steckte und zog leicht daran. Der Elb schrie auf vor Schmerz und versuchte sich, verzweifelt aus meinem Griff zu befreien, doch er schaffte es nicht. Weitere Schmerzensschrei folgten, da ich meine Folter nicht stoppte. ,,Celegon...", brachte der Elb schließlich leicht gebrochen hervor. Ich stoppte meine Folter. ,,Warum denn nicht gleich so?", meinte ich, ,,Du hast mich, den König verraten und hintergangen, Celegon. Dieses Verbrechen wird mit dem Tod bestraft!" Celegon lachte kurz und brüchig auf. ,,Bis Ihr mich zum Vollstrecker oder wohin auch immer gebracht habt, bin ich doch schon längst tot", sagte er. ,,Glücklicherweise irrst du dich, Celegon, denn ich bin mein eigener Vollstrecker. Der, der ein solches Gesetz erlassen hat, sollte sich nicht davor scheuen, es selbst auszuführen. Und nun sag mir, Celegon der Verräter, wo befindet sich die Gruppe, die mein Königreich ohne meine Erlaubnis, verlassen will?", entgegnete ich, während ich meine Folter fortsetzte. Celegon schrie auf und versuchte wieder, mir zu entkommen, doch ich hielt ihn fest wie zuvor, sodass er nicht die geringste Chance hatte, den Schmerzen zu entgehen. ,,Ich beende die Schmerzen, wenn du es mir sagst", sagte ich mit einem Grinsen auf den Lippen. ,,Eher sterbe ich, als meine Freunde zu verraten", brachte Celegon mit immer leiser werdender Stimme hinzu. ,,Sterben wirst du sowieso, doch ich gebe dir mein Wort, dass niemand aus der Gruppe sterben wird, wenn du mir nur die Richtung verrätst", sagte ich, ,,Finde ich heraus, dass du lügst, sterben sie alle." ,,Bis Ihr sie gefunden habt, sind sie bereits außer Eurer Reichweite und Eures Einflussbereichs", entgegnete Celegon und versuchte das Blut, welches aus der Wunde an seinem Hals neben der Klinge des Messers herausquoll, mit der Hand notdürftig zu stoppen. ,,Ich finde sie sowieso, weshalb eine Lüge deinerseits nur unnötiges Blutvergießen zur Folge hätte", erklärte ich. Meine Augen waren ununterbrochen auf Celegon geheftet und beobachteten, wie die Kraft langsam seinen Körper verließ und der Lebensglanz seiner Augen mit jedem Augenblick ein kleines Stück trüber wurde. ,,Du stirbst, deine Kraft verlässt dich bereits. Entscheide dich! Lüge und töte damit deine Freunde oder sage dir Wahrheit und rette sie", sagte ich eindringlich und riss seinen Kopf nach oben, damit er mich wieder ansah. ,,Möge grausames dich ereilen, solltest du dein Wort nicht halten!", zischte Celegon und hob dann seinen Arm schwach und zitternd in die Richtung, in der sein Pferd verschwunden war. ,,Du hättest dir Schmerzen ersparen können, Verräter, doch sterben musst du dennoch!", flüsterte ich in sein Ohr, zog ruckartig das Messer aus der Wunde und rammte es in sein Herz. Ein erstickter Schmerzenslaut verließ Celegons Kehle, bevor er kraftlos an meine Schulter sank. Lange verharrte ich nicht so. Ich hiefte die Leiche auf mein Pferd, legte meinen Umhang darüber, damit man sie nicht sah, stieg selbst wieder auf und ritt in die Richtung, die Celegon mir gezeigt hatte. Bereits nach einigen Minuten hörte ich Stimme, doch sie verstummten schnell. Offenbar hatte man die Hufschläge vernommen. Ich stoppte mein Pferd im Schatten zweier dunkler Tannen und stieg ab. Leise flüsternd gab ich den stolzen Tier auf Sindarin Anweisungen. Dann lief ich zu Fuß weiter auf die Gruppe zu. Ich erkannte Männer, Frauen und sogar einige Kinder, die ungeduldig am Waldrand standen. Eine Truppe von neun Grenzwächtern hinderte sie mit Mühe daran den Wald zu verlassen. ,,Mir wurde zugetragen, Verräter wollten mein Reich verlassen", sagte ich und trat aus dem Schatten der Bäume hervor. Die Gruppe drehte sich, größtenteils erschrocken, zu mir um, während die Grenzwächter sichtlich erleichtert eine kurze Verbeugung andeuten. Kurzes Schweigen entstand, während ich die Gruppe mit den Augen nach einem potentiellen Anführer absuchte, doch fündig wurde ich nicht. ,,Ihr habt gute Arbeit geleistet, Grenzwächter", sagte ich schließlich, ,,Doch nun zu den Verrätern: Wer ist euer Anführer, wenn ihr denn einen habt?" Wieder herrschte einen Augenblick lang Stille. Die Elben warfen sich gegenseitig blicke zu, bis plötzlich ein Elb aus der Mitte heraustrat. ,,Ich habe dieses Vorhaben gestartet und die Gruppe geführt", sagte er mit fester Stimme, die Hand an seinem Schwert. ,,Du bist mutig, dich zu zeigen, schließlich ist dir die Strafe für ein solches Verbrechen bekannt, nicht wahr?", sagte ich, während ich ihn musterte. Er war kein junger Elb, aber jünger wie ich war er dennoch. ,,Wir haben Schreie gehört. Was habt Ihr getan!?", fragte er mich. ,,Ein Verräter hat seine Strafe erhalten", antwortete ich, ,,Er wahr wohl auf dem Weg zu euch. Aber nun zu Euch, Anführer. Was sollte das alles hier?" ,,Wir werden nicht unter der Herrschaft eines Lügners und Verräters leben!", sagte er mit voller Ernsthaftigkeit. ,,Du wagst es, mich Lügner und Verräter zu nennen!", zischte ich, denn wenn mich eines zur Weißglut brachte, dann war es jemand, der mich einen Verräter nannte. ,,Du willst mein Königreich verlassen? Gut, aber dann musst du für dieses Privileg kämpfen", sagte ich. ,,Ich kämpfen für die Freiheit der gesamten Gruppe. Und zudem habt Ihr nur ein Messer als Waffe", stellte der Elb fest, zog aber dennoch sein Schwert. ,,Das dürfte dir doch egal sein, schließlich ist es ein Vorteil für dich", meinte ich und zog mein Messer, ,,Wenn du gewinnst, darf die gesamte Gruppe mein Reich verlassen. Gewinne ich, werden alle zu Gefangenen. Während des Kampfes  bewegt sich keiner der Gruppe von der Stelle, es sei denn, sie wollen so enden wie Celegon." Ich stieß einen laute Pfiff aus und im nächsten Moment trat mein Pferd neben mich. Es war ein treues Tier, welches mir schon lange gute Dienste erwiesen hatte. Mit einer fließenden Bewegung zog ich Celegons toten Körper vom Rücken meines Pferdes, sodass er für alle sichtbar auf dem Boden lag. Einige Kinder schrien entsetzt auf, während es sich Frauen, sowie Männer gekonnt verkniffen. Dennoch ging ein geschocktes Raunen durch die Gruppe. Auch der Anführer starrte die Leiche entsetzt an. ,,Du Monster! Du hast meinen Vater getötet!!!", schrie er dann. Von Wut und brodelndem Hass getrieben, griff er mich mit seinen Schwert an. Seine Hiebe waren äußerst kraftvoll und selbst für mich schwer abzuwehren, doch Wut machte nicht nur stark, sondern auch blind. In einem kurzen unachtsamen Moment, setzte ich endlich meine Magie ein, die schon seit Beginn der Verfolgungsjagd nur darauf wartete, aus mir herauszubrechen. Schlingen wie aus schwarzem Geäst strömten aus meinen Händen, brachten meinen Gegner zu Fall und hielten ihn am Boden. Immer wieder