Thranduil
Ich schloss die Tür auf und betrat den Raum dahinter. Feren saß seelenruhig auf einem der Sessel und wandte seinen Blick zu mir. ,,Ich wusste, du würdest als erster zu mir kommen", sagte er, ,,Wie geht es Legolas?" ,,Besser", antwortete ich auf seine Frage und stellte mich hinter den zweiten Sessel. ,,Aber ich bin nicht hier, um über Legolas zu sprechen", meinte ich dann. Feren nickte nur und sah mich erwartungsvoll an. ,,Du hast mich verraten", begann ich. Feren unterbrach mich jedoch. ,,Ich hatte keine andere Wahl", sagte er. Zweifelnd sah ich ihn an. ,,Du weißt schon, dass dich diese Aussage nicht gerade glaubwürdiger erscheinen lässt", stellte ich klar und begann von neuem: ,,Du hast mich verraten, mich Celleth praktisch ausgeliefert. Dann bist du spurlos verschwunden und jetzt tauchst du hier wieder auf und rettest Legolas und mir das Leben. Etwas paradox, findest du nicht auch?" ,,Wenn du es mich erklären lässt, wirst du es verstehen", meinte Feren. Ich musterte ihn genau, bevor ich nickte. ,,Gut, dann erklär es mir", sagte ich, ,,Und zwar alles. Von deiner Verbindung zu Celleth bis zu deinem Kampfstil, den du definitiv nicht im Waldlandreich erlernt hast." Feren nickte. ,,Das könnte eine Weile dauern", meinte er dann und deutete auf den Sessel ihm gegenüber. Ich zögerte einen Moment. Wenn ich mich setzte, gäbe es kein Hindernis mehr zwischen Feren und mir und ich war mir sicher, er könnte mich innerhalb von Sekunden töten, ohne dass ich auch nur in der Lage wäre, überhaupt zu einer Waffen zu greifen. Feren sah mir meine Unsicherheit offenbar an, denn er lachte kurz. ,,Dich so umzubringen, wäre nun wirklich anstandslos", meinte er und lehnte sich zurück, die Füße auf den kleinen Beistelltisch hochgelegt. Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte ich ihn. Allein seine momentane Körperhaltung zeigte mir, dass ich ihn wohl nie wirklich gekannt hatte. Denn der Feren, den ich einst meinen Seelenbruder nannte, hätte sich niemals auch nur ansatzweise so mir gegenübergesetzt. ,,Ich höre", meinte ich, nachdem ich mich schließlich doch in den zweiten Sessel gesetzt hatte, wenn auch noch etwas angespannt. Feren begann zu erzählen: ,,Beginnen wir mit meinem Kampfstil. Das ganze begann einige Zeit bevor du und dein Vater aus Beleriand zu uns gekommen seid. Ich war noch ziemlich jung, gerade erst reif genug, um als Erwachsener gesehen zu werden. Damals ging es am königlichen Hof deutlich schlimmer zu. Ein Haufen adliger Familien, die sich gegenseitig hassten und selbst die alleinige Macht wollten. Genau das nutzten wir allerdings aus. Wir waren wie Schatten am Hof, von Kindesbeinen an darauf trainiert zu morden. Ich war einer der besten dieses Handwerks, trotz meines jungen Alters. Durch mein Talent wurde ich gut bezahlt und konnte meiner Schwester und mir ein gutes Leben ermöglichen, auch wenn sie es nicht mochte, wie wir zu diesem Wohlstand gekommen waren. Ich hörte nicht auf sie, sondern nahm immer mehr Aufträge an, berauscht von dem Einfluss und dem Gold. Manchmal war es jemand ganz normales, den ich tötete, weil ein Lord ihn bezichtigte, seine Frau geschändet zu haben, ein anderes Mal war es ein Erbe des Throns, dessen Wein ich vergiftet hatte. Ich weiß nicht wie viele es waren, die durch mein Zutun den Tod fanden, aber ich bereute es nicht, denn etwas anderes kannte ich nicht. Doch an einem Tag änderte sich plötzlich alles. Ich erhielt die Nachricht, dass einer der Lords einen Auftrag mit sehr hoher Bezahlung für mich hatte. Als er mir jedoch sagte, wen ich diesmal in Mandos Hallen schicken sollte, war ich zum ersten Mal darüber erschrocken. Mir wurde zum ersten Mal wirklich bewusst, was ich tat, denn der Lord verlangte von mir meine eigene Schwester und ihren Verlobten zu töten. Sie hatte die Avancen des Lords mehrfach abgewiesen und er war der Meinung, wenn er sie nicht haben konnte, sollte es auch niemand