Blumen • Rewilz

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P.o.V. Rotpilz
Mit hängendem Kopf lief ich neben Petrit durch die Schulgänge. Egal wohin ich blickte, egal was ich dachte oder tat, immer wieder dachte ich an ihn. Immer wieder stiegen mir Tränen in die Augen, immer wieder wischte ich sie weg - die besorgten Blicke der anderen ignorierend. Ich wollte einfach nur noch meine Ruhe haben. Seit er weg war... Nie hätte ich gedacht, dass ein Leben, eine Existenz, eine Lebensfreude so von einer anderen Person abhängig sein konnte. Doch... Offenbar schon. Ich hatte mir früher gesagt, dass das nicht passieren würde - Abhängigkeit von dieser einen Person - es würde automatisch bedeuten, dass man abstürzt, sobald sie weg ist, dass man in ein tiefes, schwarzes Loch fällt. Doch nie hätte ich gedacht, dass dieses schwarze Loch so tief sein würde, wenn diese eine Person für immer weg ist.

"Hey!" "Hey..." Verwirrt blickte der Jüngere auf und blickte in die blau-grauen Augen des womöglich beliebtesten Jungen der elften Klasse. "Ww.. was ist?" Fragte er skeptisch und schloss sein Schließfach, nur um sich dagegen zu lehnen. "Nichts" lächelte Sebastian und betrachtete Felix, wie er seine Bücher in seiner Tasche ordnete, nur um beschäftigt zu sein. Seit gut einem Monat hatte er den Zehntklässler nun beobachtet und war von seinen Freunden Patrick und Freddy nun zu ihm geschickt worden, da sie seine 'hässliche verliebte Fratze' nicht mehr mit ansehen konnten. Und als Sebastian zum ersten Mal ein kleines Lächeln von Felix geschenkt bekam, wusste er, dass er nun nicht mehr so oft bei den anderen stehen würde.

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"Basti, schau mal!" Sebastian zuckte zusammen und blickte in das grinsende Gesicht Felix' , welcher fast schon schlitternd vor ihm zum Stehen kam. "Das lag in meinem Schließfach!" Versucht überrascht betrachtete Sebastian die gelbe, getrocknete Tulpe, welche er erst vor einer halben Stunde in Felix' Schließfach gesteckt hatte. "Wer das wohl gewesen ist..." Grübelte Felix und setzte sich neben seinen Kumpel. "Glaubst du, irgendeiner aus meiner Klasse? Oder Stufe? Also, aus der Schule sowieso..." Da Felix' Sexualität nicht gerade ein Geheimnis war, konnte  es nur ein Junge gewesen sein, dachte er, vollkommen ausschließend, dass gerade Sebastian es gewesen ist.

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"Basti! Schon wieder!" Leicht seufzte Sebastian und packte seine Bücher in seine Tasche, während sein mittlerweile bester Freund auf ihn zu lief. Patrick, der von allen wusste, kicherte leicht und gesellte sich zu Manuel, welcher schon mit Maurice und Michael ein bisschen weiter entfernt stand und die beiden fast schon gruselig angrinste. "Hier! Dieses Mal ist eine Karte dabei. Mit einem schlichten Herz. Naw, das ist irgendwie cute!" Schwärmte der Kleinere, Sebastian seufzte jedoch nur erneut und lächelte ihn zuliebe. Wann er wohl verstehen würde, dass es seine Blumen waren, die jeden Morgen in Felix' Schließfach landeten? Wohl nie. Aber... Er erwiederte trotz selber Sexualität seine Gefühle einfach nicht, das musste er einsehen. Sollte er es einfach lassen? Aber er würde es nicht ertragen - zu sehr strahlten Felix' Augen, wenn er jeden Morgen eine getrocknete Blume in seinem Schließfach fand.

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Lächelnd betrat Sebastian wie immer zu früh die Schule, steckte kurz die getrocknete Orchidee in Felix' Schließfach, um sich dann in der Nähe gegen eine Wand zu lehnen, wollte Felix' Freude darüber sehen.

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Mit einem komischen Gefühl war Felix heute aufgestanden - ihm war klar, dass irgendetwas anders sein würde, nur was war ihm nicht klar. Ob heute auch eine Blume in seinem Fach finden würde? Insgeheim war er am Hoffen, dass die Blumen vob Sebastian stammten, versuchte aber realistisch zu bleiben. Bloß, weil sie dieselbe Sexualität hatten, hieß es nicht automatisch, dass er ihn lieben würde. Außerdem, er schien immer eher uninteressiert und abgeneigt zu sein, wenn Felix die Blumen zeigte. Nur einmal, als er ihn besucht hatte und die Box gesehen hatte, in denen Felix alle Blumen sammelte, war er erstaunlich rot geworden und schien in andere Welten getaucht zu sein. Seufzend lief Felix durch das Schulhaus, blieb schließlich vor dem Fach stehen und öffnete es mit einer simplen Zahlenkombination. Doch dieses Mal flog mit der Blume auch ein Zettel heraus, mit einer schludrigen Schrift beschriftet. Zögernd faltete er diesen auseinander, ängstlich, was er gleich lesen würde. Doch das, was er dann schließlich las, ließ sein Herz höher schlagen und die Tatsache ignorieren, dass er sowieso schon zu spät war ein der Letzte auf dem Flur war - alle anderen waren schon in den Klassenzimmern.
Am Fenster. Jetzt.
Lautete es schlicht und als Felix seinen Kopf drehte, um zum Fenster zu schauen, blickte er sofort in die blau-grauen Augen Sebastians.

Es schmerzte. Es schmerzte so sehr. Stumm blickte ich auf meinen leeren Schultisch - in andere Welten entschwunden. Ich wollte ihn wieder, einfach wieder in seinen Armen liegen. War das so schwer? Auch jetzt, auch heute zerfraß mich der Schmerz von innen und zerstörte alle positiven Gefühle. Jeder Mensch ging zu früh. Aber warum mussten es immer meine Menschen sein, die so unglaublich früh gingen? Flatternd schlossen sich meine Augen und ich verdrängte alles außer Sebastian - schwebte den Rest des Unterrichts woanders. Dort, wo noch alles gut war.

"Sebi! Lass es!" Lachend versuchte Felix, sich aus dem Griff des Älteren zu winden, welcher jedoch nur lachte und ihn wieder auf das Sofa drückte. "Nicht so stürmisch" kicherte er und blickte Felix tief in die Augen, lehnte seine Stirn gegen die von Felix. "Ich kann noch stürmischer..." Raunte dieser nun - die enthusiastische Stimmung war in sekundenschnelle geladen und sie konnten die Lust in den Aigen des anderen erkennen. Wieso nicht? Sieben Monate waren sie nun zusammen, man konnte es doch wagen, oder nicht? Also schnellte Sebastian nach unten und verschloss ihre Lippen zu einem intensiven, leidenschaftlichen Kuss, während Felix' Hände an dem T-Shirt von ihm zupften.

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"Ey!" "Ach, was ist denn?" Wütend, aber dennoch belustigt blitzte Felix Sebastian an, welcher dein Teller weit weg hielt. "Sebastian Mayer*! Gib mir jetzt SOFORT den Teller! Meine Eltern brauchen den, sie grillen, falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte!" Giftete er und Sebastian grinste. Sein Freund, sein fester Freund war manchmal einfach nur zu knuffig. Lachend stibitzte er sich einen Kuss, bevor er Felix' Eltern den Teller selber brachte.

•••

"Felix? Da... Da ist jemand am Telefon für dich." Im Nachhinein hätte es Felix auffallen sollte. Der mitleidige Blick der Mutter, das Streicheln über die Schulter, das Alleinlassen während des Gespräches. Und trotzdem war er nichts ahnend an das Telefon gegangen, mit einem leichten Lächeln, was er immer drauf hatte, seit er mit Sebastian zusammen war. Und dieses Lächeln würde jetzt für lange Zeit, wenn nicht sogar für immer verschwinden, denn die Info, die nur durch's Telefon alles zum Einstürzen brachte, ließ sich nicht so leicht ignorieren.

Ich presste meine Faust auf meinen Mund - wollte keinen Laut über meine Lippen dringen lassen. Doch trotzdem, immer stärker wurde das verlangen, einfach los zu lassen. Aber nicht hier, nicht jetzt. Das konnte ich doch nicht tun! Trotz all dem begannen die Tränen langsam, aber sicher über meine Wangen zu rollen und ich stürzte aus dem Raum.

•••

"Asche zu Asche, Staub zu Staub. Wir gedenken an Sebastian Meyer, geliebt bis an sein Lebensende.
Amen."

Ich rannte. Rannte raus, rannte weg. Weit, weit weg.
Dann kam das Auto.

"Asche zu Asche, Staub zu Staub wir gedenken an Felix Hardy, geliebt bis an sein Lebensende. Amen. Will noch jemand was sagen?"

"Fordert dein Leben nach den Sinn, lege ihn dein Leben hin.

Und Sebastian war Felix' Leben."

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1222 Wörter
Das Ende ist weird, ik.
Wollte den endlich mal feddich haben .-.
Grüße vom Mars,
Rosenlicht

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