schaffte er es, mit dem Schwert einige der schwarzen Ranken zu durchtrennen, doch es nützte ihn rein gar nichts. Schließlich verlor er sein Schwert aus der Hand und gab schließlich auch den Widerstand gegen die schwarzen Ranken auf. ,,Ich brauche keine Waffe, ich bin die Waffe!", sagte ich, während ich ihn dazu zwang, mich anzusehen. ,,Wie heißt du?", fragte ich ihn dann. ,,Feredir", spuckte er mir seinen Namen entgegen. Ich richtete mich wieder auf und lief ein paar Mal um ihn herum. Dann wandte ich mich an die Grenzwächter. ,,Sperrt sie alle ein!", befahl ich. ,,Mein König, wir haben keinerlei Fesseln mit uns", entgegnete ein Grenzwächter etwas kleinlaut. Eine kleine Handbewegung meinerseits genügte und die gesamte Gruppe war in Ketten gelegt. ,,Sorgt dafür, dass ihr das nächste Mal Fesseln bei euch tragt!", ermahnte ich die Grenzwächter. Alle nickten eifrig und führten die Gefangenen ab. Ich wandte mich wieder an Feredir, der noch immer von den Schwarzen Ranken gefesselt, am Boden hockte. Wehmütig sah er der Gruppe nach. ,,Du wirst doch nicht etwa sentimental, Feredir", meinte ich. ,,Was hast du mit mir vor, du Monster!?", entgegnete er barsch. ,,Monster? Das bringt mich auf eine viel bessere Idee, wie die die mir bis jetzt vorschwebte", meinte ich nachdenklich, während sich ein Grinsen auf meine Lippen stahl. ,,Was meinst du damit?", fragte Feredir und ich meinte, ein wenig Angst in seiner Stimme zu hören. Ich kniete mich vor ihn, sodass wir auf Augenhöhe waren. ,,Bald schon wirst du das Monster sein, Feredir. Schade um ein so schönes Gesicht...", sagte ich und strich mit den Händen über seine markanten Wangenknochen, ,,...doch Strafe muss sein. Wobei diese Strafe bald ein Privileg für dich sein wird." ,,Du bist verrückt! Ein verrückter Elb mit größenwahnsinnig en Vorstellungen und verdorbener Magie!", zischte Feredir. ,,Das ist keine verdorbene Magie. Das ist die einzige Magie, die für immer währen wird, denn wo Licht ist, ist auch immer Schatten, mein Lieber", entgegnete ich. Feredir versuchte mich einmal, sich von seinen Fesseln zu befreien, scheiterte jedoch vergeblich. Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. ,,Du vergeudet deine Kraft", sagte ich. ,,Du tötest mich doch sowieso", meinte Feredir hasserfüllt. ,,Oh nein, Feredir, dafür bist du als starker Krieger viel zu wertvoll", entgegnete ich und erhob mich wieder, ,,Du wirst der Erste von vielen sein. Der Vater der Schwarzelben!" ,,Schwarzelben?", fragte Feredir verwirrt. ,,Stärker und gefährlicher als es Elben jemals waren. Meine Waffe, geschaffen aus der Macht meines Vaters, damit mein Blut endlich bekommt, was ihm zusteht!", erklärte ich und spürte die Magie dabei durch meine Adern pulsieren. Ich liebte das Gefühl der Stärke und Macht, die mir die Magie verlieh und ebenso die Furcht meiner Gegner, wenn sie letzten Endes erkannten, mit wem sie es zu tun hatten. So auch bei Feredir, denn ich wusste, er sah das Glühen in meinen Augen und das, sonst verborgene, goldene Schimmern meiner Haare, als ich mich wieder zu ihm drehte, mit einem siegessicheren Lächeln auf den Lippen.

•••
Dieses Kapitel ist ein bisschen kurz geworden, ich weiß. Ich hoffe es hat euch trotzdem gefallen.
LG Luisa🌺

Kissed by Fire ⚜A Middleearth Story | Book 3⚜Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt