Als Anas Tränen versiegt waren, schaute sie scheu zu mir hoch. Ich wischte mir schnell die letzten Tränen aus dem Gesicht und schaute ihr dann eine Weile einfach nur in die Augen. Irgendwann wandte sie den Blick ab und schaute sich zurückhaltend in meiner Wohnung um.
"Ich mach uns was zu essen, okay?", schlug ich mit etwas heiserer Stimme vor.
"Ja, ist gut", flüsterte Ana. Anschließend folgte sie mir und blieb unschlüssig an der Kochinsel stehen.
"Kann ich irgendwie helfen?", fragte sie und beobachtete mich dann dabei, wie ich meine Gemüsepfanne zubereitete.
"Ich habe eigentlich schon alles fertig. Du könntest den Tisch decken." Das nahm sie schweigend so hin und holte alles Nötige aus den Schränken, die ich ihr zeigte.Keine Viertelstunde später hatte ich das Essen fertig und stellte die Pfanne auf einem Holzbrett auf den Tisch. Dann nahm ich mir Anas Teller und befüllte ihn mit Essen.
Anschließend aßen wir schweigend. Es war wahnsinnig unangenehm, nichts zu sagen, aber ich hatte ehrlich keine Ahnung, was ich sagen sollte. Das Geschrei zuvor hing noch immer über uns und erdrückte uns unter der imaginären Last. Ana schien es nicht besser zu gehen. Im Gegensatz zu mir schaute sie noch nicht einmal nach oben, während mein Blick beinahe die ganze Zeit auf ihr ruhte."Es tut mir Leid", flüsterte ich erst, als wir fast aufgegessen hatten. Ana schaute hoch und begegnete meinem Blick.
"Ich hätte nicht so ausrasten dürfen", fügte ich noch hinzu und sah dann schuldhaft auf meinen Teller hinunter.
"Ist schon gut. Das habe ich wohl verdient", meinte sie leise und legte ihre Gabel zur Seite.
"Willst du noch was?", fragte ich völlig automatisch und zeigte auf die Pfanne vor mir.
"Nein, danke", lächelte sie leicht und schmunzelte dabei fast.
"Was?" Auch ich musste sofort etwas grinsen. Es war wie ein Rettungsanker, an den ich mich sofort klammern wollte.
"Ich hätte nicht gedacht, dass du kochen kannst", gestand sie dann und lächelte etwas breiter.
"Na, schönen Dank auch", schmunzelte ich und stand dann auf, um unsere leeren Teller in die Spülmaschine zu räumen.
"Das war ein Kompliment!" Ich stellte die Pfanne zurück auf eine kalte Herdplatte und drehte mich zu ihr um.
"Danke", meinte ich dann ehrlich.
"Ich hätte auf dich hören sollen. Du glaubst nicht, wie sehr ich bereue, dass ich es nicht getan habe", wechselte sie schlagartig wieder das Thema. "Und ich weiß nicht, ob ich das je wieder gut machen kann, was ich dir angetan habe. Denn das will ich, ich will, dass du mir vertraust und mir glaubst. Aber ich weiß selber, dass ich mich dafür ändern muss. Ich weiß nur noch nicht, wie ich das anstellen soll. Ich bekomme jedes Mal Panik, wenn ich an Veränderungen denke. Weißt du, ich habe überhaupt keine Probleme damit, einen Polizisten anzulügen, Fallschirm zu springen oder sonst was. Aber sobald es persönlich wird, mache ich dicht. Keine Ahnung, wie ich das ändern soll..."
"Wir schaffen das schon irgendwie." Eine kreativere Antwort fiel mir darauf nicht ein.
"Das denkst du vielleicht. Aber das ist einfacher gesagt, als getan. Du denkst immer an die anderen, du bist so selbstlos. Ich bin so nicht und ich weiß, dass das scheiße ist."Was sie sagte, machte mich wieder nachdenklich. Denn so, wie sie es formulierte, schien ich ihr ja wirklich irgendwie wichtig zu sein. Wenn sie sich für mich verändern wollte, hatte das doch was Gutes, oder? Vielleicht würde sie es ja zugeben, wenn ich nachfragte.
Ich sah Ana aber auch an, dass sie gerade einfach nur müde war und dringend etwas Ruhe brauchte.
"Was hältst du davon, wenn ich dir das Gästezimmer fertig mache und du erst einmal ausschläfst, bevor wir dann morgen früh darüber sprechen, wie es weiter geht?", schlug ich deshalb vor. Ana seufzte erleichtert und nickte dann nur.Also suchte ich in meinem Schlafzimmer einen frischen Bettbezug aus dem Schrank und richtete ihr damit mein Gästezimmer her. Währenddessen war Ana im Bad und kam schließlich in einer Jogginghose und einem T-Shirt von mir ins Zimmer.
"Danke", lächelte sie dann ehrlich und legte sich sofort unter die frisch bezogene Decke. Ich ging langsam aus dem Zimmer und blieb noch einmal an der Tür stehen.
"Schlaf gut", murmelte ich und schloss die Tür hinter mir.Anschließend ging ich selbst ins Bad und duschte erst einmal lange. Das warme Wasser entspannte mich ein bisschen und wusch den Stress von mir. Fast schon widerwillig wickelte ich mich schließlich in ein Handtuch ein und machte mich dann ebenfalls bettfertig. Obwohl es gerade mal kurz vor acht war, merkte ich doch, wie die Müdigkeit sich in mir breit machte. Und wenn ich morgen noch vorm Training mit Ana sprechen wollte, war es gar nicht so schlecht, schon so früh schlafen zu gehen.
In meinem gemütlichen Doppelbett lag ich dann doch noch eine lange Zeit wach. Immer wieder kreisten meine Gedanken um das, was in den letzten Tagen und Wochen passiert war. Ich hatte da dieses Mädchen kennen gelernt und seit dem war nichts mehr, wie es mal war.
Irgendwann sickerte dann eine andere Frage in meine Gedanken. Was passierte eigentlich, wenn man eine von der Polizei gesuchte Person bei sich versteckte? Würde das schlimme Konsequenzen für mich haben?Doch ich kam gar nicht mehr dazu, den Gedanken zu Ende zu denken. Denn ein leises Klopfen an meiner Tür ließ mich aufschrecken. Bevor ich antworten konnte, öffnete sich meine Zimmertür und Ana schaute in der Dunkelheit zu mir.
"Hey, was ist los?", fragte ich sofort und setzte mich ein Stück auf.
"Kann ich bei dir schlafen? Ich will nicht alleine sein", murmelte Ana. Ich konnte ihren Blick dabei nicht sehen, aber sie klang irgendwie traurig. Ich antwortete mal wieder, ohne zu überlegen, und nickte.
"Ja, komm her." Ana kam also ganz in den Raum, schloss die Tür wieder und lief dann im Dunkeln auf das Bett zu. Sie legte sich zu mir und kuschelte sich unter der Decke an meine Seite. Ich deckte sie ordentlich zu und legte mich dann auch wieder hin.
"Gute Nacht, Leon", lächelte sie leise und lehnte ihren Kopf an meine Brust. Sofort verfluchte ich mich selbst dafür, dass mein Herz wie wild zu klopfen begann. Ana schien das aber nicht zu stören, sie atmete ganz ruhig und schien schon fast zu schlafen.
Ich drehte mich vorsichtig auf den Rücken, damit mein Arm nicht vor mir einschlief. Ana legte wie automatisch einen Arm um mich und wirkte dabei seelenruhig.
Ich hingegen drehte förmlich durch. Das war es dann mit früh einschlafen.Auch eine Stunde später lag ich noch so da und fuhr immer wieder langsam durch Anas Haare. Ich konnte wohl nicht leugnen, dass es mir gefiel, so neben ihr zu liegen. Es fühlte sich in diesen Minuten beinahe so an, als wäre nichts passiert. Als lege ich hier mit meiner Freundin nach einem anstrengenden aber schönen Tag. Aber stattdessen war mein Tag beschissen gewesen. Wenn es doch bloß einfach sein würde.
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Good Boy - Bad Girl (Goretzka FF)
Fiksi PenggemarAna gehört so ganz und gar nicht zu den typischen Mädchen, mit denen Leon sonst zu tun hat. Aber er kommt einfach nicht mehr von ihr los. Wie viele Grenzen wird Leon für Ana oder auch wegen ihr überschreiten? Und kennt Ana überhaupt so etwas wie Gre...