anderes. Als ich zögerte, drohte er mir sogar damit, zu verraten, dass ich erst kürzlich den damaligen Kronprinzen umgebracht hatte. Ich konnte jedoch unmöglich meine Schwester töten. Sie war die Familie, die mir geblieben war. Ich bat den Lord um ein paar Tage Zeit, unter dem Vorwand mir einen Weg zu überlegen, wie man den Mord nicht auf ihn zurückführen könnte. Dann berichtete ich meiner Schwester davon und wir schmiedete einen Plan. Als ich mich zwei Tage später wieder mit dem Lord traf, verlor ich keine großen Worte, sondern stach ihn nieder mit drei Stichen ins Herz. Für meine Schwester, ihren Verlobten und mich. Danach fühlte ich mich irgendwie befreit. Ich war frei von dem Kreis aus Auftrag, Mord, Bezahlung und dem nächsten Auftrag, in dem ich gesteckt hatte. Um meine Schwester zu schützen, hatte ich sie in euer Lager geschickt. Ich folgte ihr nur wenige Tage später, aber daran erinnerst du dich sicher selbst. Dein Vater war es, der meine Fähigkeiten schließlich bemerkte, allerdings hielt er dieses Wissen auf meine Bitte hin geheim. Als ihr es schließlich geschafft hattet, das Chaos um den Thron zu beruhigen und der erste Krieg gegen Sauron ausbrach, bat dein Vater mich, einen Dämon, den man gefangen hatte, zu studieren und eine effektive Verteidigung gegen diese zu entwickeln. Das Ergebnis ist der Kampfstil den du vorhin gesehen hast." Feren hielt kurz inne und sah mich an, als erwarte er, dass ich etwas sagte. Ich jedoch blieb still und wartete darauf, dass er weitersprach. ,,Dann kommen wir jetzt zu Celleth", meinte Feren, ,,Ungefähr ein Jahr vor deiner Erblindung erfuhr ich durch Zufall, dass er noch am Leben war und im Exil lebte. Ich wollte es dir sofort sagen, doch kam es nicht dazu, da zwei seiner Spione mich auf dem Weg zu dir abfingen und mir sagten, sie hätten meine Schwester und ihre Familie. Ich würde sie nie wieder sehen, würde ich mich weigern, Celleth zu helfen. Zuerst wollte ich ihnen nicht glauben, aber als ich das Haus meiner Schwester verlassen und verwüstet vorfand, bestand kein Zweifel mehr. Gezwungenermaßen wurde ich also zu einem von Celleth Spionen, doch ich hasste es. Nicht nur wegen der Angst um meine Schwester, sondern auch weil ich mich wieder wie damals fühlte, als ich von den Aufträgen der Lords abhängig war. Ich konnte nicht riskieren, dir etwas zu sagen, sonst wären meine Schwester und ihre Familie getötet worden, genauso wie du und am Ende auch ich. Also hatte ich beschlossen, dich so gut es ging im Geheimen zu schützen. Das hatte bis zu deinem Unfall auch recht gut funktioniert. Danach wurde es jedoch ernst, denn jetzt warst du verletzlicher denn je. Als Celleth verlangte, dass ich ihn in die Hallen schmuggeln sollte, hatte ich keine Wahl. Dann hast du herausgefunden, was ich getan hatte und ich wollte nur noch weg. Ich konnte dir und Tauriel nicht ins Gesicht sehen. Im Wald musste ich erkennen, dass Celleth mich belogen hatte. Meine Schwester, ihr Mann und deren Tochter waren tot. Ich lief weiter, schließlich würde man mich suchen. Tauriel hat mich nach einer Weile aber doch gefunden und ich erzählte ihr alles. Dank mir konnte sie dich noch rechtzeitig aus dem Wald bringen. Ich machte mich währenddessen auf den Weg in den Süden, denn ich wollte mit eigenen Augen sehen, dass Legolas wirklich tot ist. In Umbar habe ich von dem Dämon erfahren, der sich als deine Schwester versteckt hatte. Ich wusste, dass Celleth den Dämon auf dich und Legolas angesetzt hatte und als ihr schließlich wirklich bei den Leithian aufgetaucht seid, wo sich der Dämon versteckt gehalten hatte, bin ich euch gefolgt. Den Rest kennst du selbst." Jetzt herrschte Stille. Ich dachte über Ferens Worte nach. Es erschien mir unwirklich, dass er sich diese Geschichten ausgedacht hatte, um mein Vertrauen zurückzugewinnen. ,,Also bist du eigentlich ein Auftragsmörder und Dämonenjäger?", hakte ich nach. ,,So könnte man es