Noch am selben Abend vom Geburtstag seiner Frau reiste Kristoff für ein bis zwei Tage ab, um ein wenig in den Bergen zu arbeiten. Das Eisverkäufergeschäft macht sich schließlich nicht von alleine.
„Ach, Schatz! Warum musst du denn ausgerechnet heute noch losgehen? Hätte das nicht bis morgen warten können?", fragte Anna nun, während sie sich von ihrem Mann am Schlosstor verabschiedete und ihm dabei sehsüchtig um den Hals fiel, „Ich hätte doch so gerne..."
„Ich weiß, aber so ist es jetzt mal! Außerdem hast du ja jemanden, der dir Gesellschaft leistet. Und diesmal kann sie nicht weglaufen oder gar dich ausschließen, nicht?", sagte der Blonde schmunzelnd und streichelte seiner Frau über die Wange, wobei diese kicherte, weil seine fusseligen, grauen Handschuhe sie in der Nase kitzelten. „Ja, da hast du Recht! Aber ich wollte doch Zeit mit dir, meinem Mann, verbringen."
„Anna, wir haben noch ein ganzes Leben zu zweit vor uns, da wirst du doch mal zwei Tage ohne mich aushalten, oder?" Kristoff stupste der Rothaarigen schelmisch grinsend auf die Nase, woraufhin diese nur einen kleinen Schmollmund zog, aber dann zustimmend nickte.
„In Ordnung! Doch ich zähle die Minuten, nein, eher die Sekunden, bis wir uns wiedersehen!" Sie kam näher an den Blonden heran, sodass ihre Gesichter nur wenige Millimeter voneinander entfernt waren. Dann gab sie ihm einen winzigen Nasenkuss, den er erwiderte. Danach hauchte Kristoff noch einen sanften Kuss auf Annas Stirn ab, der eine leichte Röte auf ihren Wangen hervorrief. „Kümmere dich um deine Schwester und mach' dir um mich keine Sorgen, ja? Ich komme schon zurecht. Und, du wirst sehen, wir sind schneller wieder zusammen als du denkst!", lächelte er seiner Frau zu und löste sich nun langsam von ihr. Dabei verschlang er jedoch noch ein letztes Mal seine Finger mit den ihren und küsste ihre zierliche Hand. „Schließlich reisen wir noch am Ende dieser Woche erneut nach Corona, da kann ich sowieso nicht lange wegbleiben."
„Oh, ja!", kicherte die Rothaarige und zog sich nochmals zu ihrem Mann hoch, um ihm einen Kuss auf der Wange abzusetzen, „Und ich freue mich schon riesig auf die Krönung unserer Freunde. Das wird einfach großartig! Letztendlich ging meine erste Krönung, die ich miterleben durfte, auch nicht gerade ‚gut' aus. Also, schon, für den Moment... Aber, das ist ja jetzt auch egal!"
Anna wedelte nur kopfschüttelnd ab und hielt den Blonden dann nicht mehr zurück, sodass dieser auf das Rentier Sven steigen konnte; seinen allerbesten Kumpel. Klingt seltsam, ist jedoch so!
„Ich wünsche dir viel Erfolg, mein Liebling!", winkte die Rothaarige ihrem Mann zu, der jetzt seinen grauen Freund antrieb.
„Danke!", antwortete Kristoff und hob seinen kräftigen Arm, um seiner Frau ebenfalls zu winken, „Sag' Elsa von mir gute Besserung, okay?"
„Mach ich!", murmelte Anna, während sie noch sah, wie ihr Mann über die Brücke galoppierte und dann den großen Platz davor überquerte, um dann schon auf den Waldweg einzulenken. Und ehe sich die Rothaarige versah, war ihr blonder Eismann im Schatten der dichten Nadelbäume verschwunden.
Die rothaarige Prinzessin spielte unsicher und traurig mit einer Strähne, die sich aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst hatte und ging dann zurück auf den Innenhof, auf dessen Mitte sie noch immer die Konturen der großen Schneeflocke erkennen konnte, die ihre blonde Freundin aus Corona noch vor ein oder zwei Wochen dort mit Kreide gemalt hatte. Ganz genau konnte sie den Zeitraum schon gar nicht mehr einschätzen, da in den letzten Wochen so viel passiert war. Erst die Sache mit ihrer Schwester, die einen ewigen Winter auslöste, weil sie Angst davor gehabt hatte, jemanden – genauer gesagt sie – zu verletzen.
Dabei wurde jedoch jemand verletzt, aber nicht Anna, sondern Rapunzel. Glücklicherweise konnte ihr Mann sie noch rechtzeitig retten, doch es war wirklich beim aller letzten Augenblick.
Und, nicht zu vergessen, hatte die Rothaarige schließlich ihren jetzigen Ehemann geheiratet; Kristoff. Das war doch schon reichlich genug für sie, von dem, was geschehen war.
„Hey, alles in Ordnung?", nahm die Rothaarige eine Stimme hinter sich wahr, als sie am Eingangstor angekommen war. Diese sanfte und besorgte Stimme kam aus dem kleinen Spalt der Tür, hinter der das blasse, jedoch mit roten Flecken übersäte, Gesicht Elsas erschien. „Ja, es ist alles gut!", bestätigte Anna nickend und schlüpfte dann zu ihrer Schwester in die prachtvolle Eingangshalle hinein, wobei die Tür krachend ins Schloss fiel.
„Habe ich dir nicht gesagt, du sollst im Bett bleiben, hm?", hakte sich die Rothaarige bei der verblüfft und gleichzeitig blicksenkenden Elsa unter.
Die beiden Schwestern liefen nun durch die lange Halle, an deren Wänden lauter Porträts von früheren Herrschern Arendelles hingen und am Ende lächelten ihnen dann die freundlichen Visagen ihrer Eltern entgegen. „Das ist mein Lieblingsgemälde von ihnen!", seufzte Anna und hielt vor dem breiten Goldrahmen, der die Leinwand schützte, inne, „Jeder, der dieses Porträt betrachtet, sieht einen König und eine Königin. Aber ich sehe nur eins: Mama und Papa." Sie legte ihren roten Schopf auf der Schulter ihrer Schwester ab und bemerkte, wie diese sich versteifte. „Es ist meine Schuld, oder? Dass... dass sie damals auf See verschollen sind." Die Stimme der Blonden brach, als sie dies sagte. Doch die Rothaarige fasste sie nun an den Schultern und blickte ihr ernst in die eisblauen Augen. „Das stimmt doch nicht! Wieso solltest du daran schuld sein, Elsa? Das ergibt keinen Sinn! Ich bin mir sicher, dass es bloß ein... ein Unfall war. Ein ganz schrecklicher, aber doch nur ein Unfall, für den niemand etwas kann. Nicht du, nicht ich und auch nicht unsere Eltern. So etwas passiert nun mal und man kann überhaupt nichts dagegen tun. Das Wichtigste ist, dass wir uns nicht von der Trauer kaputtmachen lassen. Denn wenn das geschieht, für was sind unsere Eltern dann gestorben?"
„Aber... ich..."
„Na, na, keine Diskussion! Wir haben doch schließlich noch uns, habe ich Recht? Unsere Eltern wussten das auch, nur deshalb sind sie doch die Reise erst angetreten, weil sie wussten, dass wir, wenn ihnen etwas zustoßen sollte, nicht alleine wären. Gut, zu diesem Zeitpunkt hast du mich noch ausgeschlossen, aber sie hatten sicherlich geahnt, dass das nicht für immer so sein würde, daher wussten sie, dass wir eines Tages wieder füreinander da sein werden können. Und dieser Tag ist doch schon längst gekommen, nicht?"
Anna grinste ihre blonde Schwester an und ergriff dann eine ihrer Hände. Ihren anderen Arm benutze sie dafür, Elsa in eine Umarmung zu ziehen, die diese nach einigen Zögerungen letztlich doch erwiderte.
„Stimmt, das ist er...", nickte sie jetzt kaum merklich und löste sich dann aus der Umarmung ihrer rothaarigen Schwester, nur um die andere Hand dieser zu ergreifen und sie so noch etwas näher zu sich heranzuziehen, „Und ich möchte, ebenso wie du, dass dies so bleibt!"
Anna kicherte leise und legte nochmals ihr Kinn auf der Schulter ihrer Schwester ab. „Ach, du weißt ja gar nicht, wie lange ich mir gewünscht habe, dass es endlich so kommt?"
„Oh, ich denke, ich kann's mir ganz gut vorstellen?!" Die Blonde verschränkte, sichtlich aufgemuntert, die Arme vor der Brust und hob ihre dünnen Augenbrauen etwas an, während die beiden Schwestern sich voneinander lösten. „Hey, ich wusste ja gar nicht, dass du auch zum Sarkasmus fähig bist?", meinte Anna lächelnd und stieß ihrer Schwester neckend ihren Ellenbogen in die Seite. Diese rümpfte nur gespielt selbstgefällig die Nase und lief nun weiter, um auf den Flur zu gelangen, der als erstes an die Eingangshalle anzweigte. „Ich glaube, wir wissen eine ganze Menge noch nicht voneinander...", säuselte sie dann, als die Rothaarige ihr gefolgt war und sich wieder bei ihr untergehakt hatte, um sie so zu stützen, damit sie sich noch etwas schonen konnte. „Ach, ja?", machte Anna jetzt und reckte das Kinn, um zu sehen, wo sie hinliefen, „Egal, das finden wir schon relativ schnell heraus! Wir sind doch Schwestern. Also haben wir ein besonderes Band, das uns verbindet. Deshalb denk' einfach mal positiv, ja?"
„In Ordnung, ich werde es versuchen!", stimmte Elsa ihrer kleinen Schwester zu, die in den letzten, beiden Wochen doch so sehr gereift war. Vielleicht sah man ihr das nicht an, aber in ihren Worten erkannte Elsa ihren gemeinsamen Vater wieder.
Nach einer Weile kamen die Schwestern vor einer blauen, mit vielen, symbolisch angedeuteten Blumen, verzierten Tür zum Stehen, die die Rothaarige der beiden rasch aufriss. Dann rannte sie in den Raum dahinter hinein und wurde von den vielen, vollgestopften Bücherregalen scheinbar völlig überrumpelt. „Wow, dass hier so viel Geschichte schlummerte und ich hab' es noch nicht mal bemerkt. Das ist echt krass!", meinte Anna kichernd und fuhr vergnügt über die Buchrücken in nur einem der vielen Regalreihen.
Ihre blonde Schwester dagegen trat an den riesigen Mahagonischreibtisch heran, der vor dem einzigen, großen Fenster, das mit roten Vorhängen verhangen war, stand. Dieser gehörte ihrem Vater und ihrer Mutter; mehr sogar fast letzteren, da sie weitaus öfter daran gesessen hatte. Doch das Königspaar verbrachte gemeinsam auch viele Stunden in der Bibliothek. Nicht, um ihre Nasen in Bücher zu stecken, sondern eher, um unter sich zu sein und frei sprechen zu können; sich zu zuhören.
Dies wussten die beiden Schwestern jedoch nicht. Das war auch der Punkt, weshalb Elsa so betrübt schaute, als sie auf den mit Büchern und Schriften beladenen Tisch hinunterblickte. Es sah noch genauso aus, wie an jenem Tage, als ihre Eltern abgereist und nie zurückgekehrt waren.
Elsa wendete ihren Blick von dem vollen Schreibtisch ab und blickte stattdessen zu ihrer rothaarigen Schwester auf. Diese hatte eine Hand an den Mund gelegt und verkrampfte ihren Körper sichtlich, sodass ihr Rücken sich krümmte. Sie musste einen Würgereiz unterdrücken, wobei ihre andere Hand langsam und ziemlich unbewusst zu ihrem Bauch wanderte. „Tut... mir leid!", hustete Anna ab, was jedoch nicht sonderlich zu helfen schien, denn gleich darauf hielt sie sich erneut die Hand vor die rauen Lippen. „Anna?! Was ist mit dir?", kam Elsa schon auf die Rothaarige zugelaufen und umfasste besorgt deren Schultern. Dann geleitete sie ihre Schwester zum Tisch hinüber, wo diese sich setzen konnte. „Geht's wieder?", fragte die Blonde und ihre Miene wurde schuldbewusst, weil ihr nun etwas dämmerte, „Ich... ich hab' dich doch nicht angesteckt, oder?"
„Nein!", sagte die Rothaarige schnell und strich sich daraufhin über die schweißnasse Stirn, „Es ist nichts. Vermutlich habe ich nur etwas zu viel von meiner Geburtstagstorte gegessen, wer weiß? Es geht mir aber schon wieder gut. Mach dir keine Sorgen!"
Elsa seufzte nur erleichtert, gleichzeitig jedoch auch misstrauisch. „Na gut...", gab sie schließlich zu, „Aber wenn etwas sein sollte, dann sag's mir, ja? Ich will nicht, dass dir etwas Schlimmes zustößt, verstanden!"
„Ja, verstanden!"
„Gut!" Die Blonde lächelte zufrieden und nahm dann ein Buch vom Schreibtisch, um es abzustauben. Sie nieste, als der Staub ihr in die Nase kam und schnäuzte rasch in ein winziges Stofftaschentuch hinein. „Also, was wolltest du denn noch einmal hier nachlesen?", fragte sie nun erneut an ihre Schwester gewandt.
„Na, etwas über den Krieg zwischen Corona und...", sie schluckte und nahm der Blonden das Buch ab, um es wieder sorgfältig auf den Tisch zu legen, „...und Arendelle. Ich weiß zwar nicht, ob ich überhaupt etwas darüber wissen möchte, aber irgendwas sagt mir, ich sollte es. Vielleicht ist es meine innere Stimme oder sowas – Keine Ahnung?" Als Anna erneut Luft holte und noch etwas sagen wollte, hob die Blonde nur beschwichtigend die Hand und brachte sie so zum Schweigen. „Ich verstehe schon!", meinte Elsa gut zu lächelnd.
Sie lehnte sich an die Kante des Tisches und ließ ihren Blick durch die riesige Bibliothek schweifen. Von Regal zu Regal, die über und über mit etlichen von Büchern gefüllt waren. „Nun, wo fangen wir da am besten an, was?", seufzte sie und fuhr zusammen, als sie dabei mit ihrem Kleid an dem winzigen Schlüssel hängenblieb, der in einer der Schubladen hinter ihr am Schreibtisch steckte.
Vorsichtig löste sie den leichten Stoff und betrachtete dann den kleinen, herzförmigen Schlüssel, der durch die Strahlen der untergehenden Sonne, die durch den Spalt des Fensters hereinströmten, golden schimmerte.
„Was ist?", fragte Anna und folgte dem Blick ihrer Schwester, „Hast du 'was gefunden?" Sie betrachtete nun ebenso wie die Blonde den goldenen Schlüssel, der so friedlich in seinem Schloss ruhte. Doch im Gegensatz zu Elsa, ergriff Anna die Initiative und fasste den herzförmigen Griff.
Die Rothaarige musste ihn nicht einmal herumdrehen, die Schublade ließ sich ohne Beschwerden öffnen. Zum Vorschein kam nur ein großes, in dunkles Leder gebundenes Buch, wobei der Einband dann doch etwas leicht Violettes aufzuweisen hatte, und in oberhalb des Buchrückens, für die Augen kaum sichtbar, war eine winzige, gelbe Sonne – das Wappen Coronas – eingeprägt.
„Wie...?", begann Anna ihrer Verwirrung Ausdruck zu geben, aber sie endete nicht, hob einfach das Buch auf ihren Schoß und strich langsam und mit zitternden Fingern über den matten Einband. Dann bemerkte sie schließlich die Sonne auf dem Rücken des Buches und von diesem Augenblick an, setzte sie eine noch unglaubwürdigere Miene auf. „Ist es vielleicht genau das, wonach wir suchen?", fragte die Rothaarige jetzt zögerlich an ihre Schwester gewandt, „Irgendeine Bedeutung muss es doch haben, dass dieses Wappen darauf zu finden ist. Ich meine, dass muss doch etwas bedeuten, oder?" Sie zitterte schon am gesamten Leib. Das war einfach zu viel für sie. Eigentlich hatte sie gedacht, es gäbe nach dem Krieg nichts mehr, was sie überraschen könnte – was sie auch noch nicht gewusst haben könnte –, aber das jetzt überzeugte sie vom Gegenteil. Es gab wohl doch noch eine ganze Menge an Dingen, die ihre Eltern ihnen nicht erzählt hatten. Das war wohl auch verständlich, immerhin besitzte jeder ein Recht darauf, Geheimnisse zu haben, wenn sie denn nicht auch so gefährlich und groß waren, wie das ihrer Schwester gewesen war, dann hatte die Rothaarige absolut nichts dagegen.
Langsam fing sie an, ein wenig durch die Seiten zu blättern und bemerkte dabei, dass es sich um ein Tagebuch handelte. Die letzten, zwei Seiten waren jedoch noch unbeschrieben.
„Ob das Mutter oder Vater gehörte?", warf Anna nun ein und blätterte zurück an den Anfang des Buches. „Ich weiß nicht!", antwortete Elsa daraufhin unwissend und zuckte leicht mit den Schultern, „Vielleicht? Da nichts Genaueres auf dem Außeneinband steht, könnte es jedem gehören. Aber was steht denn auf der ersten Seite? Vermutlich sagt uns das, wem es gehört haben könnte?"
Die Blonde beugte sich jetzt zu ihrer Schwester hinunter und betrachtete die wenigen Zeilen, die auf der allerersten Seite in verschnörkelter, schöner Schrift geschrieben standen.
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Frozen & Tangled II: Unforeseen Obstacles
Fanfiction[Zweiter Teil zum Crossover um die Eiskönigin und Rapunzel; von @Unheey & mir] Nach der Hochzeit von Prinzessin Anna von Arendelle und dem Eismann Kristoff waren nun ein paar Tage vergangen, doch die Stimmung in Corona blieb noch immer etwas angespa...