Kapitel 18 - Das geht so nicht

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Ich blieb keine halbe Stunde mehr bei Thilo, bevor ich nach Hause fuhr und mich dort angekommen sofort ins Bett legte. Bevor ich dann das Licht ausmachte, schaute ich aber noch einmal aufs Handy und entdeckte eine Nachricht von Ana. 
"Hey, bin gut angekommen <3", stand dort und sofort schlug mein Herz ein bisschen schneller. Ich zögerte eine ganze Weile, aber schließlich tippte ich dann doch eine Nachricht. Allerdings hatte ich keine Ahnung, wie ich mich von ihr verabschieden sollte. Ich konnte nicht riskieren, sie weiterhin zu treffen, weil ich es nicht überstehen würde, wenn ihr was zustieß. Aber ich konnte ihr auch nicht einfach sagen, dass das heute unser letztes Treffen gewesen war. Ich wollte das ja nicht mal, aber ich musste. Irgendwie. Ich hatte dieses Mädchen in mein Herz geschlossen und es tat verdammt weh, diese wenigen Worte in mein Handy zu tippen. Ich starrte sie ewig lange Zeit einfach nur an, unfähig, auf Senden zu drücken. Vielleicht waren diese Worte unscheinbar, klangen ganz normal, nach nichts Großem. Aber das waren sie nicht, kein bisschen. Mit einer leisen Träne, die sich über mein Gesicht schlich, drückte ich schließlich auf Senden. Legte mein Handy zur Seite und lag dann ewig lange wach. Und immer und immer wieder wiederholte sich dieser eine kleine Satz in meinem Kopf. 

"Es war eine schöne Zeit mit dir, Ana."

Der nächste Tag verging wie in Zeitlupe. Ich schaute nur immer wieder auf die Uhr, bis es endlich Zeit war, zum Training zu fahren. Beinahe erleichtert verließ ich das Haus und hoffte nur, mich beim Training ein wenig abzulenken. 
Auf dem Parkplatz begegnete ich noch niemandem, aber es dauerte nicht lange, bis der erste mir über den Weg lief. 
"Hey, Leon! Hast du deinen Lampen-Crash überstanden?", lachte er schon von Weitem. 
"Wie viele aus der Mannschaft kennen die Geschichte noch nicht?", seufzte ich. 
"Ich fürchte, es weiß jeder", meinte Thilo kleinlaut. 
"War so klar!" Aber ein bisschen Schmunzeln musste ich schon bei der Vorstellung, wie es ausgesehen hätte. 
"Blind vor Liebe, was?" Thilo grinste breit und bekam gar nicht mit, was er da in Wahrheit sagte. Aber zum Glück kam Max im nächsten Moment um die Ecke und sah mich anklagend an. 
"Was?", fragte ich irritiert. 
"Danke für's Abholen! Ich hab dir geschrieben, aber du schaust ja nicht aufs Handy", seufzte er. 
"Scheiße, das tut mir Leid!" Ich hatte den ganzen Tag mein Handy ignoriert, aus Angst, dass Ana antworten würde. Dadurch hatte ich natürlich auch alles andere verpasst. 
"Schon okay, Bene hat mich mitgenommen", erklärte der Blonde und lächelte beschwichtigend. "Hat Ana sich denn noch gemeldet?", fragte er dann, als er mich weiter zur Kabine zog, so leise, dass Thilo es nicht mitbekam. 
"Sie meinte, dass sie gut angekommen ist."
"Mehr nicht?" Ich schüttelte nur den Kopf und ließ das Thema damit auch wieder fallen. 

Aber dennoch kam Max später wieder darauf zurück, während wir unsere Runden auf dem Rasen drehten. 
"Ich glaube, ich muss mich auch irgendwie entschuldigen, Leon", druckste er herum. 
"Wieso, was hast du ausgefressen?", schmunzelte ich und sah ihn neugierig an. 
"Ich hab wohl zu vorschnell geurteilt. Eigentlich finde ich Ana doch ganz nett. Ihr würdet gut zusammen passen." Sofort musste ich schwer schlucken und sah auf den Boden. 
"Aus uns wird nie ein Paar werden, also was soll's", murmelte ich schließlich und beschleunigte etwas. Aber Max hielt mit und sah mich irritiert an. 
"Was ist jetzt denn los? Du meintest doch, du hast sie geküsst!"
"Ja, hab ich. Aber es hat keinen Sinn, also lass ich es einfach."
"Leon, aber du magst sie doch! Du warst doch glücklich gestern."
"Bitte, Max, ich will nicht darüber reden, okay?" Der Kleinere nickte nur und ließ sich dann zurückfallen, damit ich alleine sein konnte. Er kannte mich schließlich und wusste, dass ich das jetzt brauchte.