ausdrücken", meinte Feren. Wieder herrschte Stille. Wir beide wussten für einen Moment nicht, was wir dem anderen noch sagen sollten. Mir fiel letztendlich aber doch etwas ein. ,,Habe ich dich jemals wirklich gekannt?", fragte ich. Feren seufzte und sah an die Decke des Raumes, als wollte er die Valar nach einer Antwort fragen. ,,Ich weiß es selbst nicht so wirklich. Du hast eine andere Seite von mir gesehen, vielleicht die Seite, die meine gesamte Persönlichkeit hätte sein können, wäre ich nicht als Auftragsmörder ausgebildet, ja fast schon erzogen worden", antwortete Feren, ,,Anfangs war es wirklich nur gespielt, aber nach einer Weile konnte ich mir nicht mehr vorstellen, ohne diese Ruhe und Ehrlichkeit zu sein, die ich mir angeeignet hatte. Die sanften Charakterzüge wurden ein Teil von mir, sie wurden zu mir. Die Freundschaft mit dir hat dazu auch maßgeblich beigetragen. So fühlte ich mich wohler, wie als kaltblütiger Mörder im Schatten." Ich lauschte ihm aufmerksam und beobachtete jede seiner Bewegungen und Mimiken. Es war fast so, als versuchte ich, ihn als Lügner zu entlarven. Er hatte das Vertrauen zwischen uns mit seinem Verrat zerstört, aber es schien wirklich so, als hätte er dies nicht aus freien Stücken getan. Zumindest konnte ich keinerlei Anzeichen einer Lüge erkennen, als er erzählte, weshalb er mich verraten hatte. Feren musterte mich währenddessen ebenfalls. ,,Seit wann hast du dein Augenlicht wieder?", fragte er schließlich. Offenbar überraschte es ihn kein bisschen. ,,Etwas über einen Monat", antwortete ich, ,,Aber es scheint dich ja nicht wirklich zu überraschen." ,,Ich habe es bereits im Wald bemerkt. Besonders natürlich deinen Blick, als du erkannt hast, dass ich es bin. Abgesehen davon habe ich nie daran gezweifelt, dass Legolas die Blume wirklich findet ", antwortete Feren gelassen. ,,Es war eine lange Suche, aber er hat es geschafft", meinte ich. Feren schmunzelte leicht. ,,Eure Verbindung ist wirklich einzigartig. Ich kenne kaum einen Sohn, der jemals eine solche Reise mit so vielen Gefahren und geringen Erfolgschancen für seinen Vater auf sich genommen hat. Vor allem nach so vielen Jahren der Distanzierung", sagte er. ,,Wir hatten es nicht immer leicht, aber meine Erblindung war wohl der Wendepunkt, der uns einander wieder näherbrachte", stimmte ich ihm zu. Wir sprachen noch eine Weile miteinander, hauptsächlich über persönliche Dinge, wobei ich es jedoch vermied über Tauriel zu sprechen. Ich wollte die Anspannung zwischen Feren und mir, die sich gerade wieder gelegt hatte, nicht direkt wieder verstärken. Vergessen hatte ich dieses Thema jedoch nicht. Früher oder später würde ich Feren fragen, ob es wirklich möglich wäre, dass er der Vater von Tauriels Kind war. Feren selbst erwähnte meine Tochter ebenfalls mit keinem Wort, was entweder bedeutete, dass er nichts mit Tauriels Schwangerschaft zu tun hatte, nicht einmal etwas davon wusste. Oder aber er wusste es, wollte es aber ebenfalls nicht ansprechen. Ich beließ es zunächst dabei und ehe wir uns versahen, waren einige Stunden vergangen. Stunden, in denen wir über so belanglose Dinge sprachen, dass man beinahe meinen könnte, wir wären betrunken gewesen. ,,Du solltest nach Legolas sehen", meinte Feren irgendwann und zerstörte damit die leichte Atmosphäre im Raum auf einen Schlag. Jetzt war die Sorge wieder da. Ich nickte, um Feren zu zeigen, dass ich seinen Worten nachkam. ,,Ich schätze mal, ich darf hier warten", sagte Feren und lehnte sich wieder zurück. ,,So Leid es mir tut, aber hier darf ich nichts ohne Legolas' Zustimmung entscheiden. Zumindest in diesem Fall nicht", erklärte ich. Feren nickte nur und beudetete mir mit einer Handbewegung zu gehen. Ich ging, allerdings nicht ohne die Tür wieder zu verschließen. Nur zur Sicherheit. Mit schnellen Schritten lief ich dann zu Legolas Gemächern. Vielleicht war er ja schon wieder wach. Die Tür stand immer noch einen Spalt breit offen, wie ich sie zurückgelassen hatte. Von drinnen hörte ich Lessien leise eine Melodie summen, weshalb ich einen Moment stehenblieb und durch den Spalt ins Zimmer sah. Legolas schlief noch, den Kopf auf dem weichen Kissen etwas in Lessiens Richtung gedreht. Und Lessien saß noch immer an Legolas' Bett, jedoch war sie näher zu ihm gerückt. Eine ihrer Hände hatte sie um Legolas' Hand geschlossen, während sie mit der anderen sanft, ja fast schon zärtlich, ein paar Haarsträhnen aus Legolas' Gesicht strich. Währenddessen summte sie eine Melodie, die ich nach einem Moment des Lauschens schließlich auch erkannte. Es war die Melodie des Lieds von Beren und Luthien, welches Legolas ihr in Pippins Heim vorgesungen hatte. Ich beobachtete die Szene noch eine Weile und lauschte der Melodie. Die Atmosphäre war so friedlich und voller Zuneigung, dass ich mich kaum dazu durchringen konnte, sie durch mein Eintreten zu zerstören. Obwohl ich mir eingestehen musste, dass mich der Anblick schmerzte. Nie wieder würde meine geliebte Frau so über meinen Schlaf wachen. Schließlich trat ich aber doch ein, um mich von meinen trüben Gedanken abzulenken. Lessien schreckte ein klein wenig auf und sah zu mir, als ich die Tür hinter mir schloss. ,,Ihr seid es", sagte sie dann. ,,Ja. Also kein Grund zur Aufregung", entgegnete ich, ohne mir anmerken zu lassen, welche Emotionen sich gerade in mir aufgetan hatten. ,,Bleib sitzen. Der Raum ist wohl groß genug, dass wir beide bei Legolas sein können ", fügte ich noch hinzu, als sie Anstalten machte, ihren Platz meinetwegen zu verlassen. Wieder erntete ich einen erstaunten Blick von ihr, während ich um das große Bett herumging und mich anschließend zu Legolas auf die weiche Matratze setzte. Kurz herrschte Schweigen. ,,Du solltest den Text des Liedes lernen. Es ist sehr schön", meinte ich, um das leicht unangenehme Schweigen zu brechen. Lessien hob den Blick zu mir. ,,Ich konnte mich nur noch an die Melodie erinnern", erklärte sie, ,,Legolas hat es einmal gesungen, als ich nicht schlafen konnte. Das war in..." ,,In Pippins Haus, ich weiß", unterbrach ich sie, ,,Ich habe ihn singen hören." Lessien nickte, plötzlich wohl etwas verlegen. ,,Ich habe euch nicht belauscht, Lessien. Zumindest war es nicht meine Absicht. Ich kam nur zufällig vorbei, als er sang", stellte ich klar, was sie sichtlich entspannte. Etwas gedankenverloren spielte sie mit dem Amulett ihrer Kette, während ihr Blick wieder zu Legolas schweifte. Die Frage, ob die Kette ein Geschenk von Legolas war, brauchte ich daraufhin gar nicht mehr zu stellen. Gedanklich lächelte ich, auch wenn es ein eher trauriges Lächeln gewesen wäre, hätte ich es gezeigt. Die Kette erinnerte mich an das prachtvolle Collier aus den weißen Edelsteinen, welches ich meiner Frau hatte fertigen lassen. Sie hatte es nur drei mal tragen können, bevor sie Mittelerde für immer verlassen hatte. ,,Mein Fuß fühlt sich bereits jetzt deutlich besser an, wie vorhin. Danke nochmals", sagte Lessien völlig unvermittelt und riss mich aus meinen Erinnerungen. ,,Keine Ursache", entgegnete ich und brachte sogar ein kurzes Lächeln auf. Sie erwiderte das Lächeln mit deutlich aufgehellter Miene. Danach schwiegen wir und Lessien schlief irgendwann ein. Zuerst wollte ich sie einfach dort sitzen lassen, aber letztendlich trug ich sie doch behutsam auf das Sofa gegenüber des Bettes, legte sie darauf und deckte sie zu. Anschließend setzte ich mich wieder zu Legolas und wartete darauf, dass einer der beiden Schlafenden wieder erwachte.
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Kissed by Fire ⚜A Middleearth Story | Book 3⚜
FantasíaAbgebrochen ⚜⚜⚜ Thranduil ist auf der Flucht und muss untertauchen, denn Celleth sucht nach ihm, um ihn ein für alle mal aus dem Weg zu räumen. Währenddessen sind Legolas, der von Thranduil nach wie vor für tot gehalten wird, und Lessien auf dem Weg...