Kapitel 6 - Riverdale High

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Das Wochenende vergeht ohne weitere nennenswerte Dinge. Hauptsächlich bin ich müde. So viele neue Eindrücke und Menschen sind anstrengend. Ich fühle mich mit Personen wohl, die ich gut kenne und die mich mit all meinen Macken und Unsicherheiten akzeptieren und lieben. Menschenmassen und neue Leute hingegen verunsichern mich wahnsinnig. Bis zu einem Punkt, wo ich mich am liebsten unter der Bettdecke verstecken möchte wie als kleines Kind, als ich mich vor meinen Eltern versteckt und so getan habe, als würde ich schlafen und eben nicht unter der Decke mit Taschenlampe lesen.

Vermutlich fühlte ich mich deswegen auch sofort wohl in Jugheads Gegenwart. Er mag zwar einige Jahre jünger als ich sein, aber er strahlt genau die geheimnisvolle Aura aus, die ihn als Einzelgänger auszeichnet und ihn mir direkt sympathisch macht. 

Bräuchte ich nicht so dringend Geld, würde ich auch nicht kellnern. So gut ich mir auch Bestellungen merken kann und so nett die Kollegen meist sind, so unwohl fühle ich mich unter Fremden. Ich schließe die Augen und lasse die letzten Tage Revue passieren. Meine Gedanken bleiben bei FP hängen. Wofür das wohl steht?  FP scheint ganz anders zu sein als Jug. Er scheint selbstsicher und selbstbewusst. Und er flirtet ungeniert. Ein kleines Grinsen stiehlt sich auf mein Gesicht. Ja, er hat eindeutig mit mir geflirtet... Ich drehe die Musik lauter, um meine Gedanken zu stoppen. Das hier führt doch zu nichts. 

Montagmorgen ziehe ich mir nervös eins meiner seriösen Outfits für Bewerbungsgespräche an. So nett Pop auch ist, ich brauche einen Job, der mir meinen Lebensunterhalt sichern kann. Ich kann nicht ewig im Motel leben. Ich habe mich auch noch immer nicht bei Jughead bedanken können. Aber ich habe ihn seit dem Abend im Pop's auch nicht mehr gesehen. Vermutlich ist er bei seiner süßen blonden Freundin. 

Etwas zu früh betrete ich das Gelände der Riverdale High. Diesmal finde ich auch das Sekretariat ohne Hilfe und schaue mir die Bilder an den Wänden an, um mich ein wenig zu abzulenken. "Hey, ähm, du bist doch Carla, richtig?" Ich drehe mich um und sehe den rothaarigen Jungen, Jugheads blonde Freundin und ein Mädchen mit schwarzen Haaren und einem teuren Sinn für Mode. "Ja, richtig. Wir haben uns letzte Woche kurz getroffen", füge ich hinzu. "Ja, ich weiß. Ich war mir nur nicht sicher, ob du es bist." Er macht eine Handbewegung in meine Richtung. "Na wegen dem Outfit. Du siehst so anders aus." "Ja," beginne ich "ich bewerbe mich auf die freie Stelle als Schulpsychologin." Die Augen vom Rotschopf werden groß. "Oh wow. Ich hätte dich jetzt viel jünger geschätzt. Und du bist Psychologin?", fragt er beeindruckt. 

Ich winke ab. "Ach, das ist doch nichts besonderes. Hör mal.. ähm... ich habe deinen Namen vergessen... Tut mir Leid", sage ich entschuldigend. "Archie", sagt der Junge. "Archie Andrews. Und das hier sind Betty Cooper, Jugheads Freundin und Veronica Lodge, meine Freundin." Ein leichter Stich von Eifersucht durchdringt mich. Ich hätte auch gerne jemanden, mit dem ich mein Leben wieder teilen kann. Ich lächle die drei an. "Nett euch kennen zu lernen. Vielleicht sehen wir uns bald wieder. Ich muss jetzt rein. Drückt mir die Daumen", sage ich nervös. "Du schaffst das schon. Der Direktor ist wirklich nett." Betty sieht mich aufrichtig an und gibt mir ein aufmunterndes Lächeln. 

2 Stunden später

Ich habe ein gutes Gefühl. Das Gespräch lief wirklich gut und ich konnte viele fachliche Fähigkeiten einbinden. Ich glaube auch nicht, dass sich hier besonders viele Leute bewerben. Darauf zähle ich. Erleichtert trete ich nach draußen. Es regnet. Und zwar heftig. Ich habe zwar keinen Schirm, aber beschließe dennoch, den Heimweg anzutreten. Im schlimmsten Fall bekomme ich eine Erkältung. Was soll's. Nach einigen Metern wird es auf einmal über mir trocken. Verwundet drehe ich mich zur Seite und erblicke Betty. "Jug hat mir erzählt, dass du im Moment auch im Motel wohnst. Ich wollte gerade zu ihm." "Danke, Betty. Ich hatte heute nicht mit Regen gerechnet."

"Das Wetter in Riverdale ändert sich schnell. Du solltest immer einen Schirm dabei haben... Und Sonnencreme." Sie lacht. Auf dem Weg zum Motel erzählt Betty pausenlos. Von der Stadt, ihren Freunden und von Jug. Sie strahlt dabei und sieht wirklich glücklich aus. "Hey", sage ich. "Wollt ihr beiden vielleicht heute Abend mit mir Essen gehen? Ich bin Jughead noch was schuldig, weil ich umsonst bei ihm wohnen kann." Betty lacht fröhlich. "Ja, sicher. Das klingt gut." Den Rest des Weges redet Betty weiter. Als wir am Motel ankommen, bin ich Bestens über den Klatsch der Schule informiert. 'Nur für den Fall, dass ich den Job bekomme' meinte Betty dazu. 

Da meine Schicht bei Pop um 20 Uhr beginnt, gehen wir drei gegen 18 Uhr los. Als wir uns einen Tisch suchen, winkt Pop mich zu sich. Er sieht besorgt aus. "Hör mal Carla, meine zweite Kellnerin hat abgesagt und ich bekomme keinen Ersatz. Ich selbst muss dringend ins Krankenhaus zu meiner Mutter und kann nicht bleiben. Meinst du, du kriegst das hier alleine hin?" Ich erstarre innerlich. Oh nein, mein zweiter Arbeitstag und ich bin alleine. Das ist ziemlich schlimm für mich. "Aber sicher doch", sage ich allerdings so fröhlich wie ich kann. Erleichtert sieht Pop mich an. "Du kannst dir auch so viele Milkshakes nehmen, wie du willst." "Danke Pop. Das ist aber wirklich nicht nötig. Mach dir keine Sorgen. Ich schaukel das Schiff schon." Ich klinge wirklich überzeugend. Erschreckend, wie gut ich darin geworden bin, meine Gefühle zu verbergen.

"Erzähl mal Carla," setzt Jug an, als ich mich den beiden Gegenüber setze "wie lief das Gespräch? Haben wir demnächst einen Insider in der Erwachsenenwelt der Schule?" Er grinst. Ich erzähle eine Weile, versuche aber, den beiden keine Hoffnungen zu machen. Warum die beiden wollen, dass ich dort anfange, ist mir sowieso unklar. Ich kenne beide gerade mal ein paar Tage.

Die zwei Stunden bis Schichtbeginn gehen viel zu schnell um und ich ertappe mich dabei, dass ich die ganze Zeit über keine schlechten Gedanken hatte und ich mich wirklich wohl fühle. "Okay ihr beiden, hier ist zwar nicht so viel los, aber ich muss mal meine Uniform anziehen." 

An einem Montagabend ist so gut wie kein Mensch mehr im Pop's. Jug und Betty verabschieden sich gegen 22 Uhr. Ich bin alleine. 

Finding myselfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt