Am nächsten Morgen hatte ich Training. Deshalb stand ich wie immer früh auf und packte nach einem kurzen Frühstück meine Sachen zusammen. Ich war gerade auf dem Weg in die Küche, um mein Handy zu holen, das ich dort liegen gelassen hatte, als es an der Tür klingelte. Wer war das denn?
Nichts ahnend lief ich zur Haustür und öffnete sie.
"Hey, Leon", lächelte ausgerechnet Ana. Ich hatte gestern noch ganz schön lange gebraucht, bis ich die Begegnung mit ihr endlich verdaut hatte. Und jetzt stand sie vor mir und sah mich mit diesem Blick an und es war alles wieder da.
"Ana. Was machst du denn hier?" Und woher wusste sie, wo ich wohnte? Ein bisschen unheimlich war das ja schon.
"Ich war gerade zufällig hier. Hast du Zeit?"
"Ich muss eigentlich jetzt zum Training." Ana holte einmal tief Luft und schien dabei zu überlegen.
"So ein Mist", murmelte sie dann leise, viel mehr zu sich selbst als zu mir.
"Wieso, was ist denn?" Ich wies sie mit einer Handbewegung an, ins Haus zu kommen. Also lief sie an mir vorbei, blieb aber noch im Flur wieder stehen und drehte sich zu mir um.
"Ich muss ganz dringend nach Dortmund. Könntest du mir einen Gefallen tun und mich fahren?" Sie schaute mich mit ihren großen Augen an und bettelte schon beinahe darum.
"Ich muss nach Gelsenkirchen, Ana...", druckste ich ein wenig herum, verstummte aber wieder.
"Und wenn du einfach sagst, du bist krank? Bitte, Leon, es ist ein Notfall!", flehte sie. Ich seufzte einmal und überlegte. Ich musste zum Training, ich konnte da nicht einfach nicht hingehen. Andererseits schien Ana es ja wirklich ernst zu meinen. Aber ich konnte doch auch nicht einfach behaupten, ich sei krank. Oder? Allein der Gedanke erzeugte in mir ein schlechtes Gewissen.Zehn Minuten später saß ich dann doch in meinem Wagen. Aber nicht auf dem Weg zum Trainingsgelände, sondern genau entgegengesetzt nach Dortmund. Ana saß neben mir und sagte mir gerade gefühlt zum tausendsten Mal, wie lieb ich doch war. Dass ich meinen Trainer angerufen und belogen hatte, erwähnte sie allerdings mit keinem Wort.
"Warum musst du eigentlich nach Dortmund?"
"Ich habe einen wichtigen Termin dort. Aber der Bus ist nicht gefahren und da kam mir in den Kopf, dass du ja meintest, du wohnst in Bochum", erklärte sie und lächelte so selbstverständlich, dass ich nicht weiter nachfragte, obwohl die Antwort für mich noch viel mehr Fragen aufwarf.Die restliche Fahrt über schwiegen wir und es war mir wahnsinnig unangenehm. Noch dazu kam, dass sich mein schlechtes Gewissen immer mehr in den Vordergrund spielte, während ich auf die Uhr schaute. Das Training hatte inzwischen begonnen. Noch nicht einmal Max hatte ich Bescheid gesagt...
"Wo genau musst du denn hin?", fragte Ana, als wir am Ortsschild vorbei fuhren. Sie lotste mich eine Weile durch die Stadt, bis wir schließlich an ihrem Ziel angekommen waren.
"Du kannst dort parken. Ich bin gleich wieder zurück, bleib bitte im Auto sitzen", meinte sie und war sofort aus dem Wagen verschwunden, als ich anhielt. Ich blieb also sitzen und schaute mich um.
Wir waren im Gewerbegebiet Dortmunds und speziell hier an einem der düstersten Orte. In den schmalen Straßen ragten auf beiden Seiten große, graue Betonklötze aus der Erde. Kein Mensch war hier zu sehen. Es war fast schon unheimlich.
Keine zwei Minuten hielt ich es im Auto aus, ehe mich die Sorge packte. Kurzentschlossen stieg ich aus meinem Wagen und lief Ana nach. Ich kam an zwei Hausecken vorbei und wollte gerade um eine weitere gehen, als ich inne hielt und mich instinktiv an die Wand neben mir drückte. Ich schaute vorsichtig um die Ecke und beobachtete, was sich da vor mir abspielte.Etwa 50 Meter weiter stand Ana vor zwei dunkel gekleideten Typen. Sie lächelte für meinen Geschmack einen Tick zu viel und fuhr sich immer wieder mit einer Hand durch die Haare. Die Typen musterten sie ganz genau und lächelten dämlich zurück. Sie waren mindestens 20 Jahre älter, schienen aber Gefallen an ihr gefunden zu haben. Aus dieser Entfernung konnte ich nicht verstehen, was sie sagten, aber ich wollte es auch gar nicht wissen.
Nach einem kurzen Gespräch, griff einer der zwei in die Innentasche seiner Jacke und holte einen unscheinbaren Briefumschlag hervor. Zumindest sah es aus der Entfernung so aus. Der andere packte Ana an der Hüfte und zog sie zu sich ran. Sofort spannten sich all meine Muskeln an. Aber Anas Lachen verwirrte mich zu sehr, als dass ich jetzt zu ihr gehen konnte. Sie nahm den Umschlag in die Hand und verstaute ihn in ihrer eigenen Jackentasche. Dann wandte sie sich zum Gehen um und ihr Lachen erstarb, kaum dass sie die Typen nicht mehr sah. Ich atmete gerade erleichtert auf, als ein Typ sie von hinten festhielt und dicht an sich zog. Ana stand mit dem Rücken zu ihm und wehrte sich sofort, als er begann, sie zu berühren."ANA!", schrie ich sofort und rannte auf sie zu. Der Kopf des Typen fuhr hoch und das dämliche Lachen des anderen verstummte, als sie mich sahen. Sie zeigten zwar absolut keine Angst, aber Überraschung erkannte ich auf ihren Gesichtern. Diese Überraschung nutzte Ana, um sich loszureißen. Sie lief mir entgegen, nahm meine Hand und zog mich mit sich weg von den Typen.
"Ana, warte!" Als wir um die zweite Ecke kamen, hielt ich sie auf und sah sie kurz einfach nur völlig verstört an.
"Was war das?", zischte ich dann und zeigte zurück in die Richtung, aus der wir gekommen waren.
"Lass uns bitte einfach abhauen, Leon", murmelte sie kleinlaut. Sofort fuhr ich einen Gang zurück und nickte mitfühlend. Ich legte einen Arm um sie und schob sie weiter zu meinem Auto. Erst als wir dort angekommen waren und ich den Motor startete, sagte sie wieder etwas.
"Vergiss das einfach, okay?", meinte sie und wirkte dabei viel zu selbstsicher. Die Zerbrechlichkeit, die sie eben noch gezeigt hatte, war wieder komplett verschwunden.
"Das soll ich vergessen?! Ana, was waren das für Typen? Und was haben sie dir gegeben?"
"Das geht dich nichts an..."
"Ist das dein Ernst? Erst lüge ich für dich, bring dich her und dann sagst du mir nur, dass es mich nichts angeht?!" Langsam wurde ich richtig wütend. Aber ich bekam keine Antwort mehr. Egal wie lange ich noch auf sie einredete, sie machte dicht und sagte kein Wort mehr dazu.Schließlich setzte ich Ana am Bahnhof in Bochum ab und fuhr direkt nach Hause. Ich brauchte jetzt unbedingt eine kalte Dusche.
Doch als ich auf die Einfahrt fuhr, parkte da bereits ein Wagen. Und es war niemand geringeres als Max, der da mit vor der Brust verschränkten Armen stand und mich böse anstarrte."Bist du irre, Leon?", warf er mir auch gleich an den Kopf, als ich ausstieg.
"Max, ich..."
"Du kommst nicht zum Training, weil du 'krank' bist? Du siehst aber erstaunlich gesund aus", giftete er.
"Ich kann dir das erklären."
"Du brauchst es mir nicht erklären, Leon. Du kannst dich wieder melden, wenn du aufhörst so einen Scheiß abzuziehen!" Mit den Worten stieg er in sein Auto, schlug die Tür härter als normal zu und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Er hatte ja Recht... Ich hatte Mist gebaut. Und das alles nur wegen Ana. Ich hatte ja gewusst, dass das niemals gut gehen könnte...
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Good Boy - Bad Girl (Goretzka FF)
FanfictionAna gehört so ganz und gar nicht zu den typischen Mädchen, mit denen Leon sonst zu tun hat. Aber er kommt einfach nicht mehr von ihr los. Wie viele Grenzen wird Leon für Ana oder auch wegen ihr überschreiten? Und kennt Ana überhaupt so etwas wie Gre...