Das ganze restliche Training sprach ich mit Max nur noch über unwichtige Dinge. Ich spürte nur immer wieder diesen Blick auf mir, den er immer drauf hatte, wenn ich ihm nicht die Wahrheit sagte. 
Deshalb war ich froh, als ich wieder nach Hause durfte. Obwohl ich vorm Training unbedingt her wollte. Irgendwie war mein Leben im Moment ein bisschen verkorkst. 

An diesem Abend klingelte mein Telefon. Es war Ana. Und nur schweren Herzens ließ ich es so lange klingeln, bis es wieder verstummte. Meine Anzeige auf dem Sperrbildschirm zeigten mir schon bald, dass Ana mir eine Nachricht geschrieben hatte. Eine Viertelstunde hielt ich es durch, nicht nachzuschauen, danach hielt ich es nicht mehr aus. 
"Hey, hast du vielleicht Lust vorbei zu kommen?:)", hatte sie geschrieben. 
"Tut mir Leid, ich hab heute keine Zeit", lautete meine knappe und völlig gelogenen Antwort. 

Eine ganze Woche verging und meine Laune sank immer weiter in den Keller. Ich war unkonzentriert, reizbar und chronisch schlecht gelaunt. Bis Max schließlich eines Abends mit einem Sixpack Bier vor meiner Haustür stand. 
"Du sagst mir jetzt nicht, dass du keine Zeit hast, das hast du nämlich! Keine Ahnung was bei dir grad abgeht, dass du so scheiße schlecht drauf bist, aber lass mich rein", lautete seine Begrüßung. Max halt. Seufzend trat ich zur Seite und sah ihm zu, wie er seine Jacke auszog, die Schuhe in eine Ecke warf und dann in mein Wohnzimmer ging. Dort nahm er zwei Flaschen Bier zur Hand und öffnete sie. 
"So und jetzt rede", forderte er und hielt mir eine Flasche entgegen. Ich nahm sie entgegen, trank einen großen Schluck und setzte mich neben ihn. 
"Neulich am Kino..."
"Du hast sie gar nicht geküsst, oder?", fragte Max nach. 
"Doch hab ich. Darum geht es auch nicht. An meinem Auto hat mir so ein Schrank aufgelauert, mir gedroht, dass Ana was Schreckliches geschieht, wenn ich mich nicht von ihr fernhalte, und mich dabei gewürgt und dann zu Boden geschlagen", ließ ich die Bombe platzen und ertränkte die Tränen, die mir dabei kommen wollten, schnell in meinem Bier. 
"Ach du Scheiße, Leon! Wieso hast du das nicht gesagt? Du hättest die Polizei rufen müssen!" Max starrte mich fassungslos an. 
"Damit die wieder einen Grund haben, sich Ana vorzunehmen? Außerdem wäre das eine Anzeige gegen Unbekannt, ich hab den Typen nicht erkennen können. Es hätte jeder sein können", seufzte ich. 
"Und was ist jetzt mit Ana?"
"Ich gehe ihr seit einer Woche aus dem Weg. Was soll ich denn sonst machen?"
"Aber dir ist schon bewusst, dass das so nicht weiter geht, oder? Du bist doch nie bei der Sache, du vermisst sie, weil du sie liebst! Und nichts ist schrecklicher als Liebeskummer!"
"Danke, dass du meine beste Freundin bist, Max", murmelte ich und verdrehte die Augen. 
"Schon klar, dass dich das ankotzt. Dass ich dich ankotze. Aber hast du eine Ahnung, wie schrecklich es mit diesem sprich-mich-nicht-an-Leon ist? Du gehst uns allen mindestens genauso auf die Nerven wie wir dir! Das geht so nicht! Melde dich gefälligst bei ihr und sag ihr die Wahrheit!" Nach Max' kleiner Predigt reichte er mir wortlos das nächste Bier, das wir schweigend tranken. Vielleicht hatte er ja Recht. Es hatte wirklich keinen Sinn, einfach so weiter zu machen. Ana sollte wenigstens den Grund erfahren, warum ich mich nicht bei ihr meldete. Wenigstens das war ich ihr schuldig. 

Good Boy - Bad Girl (Goretzka FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt